Vorwurf

noyb will Crif klagen: „Kreditwürdigkeit von Millionen Österreicher:innen mit fragwürdigem Score bewertet“

Max Schrems ist Vorstandsvorsitzender von noyb. Der Verein erhebt schwere Vorwürfe gegen CRIF. © noyb
Max Schrems ist Vorstandsvorsitzender von noyb. Der Verein erhebt schwere Vorwürfe gegen CRIF. © noyb
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Crif ist eine der größten Kreditauskunfteien in Österreich. Das Unternehmen sammelt persönliche Daten von Österreicher:innen und erstellt daraufhin einen „Kreditwürdigkeits-Score“, der zum Beispiel an Banken, Energieversorger und Mobilfunkanbieter verkauft wird. Laut noyb werden diese Scores allerdings auf fragwürdige Weise erstellt. Der Verein strebt eine Sammelklage an.

Daten als wertvollstes Gut

Max Schrems hat sich als Jurist und Datenschutzaktivist einen Namen gemacht, als er 2011 eine Klage gegen Facebook einbrachte. Das Unternehmen soll gegen EU-Datenschutzgesetze verstoßen haben. Mit noyb hat Schrems einige Jahre später einen Verein gegründet, den er als Europäisches Zentrum für Digitale Rechte bezeichnet. Seitdem analysiert noyb „vorsätzliche Verstöße“ gegen europäische Datenschutzrechte und bringt diese, wenn notwendig, vor Gericht.

„Kreditwürdigkeits-Scores aus nur wenigen Daten“

Dieses Mal haben sich Schrems und sein Team die Arbeit von Crif genauer angesehen. Der Vorwurf: Die Kreditauskunftei soll Millionen personenbezogener Daten – wie Wohnort, Alter und Geschlecht – unrechtmäßig sammeln und daraus „fragwürdige“ Kreditwürdigkeits-Scores zwischen 250 und 700 erstellen.

Diese „auf wenigen Daten basierenden Scores“ werden anschließend an Unternehmen verkauft, um die Kreditwürdigkeit einer Person zu bewerten. Sie könnten dabei maßgeblich beeinflussen, ob etwa ein Vertrag mit einer Bank zustande kommt oder nicht. Zu den Banken, die die Scores beziehen, zählen laut noyb die Volksbank Wien, Erste Bank, Raiffeisenbank sowie die Oberbank. Inwiefern den Kunden von Crif bekannt ist, wie diese Scores zustande kommen, ist unklar.

„Die Crif hat eine Art nationales Register aufgebaut, in dem fast alle Menschen in Österreich verzeichnet sind, von dem aber nur die wenigsten wissen“, so noyb per Aussendung. All dies passiere im Verborgenen und verstoße aus Sicht des Vereins wahrscheinlich gegen die DSGVO.

„Theoretisch könnte ein schlechter Score auch zu höheren Kosten für Kredite führen, wenn ein:e Bankmitarbeiter:in durch den Score etwa bei der Risikobewertung beeinflusst würde“, so noyb weiter.

Schrems: „Scores aus sehr dünner Luft fabriziert“

CRIF gibt selbst an, nur von etwa 10 Prozent der Bevölkerung sogenannte Zahlungserfahrungsdaten zu besitzen. Das seien zum Beispiel Meldungen über Zahlungsprobleme von Inkassobüros.

Für die restlichen 90 Prozent wird der Score – laut Crif – meist allein auf Basis von Alter, Geschlecht und Wohnadresse erstellt. noyb berichtete, dass aber auch für Personen, die nicht in der Datenbank erfasst sind, ein Score erstellt wird. Dieser basiere ausschließlich auf den Angaben, die das anfragende Unternehmen im Rahmen einer Bonitätsprüfung an die Kreditauskunftei übermittelt.

„Es besteht der Verdacht, dass die Crif hier Scores aus sehr dünner Luft fabriziert – mit sehr realen Konsequenzen für die Betroffenen. Die Crif könnte einfach sagen: ‚Uns liegt zu dieser Person nichts vor‘ – aber sie verkauft lieber trotzdem einen Score. Der größte Faktor ist in allen bisherigen Tests die Anschrift. Mit dem Alter geht der Score etwas rauf, und Frauen werden besser gescored als Männer“, so Max Schrems, Vorstandsvorsitzender von noyb.

Crif weist Vorwürfe zurück – Scoring entspricht “höchsten Qualitätsstandards“

Trending Topics hat die Kreditauskunftei mit den genannten Vorwürfen konfrontiert und eine Rückmeldung der Unternehmenskommunikation von Crif Österreich erhalten. “Die Einhaltung aller datenschutzrechtlichen Bestimmungen ist für uns selbstverständlich. Wir weisen die Vorwürfe von Max Schrems daher ausdrücklich zurück, werden aber die erhobenen Vorwürfe selbstverständlich im Einzelnen überprüfen.“

Das von Crif erstellte Scoring entspreche “den höchsten Qualitätsstandards“, so eine Unternehmenssprecherin. Er betonte, dass zuverlässige Bonitätsauskünfte für einen funktionierenden Wirtschaftsstandort unbedingt notwendig sind. Nur so könnte das Risiko von Zahlungsausfällen verringert werden. “Auch sind Unternehmen aufgrund gesetzlicher Vorschriften (Verbraucherkreditrechtlinie) verpflichtet, Bonitätsauskünfte einzuholen“, so Crif Österreich in einer ersten Stellungnahme.

noyb will Scores mit Datenkopie überprüfen

noyb plant nun, die erstellten Scores wissenschaftlich zu analysieren. Man will herausfinden, ob die Höhe des Scores tatsächlich vor allem von der Wohnadresse abhängt. Dafür brauche es allerdings „Datenspenden“ der Österreicher:innen. Stimmen diese zu, will noyb durch eine Kopie der Daten von Crif die Scores mit der tatsächlichen Einkommenssituation und auch mit den Daten anderer Teilnehmer:innen vergleichen. Hierfür soll mit einer Universität zusammengearbeitet werden. Die Kosten für das Projekt will der Verein selbst tragen.

„In einigen Einzelfällen ist klar ersichtlich, dass der Score objektiv falsch ist – mit oft massiven Konsequenzen für Betroffene. Um wissenschaftlich zu prüfen, ob der Score strukturell richtig oder falsch ist, brauchen wir aber die Daten von tausenden Betroffenen“, so Schrems.

Auch will man untersuchen, inwiefern der Crif-Score alleinig oder maßgeblich entscheidend ist, damit Verträge mit in Österreich lebenden Personen zustande kommen – oder ob diese beispielsweise auf Rechnung bestellen dürfen.

Sammelklage angestrebt

noyb will also überprüfen, ob Crif gegen die DSGVO verstößt. „Wir haben Grund zur Annahme, dass dieses Vorgehen nicht rechtmäßig ist“, heißt es seitens der Datenschützer:innen. In einigen Punkten würden bereits Entscheidungen der Datenschutzbehörde oder der Gerichte vorliegen. Diese seien allerdings noch nicht rechtskräftig, da Crif Berufung eingelegt habe. Eine höchstgerichtliche Entscheidung stehe deshalb noch aus.

Für noyb ist klar: Sollten ausreichende Beweise vorliegen, könnte eine Sammelklage gegen Crif und mögliche Partner folgen – mit potenziellem Schadenersatz für Millionen Betroffene in Österreich. Die Rede ist von der womöglich „größten Sammelklage des Landes“.

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