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Poolside, Canva, Cursor, Magic: OpenAI links liegen lassen und eigene LLMs bauen

Die poolside-Gründer Jason Warner und Eiso Kant. © poolside.ai
Die poolside-Gründer Jason Warner und Eiso Kant. © poolside.ai
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In vielen Diskussionen ist es leider nur ein ausgelutschtes Schlagwort: KI-Souveränität bzw. KI-Autonomie. Doch während die einen davon träumen, bauen sich die anderen diese. Denn was vor wenigen Jahren noch undenkbar erschien, wird zunehmend zur Realität: Unternehmen, die bisher als Kunden von OpenAI, Anthropic oder Google fungierten, entwickeln nun ihre eigenen KI-Modelle. Die Beweggründe sind vielfältig – Kostenersparnis, strategische Unabhängigkeit, spezialisierte Funktionalität –, doch das Ziel ist dasselbe: die Kontrolle über die eigene technologische Zukunft zurückzugewinnen.

Poolside: Von der Infrastruktur bis zum Chip

Das wohl ambitionierteste Beispiel dieser Entwicklung liefert Poolside, ein französisches Startup, das auf KI-gestützte Programmierung spezialisiert ist. Die Erkenntnis des Unternehmens, das von Jason Warner und Eiso Kant gegründet wurde: Ein konkurrenzfähiges KI-Modell allein reicht nicht aus. Wer wirklich unabhängig sein will, muss die gesamte Infrastruktur kontrollieren.

Mit „Project Horizon“ geht Poolside einen radikalen Schritt: Der Bau eines 2-Gigawatt-KI-Campus in West-Texas auf 568 Hektar Land. „Wenn du deine Infrastruktur nicht kontrollierst, kontrollierst du nicht dein Schicksal – und du hast keine Chance an der Spitze“, erklärt das Unternehmen seine Philosophie.

Die technischen Details sind beeindruckend:

  • 40.000 NVIDIA GB300 NVL72 GPUs, die ab Dezember 2025 in Betrieb gehen
  • Acht Bauphasen mit jeweils 250 Megawatt, modular und skalierbar
  • Direkter Zugang zu Erdgas aus dem Permian Basin, einer der energiereichsten Regionen der Welt
  • Hybrid-modularer Bauansatz, bei dem Hauptkomponenten außerhalb gefertigt und vollständig integriert geliefert werden

Die Partnerschaft mit CoreWeave sichert die unmittelbaren Compute-Bedürfnisse, während CoreWeave gleichzeitig Hauptmieter der ersten 250-MW-Phase wird – ein 15-Jahres-Vertrag, der die Grundlage für echte vertikale Integration schafft.

Was Poolside besonders macht: Das Unternehmen gründet eine eigene Poolside Infrastructure Company unter der Leitung von Lance Smith, VP of Data Centers. Die Mission: schneller, intelligenter und im Frontier-Maßstab bauen. Jedes 2-MW-Datenhallenmodul ist so konzipiert, dass Training und Inferenz sofort beginnen können, während zusätzliche Kapazitäten parallel hochgefahren werden – kontinuierlicher Rollout statt des üblichen Stop-and-Wait-Zyklus.

Cursor: Der Sprung zur Eigenständigkeit

Ein aktuelleres Beispiel für die Unabhängigkeitsbestrebungen liefert Cursor, einer der führenden KI-gestützten Code-Editoren. Bisher setzte das Startup Anysphere, das hinter Cursor steht, auf die Modelle von OpenAI, Anthropic, Google Gemini und xAI – und zahlte entsprechende Lizenzgebühren.

Mit der Einführung von „Composer“ ändert sich das grundlegend. Das erste hauseigene KI-Modell von Cursor ist speziell für agentenbasiertes Programmieren mit niedriger Latenz entwickelt und soll viermal schneller arbeiten als vergleichbare Modelle. Die meisten Arbeitsschritte werden in unter 30 Sekunden abgeschlossen.

Die Innovation liegt im Detail:

  • Codebase-weite semantische Suche für das Arbeiten in großen Projekten
  • Cursor 2.0: Eine vollständig neu konzipierte Benutzeroberfläche, die auf agentenbasiertes statt dateibasiertes Arbeiten setzt
  • Multi-Agent-Architektur: Mehrere KI-Agenten können parallel am selben Problem arbeiten, ohne sich gegenseitig zu beeinträchtigen
  • Natives Browser-Tool zur automatischen Testung und iterativen Verbesserung von Änderungen

Die strategische Bedeutung ist enorm: Cursor reduziert nicht nur seine Abhängigkeit von externen Anbietern, sondern kann sein Modell auch präzise auf die spezifischen Anforderungen von Software-Entwicklern zuschneiden – ein Vorteil, den generische Modelle nicht bieten können.

Magic: Der österreichische Geheimtipp

Noch im Stealth-Modus, aber mit enormem Kapital ausgestattet, operiert Magic, ein Startup mit Wurzeln in Österreich. Die Gründer Eric Steinberger und Sebastian De Ro haben über eine halbe Milliarde Dollar eingesammelt, um ein eigenes, auf Coding spezialisiertes KI-Modell zu entwickeln.

Was macht Magic besonders? Die schiere Höhe der Finanzierung deutet auf extreme Ambitionen hin. Während Cursor bereits am Markt ist, nimmt sich Magic offenbar die Zeit, ein Modell zu entwickeln, das neue Maßstäbe setzen soll. Die Tech-Community wartet gespannt auf den Launch – wenn ein Startup so viel Geld einsammelt, ohne ein Produkt am Markt zu haben, müssen die Versprechungen außergewöhnlich sein.

Canva: Design-KI für die Massen

Ein anderer Ansatz kommt von Canva, dem australischen Design-Unicorn mit einer Bewertung von 42 Milliarden Dollar. Das Canva Design Model unterscheidet sich fundamental von herkömmlichen Bildgenerierungs-KIs wie Midjourney oder DALL-E.

Der entscheidende Unterschied:

Während andere Modelle flache Bilder erzeugen, versteht Canvas Modell die Komplexität von Designprozessen: Ebenenstruktur, Hierarchie, Branding, visuelle Logik. Das Ergebnis sind vollständig bearbeitbare Designs statt statischer Grafiken – ein game changer für professionelle Designer.

Das Modell arbeitet formatübergreifend:

  • Social-Media-Posts
  • Präsentationen
  • Whiteboards
  • Websites
  • Videos
  • Dokumente

Besonders clever: Canva macht sein Modell auch über Plattformen wie ChatGPT, Claude und Gemini verfügbar – eine Strategie, die die Reichweite maximiert, während die Kontrolle über die Kerntechnologie beim Unternehmen bleibt.

Die strategischen Gründe für Eigenentwicklungen

Die Entwicklung eigener KI-Modelle ist keine Laune, sondern folgt klaren strategischen Überlegungen:

  1. Kostenreduktion: API-Kosten können schnell explodieren. Wenn Millionen Nutzer täglich KI-Funktionen verwenden, summieren sich die Gebühren zu dreistelligen Millionenbeträgen pro Jahr. Eigene Modelle können diese Kosten langfristig drastisch senken.
  2. Spezialisierung: General Purpose Modelle wie GPT-5 oder Claude sind Allrounder. Spezialisierte Modelle – für Coding, Design oder andere Nischen – können in ihrem Bereich deutlich besser performen, weil sie auf spezifische Datensätze und Aufgaben trainiert wurden.
  3. Differenzierung: Wenn alle dieselben Modelle verwenden, verschwimmen die Grenzen zwischen Produkten. Eigene Modelle ermöglichen echte Differenzierung im Markt.
  4. Datenkontrolle: Wer fremde Modelle nutzt, gibt sensible Daten aus der Hand – ein Problem besonders für Enterprise-Kunden. Eigene Modelle bedeuten vollständige Datenkontrolle, auch in Sachen Copyright, da die Unternehmen sehr genau wissen, mit welchen Daten ihre hauseigenen KI-Modelle trainiert wurden
  5. Strategische Unabhängigkeit: Die größte Sorge: Was passiert, wenn OpenAI, xAI oder Anthropic die API-Preise verdoppelt? Oder den Zugang beschränkt? Eigene Modelle eliminieren dieses existenzielle Risiko.

Abzuwarten bleibt, wie und ob sich die hauseigenen KI-Modelle durchsetzen können. Die Entwicklung ist um ein Vielfaches teurer, und Canva, Cursor oder Poolside konkurrieren nun mit den großen Playern OpenAI, Anthropic und Google direkt – und diese sind mit deutlich mehr Kapital ausgestattet, um ihre GPTs, Claudes und Geminis schon bald wieder aufs nächste Level zu heben.

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