Trumps H-1B-Visa-Chaos könnte letztendlich gut für Europas Tech-Sektor sein

Die Trump-Administration hat mit einer radikalen Neugestaltung des H-1B-Visaprogramms für einen Paukenschlag gesorgt. Am 19. September 2025 unterzeichnete Präsident Donald Trump eine Proklamation, die eine zusätzliche Gebühr von 100.000 US-Dollar für neue H-1B-Visa-Anträge einführt – eine Maßnahme, die sofort am 21. September in Kraft trat und die gesamte Tech-Branche in Aufruhr versetzte.
Dramatische Kostenexplosion für Unternehmen
Die neue Regelung bedeutet eine beispiellose Verteuerung des H-1B-Programms. Während Unternehmen bisher nur rund 1.000 Dollar für einen H-1B-Antrag zahlen mussten, steigen die Kosten nun auf über 100.000 Dollar pro Petition. Diese drastische Erhöhung trifft besonders Tech-Giganten wie Amazon, Microsoft, Google, Meta und Apple, die jährlich Tausende ausländischer Fachkräfte über das Programm einstellen.
Amazon führt die Liste der H-1B-Nutzer mit 14.783 genehmigten Anträgen an, gefolgt von anderen Tech-Schwergewichten. Für diese Unternehmen bedeutet die Reform Mehrkosten in Millionenhöhe – allein Amazon müsste bei gleichbleibendem Bedarf über 1,4 Milliarden Dollar zusätzlich aufbringen.
Verwirrung und Panik bei Visa-Inhabern
Die Ankündigung löste zunächst erhebliche Verwirrung aus, da Handelsminister Howard Lutnick am Freitag erklärte, die Gebühr müsse jährlich entrichtet werden. Dies versetzte sowohl Unternehmen als auch H-1B-Inhaber in Panik, insbesondere diejenigen, die sich zum Zeitpunkt der Ankündigung im Ausland befanden.
Große Tech-Konzerne reagierten sofort mit internen Memos an ihre Mitarbeiter und rieten H-1B-Inhabern dringend davon ab, das Land zu verlassen oder vor dem Inkrafttreten der Regelung zurückzukehren. Die Ungewissheit über die genauen Bestimmungen führte zu hektischen Aktivitäten in den Personalabteilungen.
Klarstellungen des Weißen Hauses
Am Samstag sah sich das Weiße Haus gezwungen, die Verwirrung aufzuklären. Pressesprecherin Karoline Leavitt präzisierte auf X (ehemals Twitter), dass es sich um eine einmalige Gebühr pro Antrag handelt, nicht um eine jährliche Zahlung. Zudem stellte sie klar, dass bestehende H-1B-Inhaber weiterhin problemlos ein- und ausreisen können und keine zusätzlichen Gebühren zahlen müssen.
Die neuen Bestimmungen gelten ausschließlich für neue H-1B-Anträge, die nach dem 21. September 2025 eingereicht werden, einschließlich der H-1B-Lotterie 2026. Visa-Verlängerungen und bereits genehmigte Anträge sind nicht betroffen.
Politische Motivation: “America First”
Trump begründete die Reform mit dem Schutz amerikanischer Arbeitsplätze. Die Administration argumentiert, dass das H-1B-Programm missbraucht werde, um qualifizierte US-Arbeitnehmer durch günstigere ausländische Kräfte zu ersetzen. In der Proklamation wird explizit kritisiert, dass viele amerikanische Tech-Unternehmen ihre qualifizierten Mitarbeiter entlassen und gleichzeitig Tausende H-1B-Arbeiter einstellen.
Die Maßnahme ist Teil einer umfassenderen Strategie zur Begrenzung der Einwanderung und soll sicherstellen, dass nur die “besten der besten” ausländischen Arbeitskräfte ins Land geholt werden.
Die 100.000-Dollar-Gebühr ist nur der Anfang einer umfassenden H-1B-Reform. Das Arbeitsministerium soll die Mindestlöhne für H-1B-Arbeiter anheben, um sicherzustellen, dass sie nicht unter Marktniveau bezahlt werden. Zusätzlich plant das Heimatschutzministerium, das Lotteriesystem zu reformieren, um hochqualifizierte und hochbezahlte Bewerber zu bevorzugen.
Auswirkungen auf die Wirtschaft
Experten warnen vor weitreichenden Folgen für die US-Wirtschaft. Das H-1B-Programm war bisher ein wichtiger Baustein für die Innovationskraft amerikanischer Unternehmen, insbesondere im Silicon Valley. Die drastische Verteuerung könnte dazu führen, dass Unternehmen ihre Einstellungspolitik überdenken oder Arbeitsplätze ins Ausland verlagern.
Etwa 30 Prozent der H-1B-Arbeiter verdienen derzeit 100.000 Dollar oder weniger jährlich – die neue Gebühr übersteigt damit oft das Jahresgehalt der betroffenen Fachkräfte. Dies könnte besonders kleinere Unternehmen und Startups treffen, die sich die hohen Kosten nicht leisten können.
Aus europäischer Sicht ist die drastische Anhebung der Visa-Gebühr möglicherweise gut. Denn wenn Tech-Arbeitsplätze in den USA für internaitonale Talente stark ansteigen, dann könnten sich Startups wie Großunternehmen dazu gezwungen sehen, diese Arbeitsplätze nach Europa auszulagern. „Thank you, Mr. President!“, meinte etwa Oliver Holle, CEO des großen europäischen VCs Speedinvest zu der Ankündigung.