Hintergrund

Schweden landet einen Unicorn-Hit nach dem anderen. Was machen die Schweden besser?

U-Bahn-Station in Stockholm, Schweden. © Nazrin Babashova auf Unsplash
U-Bahn-Station in Stockholm, Schweden. © Nazrin Babashova auf Unsplash
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Sie schicken Unternehmen mit autonom fahrenden Elektro-LKW an die Börse. Sie sorgen für Milliarden-Exits an börsennotierte US-Software-Riesen. Sie jagen eine Vibe-Coding-Plattform innerhalb eines Jahres zu einer Bewertung von bis zu fünf Milliarden Dollar hoch.

Nein, wir sind nicht im Silicon Valley gelandet, sondern in Schweden. Was schwedische Unternehmer in den letzten Wochen un Monaten so zusammengebracht haben, ist beachtlich. Da ist nicht nur der Börsengang von Klarna, der dem Payment-Fintech und BNPL-Riesen eine Bewertung von derzeit 14 Milliarden Dollar einbrachte, sondern auch der SPAC-Börsengang von Einride, das explosionsartige Wachstum von Lovable oder der Exit von Sana AI an Workday um 1,1 Milliarden Dollar. Pleiten gibt es natürlich auch: So implodierte die einstige Akku-Hoffnung Northvolt öffentlich, nachdem es in den letzten Jahren mehr als 15 Milliarden Dollar an Finanzierung einsammelte.

Vergleicht man Schweden mit Österreich, sind sich die beiden europäischen Länder nicht komplett unähnlich:

Österreich Schweden
BIP (2024) $522B $610B
BIP pro Kopf (2024) $57.208 $57.020
Einwohner 9.2M 10.5M
Forschungsquote (2024) 3,35 % 3,57 %
Arbeitslosenquote (Sept. 2025) 5,5% 8,7%

Was Schweden allerdings geschafft hat, und zwar nicht erst seit 2025: Das Land hat eine sehr lebendige und erfolgreiche Tech- und Innovations-Branche aufgebaut, die auf Erfolge wie Skype (mitgedründet vom heutigen Investor Niklas Zennström, Exit an Microsoft für 8,5 Mrd. Dollar), Spotify oder Mojang (Exit an Microsoft für 2 Mrd. Dollar) zurückblicken kann. Gerade 2025 sieht man neuerlich, wie stark Schweden unterwegs ist. Hier eine Liste der Unicorns, die das Land hervorgebracht hat:

Company Valutation Vertical
Spotify $132B (listed) Audio Streaming
Hexagon $32B (listed) Industrial Software
Klarna $14B (listed) Fintech
Trustly $10.0B (acquired) Payments
Fortnox $5.5B (acquired) Fintech
Lovable $4B – $5B Vibe Coding
Stegra (Ex H2 Green Steel) $5B+ Green Steel
Veoneer $4.6B (acquired) Automotive Safety
Zettle (now PayPal) $2.2B Payment
Kry $2B HealthTech
Neo4j $2B Graph Database
Embracer Group $2B (listed) Gaming
Legora $1.8B LegalTech
Einride $1.8B (SPAC) Autonomous Driving
Neko Health $1.8B HealthTech
InstaBee $1.7B Logistics
Epidemic Sound $1.4B Music Licensing
Worldline (Ex Bambora) $1.4B (acquired) Fintech
Voi $1.0B Mobility
Modal $1.1B AI Infra
Sana Labs $1.0B (acquired) AI
Polarium $1.0B Batteries
Oatly $0.4B (listed) Food

Exits, Intrapreneurs & Infra

Welche Faktoren sind es nun, die Schweden zu so einem starken Standort für Tech-Unicorns machen, der den Vergleich mit anderen Hubs wie Berlin, Paris oder London nicht scheuen muss? Dazu werden immer wieder folgende Gründe genannt (auch wenn es einige mehr geben mag):

1. Community & Netzwerk

Schlagwort „Skype Mafia“. Schweden hat ein außergewöhnlich starkes Gründer-Ökosystem entwickelt, in dem erfolgreiche Unternehmer zu Investoren werden und die nächste Generation unterstützen. Niklas Zennström, Mitgründer von Skype, gründete nach dem erfolgreichen Exit die Venture-Capital-Firma Atomico mit Sitz in London, die zahlreiche schwedische Startups finanziert. Daniel Ek, Gründer von Spotify, ist ebenfalls als Angel-Investor aktiv und inspiriert die Szene. Dieser “virtuous cycle” sorgt dafür, dass erfahrene Gründer ihr Wissen, Kapital und Netzwerk an Newcomer weitergeben

2. Exits & Spin-offs

Das erfolgreichste Beispiel ist Klarna: Aus dem Fintech-Unicorn sind 62 neue Startups entstanden – mehr als aus jedem anderen europäischen Fintech-Einhorn. Zu den bekanntesten Klarna-Alumni-Gründungen zählen Anyfin, Bits Technology und Pretzel AI. Weitere bedeutende Exits waren Skype (2005 für 2,6 Milliarden USD an eBay, später für 8,5 Milliarden USD an Microsoft), MySQL (2008 für 1 Milliarde USD), King Digital/Candy Crush (2016 für 5,9 Milliarden USD an Activision Blizzard) und Mojang/Minecraft (2014 für 2,5 Milliarden USD an Microsoft).

Einride Trucks. © Einride
Einride Trucks. © Einride

3. Forschungsquote

Schweden investiert 3,6% des BIP in Forschung und Entwicklung (2024), womit das Land zu den forschungsintensivsten Nationen weltweit gehört. Der Privatsektor trägt mit 74% den größten Anteil der F&E-Ausgaben. Diese hohe Forschungsintensität liegt deutlich über dem EU-Durchschnitt – Schweden ist EU-Spitzenreiter – und schafft die Grundlage für kontinuierliche Innovation.

4. Digitale Infrastruktur

Schweden baute bereits 1994 das weltweit größte offene Glasfasernetz, das heute 100% der Unternehmen und 90% der Haushalte versorgt. Die Internetpenetration liegt bei 98,3% der Bevölkerung (2025), und 88,5% der Haushalte haben Zugang zu Gigabit-Netzen. Der Kista Science Park, wo Ericsson seinen Hauptsitz hat, verfügt über genug Glasfaserkabel, um die Erde 30-mal zu umrunden. Die mobile Breitbandabdeckung (3G/4G/5G) erreicht mittlerweile 90% aller Mobilfunkverbindungen.

Nahezu legendär ist auch das Digital Payment in Schweden – es gibt viele Shops, die gar kein Bargeld mehr annehmen, quasi gegenteilig zu dem, was man in Mitteleuropa kennt.

5. Corporates & Intrapreneurship

Schweden belegt nach Dänemark den zweiten Platz bei “Intrapreneurship” – der innovativen, kollaborativen Arbeitsweise innerhalb von Unternehmen. Der Ericsson-Konzern beschäftigt etwa die Hälfte der 24.000 IKT-Arbeitskräfte im Cluster Kista Science City und etablierte mehrere “Garage”-Innovationszentren für Mitarbeiter-Experimente. Die enge Entwicklungspartnerschaft zwischen Ericsson und dem staatlichen Telekommunikationsunternehmen (heute TeliaSonera) führte zu zahlreichen erfolgreichen Produkten und förderte den Wissenstransfer zwischen großen Konzernen und Startups. Lovable-CEO und -Mitgründer Anton Osika etwa war zuvor bei Sana tätig – jenem AI-Startup, das dieses Jahr einen Milliarden-Exit machte.

Das Lovable-Team. © Lovable
Das Lovable-Team. © Lovable

6. Ausbildung

Das schwedische Universitätssystem ist kostenlos für EU-Bürger, was hochqualifizierte Arbeitskräfte ohne Schuldenlast hervorbringt. Das Royal Institute of Technology in Stockholm, wo Daniel Ek die Idee für Spotify entwickelte, produziert ein Drittel der technischen Expertise der Hauptstadt. Der häufigste Beruf in Stockholm ist Programmierer, und 18% der Stadtbevölkerung arbeiten im Tech-Sektor. In den 1990er Jahren bot die Regierung sogar Steuervorteile für den Kauf von Computern, wodurch eine ganze Generation digital natives heranwuchs – ein Faktor, der laut Sebastian Siemiatkowski (Klarna-Gründer) entscheidend für seinen frühen Zugang zur Technologie war.

Eine sehr offenkundige Ausprägung dessen: In Schweden – wie auch in ganz Skandinavien – wird perfektes Englisch gesprochen, Englisch ist die De Facto Business-Sprache. Das bringt deutliche kulturelle Nähe zum angloamerikanischen Raum, wo die Investoren herkommen.

7. Deregulierung

Nach der Finanzkrise der 1990er Jahre führte Schweden umfassende Marktreformen durch, die private Wettbewerber in zuvor staatlich kontrollierten Sektoren zuließen . Zahlreiche öffentliche Monopole wurden dereguliert, darunter Taxis, Elektrizität, Telekommunikation, Eisenbahnen und Inlandsflugdienste. Die Körperschaftssteuer sank von 52% (1990) auf heute 22%. Ein Competition Act von 1993 verhindert große Fusionen und wettbewerbswidrige Praktiken. Die Regierung senkt zudem die Besteuerung von Startup-Aktienoptionen, um globale Talente anzuziehen und mit etablierten Unternehmen bei der Vergütung konkurrieren zu können.

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