„Europa am Scheideweg“: Tech-Investments 2025 steigen leicht auf 44 Milliarden Dollar

Es ist der Report, der in Europas Startup- und Tech-Branche wohl die größte Aufmerksamkeit bekommt: Der „State of European Tech„-Report für 2025, den der skandinavische VC Atomico jährlich herausgibt, ist für da. Und er zeichnet ein zwar besseres Bild als im Vorjahr, dennoch wird festgehalten: „Europa steht effektiv an einem Scheideweg. Es mangelt uns nicht an Talent oder Innovation. Was Europa fehlt, ist die Übereinstimmung zwischen Ambition und Commitment“, heißt es in der Analyse.
Europas Tech-Sektor habe in der vergangenen Dekade einen bemerkenswerten Sprung gemacht. Der Wert des Ökosystems stieg von weniger als einer Billion Dollar auf rund vier Billionen Dollar und repräsentiere mittlerweile 15 Prozent des BIP – 2016 waren es erst vier Prozent.
Doch der „State of European Tech 2025“-Report zeichnet ein ambivalentes Bild: Während 50 Prozent der Befragten optimistischer sind als vor zwölf Monaten, sagen ebenso viele, dass die regulatorische Umgebung zu restriktiv ist. 27.000 Gründer haben 2025 neue Companies gestartet; das sind 60 Prozent mehr als 2023. Gleichzeitig wandern erfahrene Gründer zunehmend ab: 18 Prozent verlegen ihre Startups mittlerweile in die USA, 2016 waren es nur zehn Prozent.
Kapital-Gap zu den USA wird größer, nicht kleiner
Während Europa 2025 auf rund 44 Milliarden Dollar Investment zusteuert (2024: 41 Mrd. Dollar), erreichten die USA bereits 177 Milliarden Dollar in den ersten neun Monaten – fast das Doppelte von 2024 und nahe am Peak von 2021. Zwei Drittel des globalen Private-Tech-Investments fließen in die USA, getrieben von Mega-Runden für OpenAI, Anthropic und xAI.
Europa diversifiziert stattdessen: 36 Prozent der VC-Dollars gingen 2025 in Deep Tech (2021 waren es 19 Prozent), verteilt auf Quantum, Defence, Mobility und Climate Tech. Helsing holte 660 Millionen Dollar, Isomorphic Labs 600 Millionen, NScale 1,1 Milliarden – doch verglichen mit OpenAIs 40-Milliarden-Runde bleibt die europäische Feuerkraft bescheiden. Der Report rechnet vor: Würden europäische Pensionsfonds nur so viel in VC investieren wie US-Peers (0,03 Prozent statt 0,01 Prozent des AUM), könnten in der nächsten Dekade zusätzliche 210 Milliarden Dollar mobilisiert werden.

Anton Osika, Founder von Lovable, meint, dass es trotzdem geht: „Europa hat alles, was nötig ist, um generationenübergreifende Billionen-Dollar-Companies zu bauen, und wir sind entschlossen, das zu beweisen.“ Lovable erreichte 100 Millionen Dollar ARR in nur acht Monaten – schneller als jede Software-Company zuvor. Auch n8n fordert Zapier heraus, Synthesia gilt als Gold-Standard für Enterprise-AI-Video, und NScales 1,1-Milliarden-Series-B war die größte UK-Runde überhaupt.
Ekaterina Zaharieva, EU-Kommissarin für Startups, Research und Innovation, fordert: „Wir müssen die bestmöglichen Rahmenbedingungen für Innovatoren schaffen.“ Die Exit-Aktivität zieht an (608 Milliarden Dollar global 2025 versus 364 Milliarden 2024), doch die USA dominieren mit über 50 Prozent Anteil.
Vier Aufgabenfelder
Der Report führt vier Missionen an: Friction fixen, Talent stärken, die Zukunft finanzieren, Risiko beherrschen. Konkret heißt das: einheitliche Incorporation-Rules, moderne Stock-Option-Reform (Kampagne „Not Optional“), höhere Pension-Fund-Allokation und Innovation Procurement von 20 Prozent statt neun Prozent.
Andreas Klinger, Co-Initiator von EU-INC, sagt: „Europas Vielzahl an Ländern ist unser unfairer Vorteil – aber auch unsere Schwäche. Unser Startup-Ökosystem ist fragmentiert, jedes Land konkurriert allein gegen die USA und China.“ 2026 könnte das entscheidende Jahr werden: Die Kommission plant sieben Major-Initiativen, vom 28th Regime über den Quantum Act bis zur Public-Procurement-Reform. Ob daraus echte Verbesserung oder weitere Bürokratie wird, hängt davon ab, ob Founder und Investoren sich früh einbringen – oder zusehen, wie GDPR und AI Act sich wiederholen.
Die „Mighty 50“ (europäische Startups mit über 100 Millionen Dollar Revenue, mindestens zwei Milliarden Dollar Valuation und 200+ Mitarbeitern) zeigen laut Report, was möglich ist. Der Samrt-Ring-hersteller Oura aus FInnland ist auf dem Weg, 2025 zwei Milliarden Dollar Umsatz zu erreichen, Revolut bedient 65 Millionen Kunden und peilt 100 Millionen an.
Doch die Frage bleibt: Kann Europa seine eigene Story schreiben? Die Befragten sind gespalten – ebenso viele sagen Ja wie Nein, 29 Prozent antworten „zu früh, um das zu sagen“. Der Report schließt mit einem Appell: Jede individuelle Aktion summiert sich. Europa hat das Potenzial, der beste Ort der Welt zu sein, um zu gründen, zu bauen und zu skalieren – aber nur, wenn Ambition endlich auf Commitment trifft.
Fragmentierung bremst, Petition fordert „28th Regime“
Die größte Bremse bleibt laut Umfrage unter Gründern die Marktfragmentierung. 70 Prozent der Founder sagen, das operative Umfeld sei zu restriktiv, von Spanien über die Niederlande bis Deutschland herrscht Frust. Die EU-Kommission hat ein „28th Regime“ versprochen, das Startups pan-europäisches Skalieren ermöglichen soll, doch noch ist unklar, ob es als Verordnung oder nur Richtlinie kommt. Der Unterschied: Ersteres hätte echte Durchschlagskraft, Letzteres würde den Status quo zementieren.

Mehr als 15.000 Menschen haben bereits die Petition von EU-INC unterzeichnet, die auf ein einheitliches, einfaches Framework drängt. Die EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen sagt dazu: „Wir können nicht akzeptieren, dass unsere Talentiertesten gehen müssen, um erfolgreich zu sein. Sie müssen hier in Europa den richtigen Boden finden, um zu gedeihen.“ Die politische Agenda für 2026 ist vollgepackt: European Innovation Act, Savings & Investment Union, Cloud and AI Development Act – doch entscheidend wird die Umsetzung sein, nicht die Ankündigung.
























