DaphOS: „Wir bauen eine Glaskugel für Gesundheitseinrichtungen“

Tragische Ereignisse, bei denen Menschen aufgrund fehlender oder zu spät verfügbarer Ressourcen im Gesundheitssystem zu Schaden kommen, treten zunehmend häufiger auf. Sie zeigen, wie wichtig es ist, Abläufe besser zu koordinieren, Personal effizienter einzusetzen und Engpässe frühzeitig zu erkennen. Diese Herausforderungen treiben Andreas Diensthuber und sein Team an. Der CEO und Gründer von DaphOS hat eine Mission: Das österreichische Gesundheitssystem fit für die Zukunft zu machen – und zwar mit künstlicher Intelligenz, die Personalengpässe frühzeitig erkannt, Prozesse optimiert und den Ressourcen-Einsatz verbessert.
„Stell dir vor, du liegst am Sofa und hast auf einmal irgendein Problem, greifst zum Telefon und ab diesem Zeitpunkt wollen wir eingreifen“, erklärt Diensthuber seine Vision. DaphOS (das „OS“ steht kurz für Operating System, also Betriebssystem) könnte einmal in Gestalt eines Sprach-Bots einen Patienten genau dorthin navigieren, wo er die beste Versorgung in der schnellstmöglichen Zeit bekommt.
Was nach Science-Fiction klingt, ist bereits dabei, Realität zu werden: Die oberösterreichische Gesundheitsholding (OÖG), die Kärntner Landeskrankenanstalten-Betriebsgesellschaft (KABEG) und der Dachverband der Wiener Sozialeinrichtungen nutzen DaphOS bereits. Gleichzeitig läuft die Expansion nach Deutschland und in die Schweiz an.
KI prognostiziert Patientenströme in Echtzeit18
Das Herzstück der Technologie sind KI-Modelle, die aus historischen Daten lernen. „Wir trainieren Modelle, die wir dann mit spezifischen Daten nochmal feinjustieren“, erklärt Diensthuber. Die Software nutzt nicht nur interne Krankenhausdaten, sondern kombiniert diese unter anderem mit Wetterdaten und epidemiologischen Informationen – also so viele sinnvolle Quellen wie möglich, um ein umfangreiches Bild über die Einflussfaktoren, die letztendlich die Auslastung von Gesundheitseinrichtungen beeinflussen, zu gewinnen.
Das Ergebnis: DaphOS kann mit großer Wahrscheinlichkeit vorhersagen, wann wie viele Patienten mit welchen Problemen etwa in der Notaufnahme aufschlagen werden – und welche Ressourcen dafür benötigt werden. „In der Silvesternacht mehr Betrunkene, nach einem Fußballspiel mehr Verletzungen, im Sommer mehr Sonnenstiche – das lässt sich alles abbilden“, so Diensthuber. „Wir bauen eine Glaskugel, um Risiken und Engpässe in Gesundheitseinrichtungen frühzeitig zu erkennen.“
2026: Das Jahr der Expansion
Für das Wachstum 2026 wurde 2025 der Grundstein mit einer 5 Millionen Euro starken Finanzierungsrunde durch Venture Stars, YZR, D11Z, Push Ventures und dem OÖ HightechFonds, der bereits bei der Gründung an Bord gekommen ist, gelegt. „Die erfolgreiche Implementierung in Deutschland, der Schweiz und auch Italien“, nennt Diensthuber als wichtigste Ziele für 2026.
Der OÖ HightechFonds hat eine besondere Rolle bei DaphOS. Der oberösterreichische Investment-Fonds rund um Thomas Meneder war direkt in die Gründung 2022 involviert (das Startup ging aus einem FFG-geförderten Forschungsprojekt hervor) und ging von Beginn an in den Lead. „Die Unterstützung innovativer oberösterreichischer Startups gerade in der Anfangsphase ist unser Auftrag“, so Thomas Meneder, Geschäftsführer des OÖ HightechFonds. „Bei DaphOS verbindet sich große technologische Expertise und hoher gesellschaftlicher Nutzen auf perfekte Weise, weswegen eine Beteiligung für uns schnell klar war.“
Dienstpläne bauen, freie Betten finden
DaphOS fokussiert sich auf mehrere Kernbereiche: Neben der Detektion von Engpässen geht es auch darum, Dienstpläne automatisch zu erstellen oder die Belegung von Betten zu managen: Das System prognostiziert in Echtzeit, welche Betten wann frei werden und welche neuen Patienten aufgenommen werden können. „Du hast auf einen Blick alle relevanten Informationen beisammen“, erklärt der CEO. „Wenn etwas passiert, gibt es einen Alert, der aufzeigt, wo das Problem liegt – und gibt auch eine Handlungsempfehlung, was zu tun ist.“
Die Idee zu DaphOS entstand aus der Praxis. Diensthuber kommt ursprünglich aus der Medizintechnik, sein Co-Gründer Martin Lichtenberger aus dem Gesundheitswesen. „Wir haben einfach festgestellt, wie unglaublich viel Zeit und Ineffizienz im System steckt“, erinnert sich Diensthuber. „Vieles basiert auf Excel oder Erfahrungswissen einzelner Personen. Leider wird oft immer noch nicht das Potenzial von Daten oder KI genutzt, und genau das ändern wir.“
Das Startup entstand aus einem FFG-geförderten Forschungsprojekt mit der klaren Zielsetzung: Sicherstellen, dass zur richtigen Zeit die richtigen Personen am richtigen Ort sind und die richtigen Dinge tun.
10% mehr Output bei gleichem Input
Die Zahlen sprechen für sich: Durch den Einsatz von DaphOS können Einrichtungen ihre wirtschaftliche Effizienz deutlich steigern. „Das bedeutet: Auf der einen Seite steigt der Ertrag pro Patient, gleichzeitig sinken administrative Aufwände“, erklärt Diensthuber. „Unterm Strich heißt das: Mit derselben Mannschaft lässt sich mehr erreichen.“
Überstunden und Standby-Zeiten würden im Schnitt um bis zu 30 Prozent sinken, und die Personalfluktuation reduziert sich um etwa 20 Prozent – weil das Personal zufriedener ist, dank besserer Dienstpläne. Eine aktuelle Validierung eines deutschen Klinikums zeige sogar, dass man mit Hilfe von DaphOS 10% mehr Output bei gleichem Input schaffe. „Das ist kein Bauchgefühl, sondern messbare Ergebnisse“, sagt Diensthuber.
Für die Mitarbeiter im Gesundheitswesen könnte DaphOS zum Gamechanger werden: stabilere Dienstpläne, weniger Einspringen, bessere Work-Life-Balance. „Wenn man durch den Einsatz von Software oder KI sicherstellen kann, dass das erstens viel schneller geht, zweitens fairer vonstatten geht und am Ende zu einem stabileren Dienstplan führt“, argumentiert Diensthuber, „dann ist automatisch die Mitarbeiterzufriedenheit höher.“
Europäische Antwort auf amerikanische Hyperscaler
Das Timing für DaphOS, das 2025 so richtig durchstartete, passt. Nach der umstrittenen Vergabe eines Großauftrags durch die Berliner Charité an die US-Firma Epic Systems für ein neues Krankenhausinformationssystem (KIS) im Umfang von 200 Millionen Euro wächst die Sensibilität für europäische Lösungen. DaphOS setzt bereits auf europäische Partner: Die Cloud liegt nicht bei US-Hyperscalern, sondern bei Stackit der deutschen Schwarz-Gruppe (Lidl, Kaufland).
„Es gibt deutlich verstärkte Nachfrage nach europäischen Lösungen“, beobachtet Diensthuber. Das Thema Datenschutz nimmt das Startup ernst: DaphOS nutzt State-of-the-Art-Privacy-Methoden wie Federated Learning – unter anderem entwickelt gemeinsam mit dem Know Center der TU Graz.
Besonders wichtig: Die neue FHIR-Schnittstelle (Fast Healthcare Interoperability Resources), der kommende globale Datentransfer-Standard im Gesundheitswesen. „Damit kann man verschiedene Lösungen ganz simpel und einfach verknüpfen“, erklärt Diensthuber. „Vieles von dem, was derzeit noch Legacy im Gesundheitswesen ist, wird dadurch obsolet.“
Partnerstrategie beschleunigt Wachstum
Statt auf Alleingang setzt DaphOS auf Kollaboration. Eine Schlüsselpartnerschaft besteht mit CompuGroup Medical (CGM), einem der größten KIS-Player in Zentraleuropa mit mehreren hundert Krankenhaus-Installationen allein in Deutschland.
„CGM integriert unsere Software in ihre eigenen Produkte“, erklärt Diensthuber die Strategie. Der Vorteil: „Ein Systemwechsel ist extrem zeitaufwendig, kostet extrem viel Geld und ist extrem schulungsintensiv. Darum haben wir von Anfang an einen Best-of-Breed-Ansatz gewählt.“ DaphOS funktioniert somit nicht nur als Fullstack-Lösung, sondern kann über das Backend auch in bestehende Systeme integriert werden.
Der Vergleich liegt auf der Hand: „Airbnb hat selber auch ganz wenige eigene Betten. Das, was Airbnb erfolgreich macht, ist, Angebot und Nachfrage zusammenbringen“, sagt Diensthuber. „Unsere Plattform hat eine ähnliche Zielsetzung: Die zur Verfügung stehenden Ressourcen mit dem Bedarf über Schnittstellen matchen.“
Von der Station bis zur Sozialwirtschaft
DaphOS denkt größer als nur Krankenhäuser. „Wir sehen uns nicht nur als Betriebssystem für Krankenhäuser, sondern generell für jede Art von Gesundheits- und Sozialeinrichtung“, betont Diensthuber. Das spiegelt sich in den Kunden wider: Der Dachverband der Wiener Sozialeinrichtungen nutzt DaphOS für Langzeitpflege, Behindertenhilfe und Flüchtlingsbetreuung.
„Das Einzige, was sich unterscheidet, sind die Anwendungsfälle“, erklärt der CEO. „In einem Pflegeheim geht es mehr um Sturzrisiken oder Mangelernährung. Aber von der Mechanik, von der Methodik, von der Technologie her ist es ähnlich.“
Das Versprechen des österreichischen Startups ist ambitioniert: Ein Gesundheitssystem, in dem niemand mehr zu Schaden kommen muss, weil Ressourcen nicht rechtzeitig verfügbar sind. „Solche Dinge kannst du nicht komplett vermeiden“, sagt Diensthuber. „Aber das Risiko drastisch reduzieren – das können wir.“





















