Die AI Klone greifen an: Warum (fast) alle AI-Startups gleich aussehen
In dieser Videofolge von AI Talk tauchen Jakob Steinschaden und Clemens Wasner tief in die Welt des AI-Brandings ein. Gemeinsam mit Branding-Experte Andreas Keck analysieren sie ein seltsames Phänomen: Warum sehen eigentlich fast alle KI-Startups gleich aus und klingen identisch? Im Gastbeitrag erläutert Andreas Keck das Phänomen und wie Startups wirklich mit GenAI umgehen sollten:
Stell dir vor, du landest auf einer Tech-Homepage. „AI-powered platform“ im Header, vage Versprechen von „Transformation“ und „Outcomes“. Klingt vertraut?
Genau das erleben deine potenziellen Kunden. Täglich. Dutzende Male.
Der B2B-SaaS-Markt hat sich in den letzten Jahren radikal verändert. Sales-Zyklen sind im Schnitt um 24 Prozent länger geworden – Durchschnitt 134 Tage (vs. 107 Tage 2022). Bei Enterprise-Software sogar um 36 Prozent. Gleichzeitig hat sich die Zahl der Anbieter mehr als verdoppelt: von rund 30.000 auf über 72.000 SaaS-Unternehmen weltweit (Statista: Stand 2024). Dazu kommen Tausende neuer AI-Startups, die seit 2023 in den Markt drängen.
Die Rechnung ist einfach: mehr Anbieter, informierte Käufer mit unzähligen Optionen und weniger Geduld.
Wer heute B2B-Software verkauft, konkurriert nicht nur um Aufmerksamkeit. Er konkurriert um Verständlichkeit. Und genau hier entsteht ein Problem, das die wenigsten auf dem Radar haben.

Das Paradox der AI-generierten Kommunikation
AI hat Content demokratisiert. Was früher mehrere Wochen Marketingarbeit kostete, erledigt heute AI in wenigen Minuten. Das klingt nach Fortschritt. Aber es hat einen Nebeneffekt, über den kaum jemand spricht.
Wenn alle dieselben Werkzeuge nutzen – mit denselben Trainingsmustern – kommt am Ende dasselbe heraus. Nicht bessere Kommunikation. Sondern mehr vom Gleichen.
Ich bin diesem Trend nachgegangen. Für einen Vortrag bei weXelerate Future Forward habe ich mir die Homepages von rund 100 Y-Combinator-finanzierten Startups angesehen. Unternehmen mit Millionen-Finanzierungen, oft Series A oder B.
Das Ergebnis war ernüchternd.
„The agentic platform for sustainability outcomes.“
„Your always-on AI analyst, advisor & coach.“
„Drive continuous transformation across business operations.“
Mehr als ein Drittel dieser Startups bestand einen simplen Test nicht: Nach zehn Sekunden auf der Homepage wusste ich nicht, was sie tun. Nicht, weil die Produkte schlecht waren. Sondern, weil die Sprache austauschbar war.
Die versteckte Steuer auf deinen Vertrieb
Das Problem mit generischer Sprache ist nicht, dass sie schlecht klingt.
Es ist, dass sie Unternehmen “unsichtbar” kostet.
Ein Besucher kommt auf deine Seite. Er hat sieben Tabs offen, zwölf andere Anbieter auf der Liste, und nur wenige Sekunden Geduld. Wenn er in diesen paar Sekunden nicht sofort versteht, was du tust und warum das für ihn relevant ist, passiert etwas Unangenehmes: Er schließt den Tab.
Dieser Besucher taucht nie in deinem CRM auf. Er wird nie ein Lead. Du weißt nicht einmal, dass du ihn verloren hast.
Und es geht weiter: Selbst wenn jemand im Funnel bleibt, muss er dein Produkt intern erklären können. Seinem Chef. Dem Einkauf. Dem Team. Wenn dein Messaging schwammig ist, wird diese interne Erklärung noch schwammiger. Der Deal stirbt in einem Meeting, von dem du nie erfährst.
Das ist die unsichtbare Vertriebssteuer. Sie steht in keinem Dashboard. Aber sie ist real.
Warum Klarheit kein Luxus, sondern Wettbewerbsvorteil ist
Was trennt nun austauschbare von einprägsamer Kommunikation? Es sind 6 Prinzipien, die ich aus hunderten Analysen destilliert habe. Sie zwingen zu Substanz und machen AI zu einem Multiplikator.
Der erste Schritt ist brutal ehrlich: Alle Buzzwords raus. Sie sind subjektiv und tragen null Information. Kein “always-on”, keine “transformative Plattform”, keine “end-to-end Solutions”.
Gefolgt von konkreten Ergebnisse. Nicht “wir optimieren Prozesse”, sondern “wir erkennen Kostenpeaks in Echtzeit” oder “wir verkürzen Ihre Zahlungsziele im Schnitt um 18 Tage”.
Dazu kommen echte Zahlen. Wer heute B2B kauft, kennt Benchmarks. Ein CFO, der fünf Tools vergleicht, glaubt dir nicht “signifikant schneller”. Er will Größenordnungen, Zeiträume und Beispiele sehen.
Das vierte Prinzip ist Kundenverständnis. Was schmerzt den Kunden im Alltag?
Wobei hilft dein Produkt wirklich? Je plastischer, desto greifbarer: “Wir sparen manuellen Aufwand” verliert. “Wir nehmen dem Team jeden Monat zwei volle Tage Excel-Arbeit ab” bleibt hängen.
Fünftens: eine klar definierte Zielgruppe. Sprich den Jobtitel, die Situation, das Umfeld an.
Je schneller jemand spürt “das bin ich”, desto eher liest die Person weiter.
Und zuletzt: einfache, gesprochene Sprache. Kein Mensch redet im Alltag, wie auf vielen Tech-Websites geschrieben wird. Ein Satz, den ein Zwölfjähriger versteht, ist kein Zeichen von Plumpheit, sondern von Klarheit. Je komplizierter das Produkt, desto alltäglich greifbarer muss es kommuniziert werden.
Wenn diese sechs Prinzipien stehen, dann wird AI im Marketing und Branding nützlich.

Die eigentliche Frage
AI ist ein Werkzeug. Ein mächtiges Werkzeug. Aber ein Werkzeug verstärkt, was bereits da ist.
Ein guter Startpunkt ist ein Test, den ich in meinen Workshops nutze. Nimm deine Startseite, markiere den oberen Bereich und verdecke Logo und Produktnamen. Frage eine Person, die dein Produkt nicht kennt: “Kannst du mir sagen, was diese Firma verkauft und für wen das ist?” Wenn keine klare Antwort kommt, hast du kein Marketing-Problem. Du hast ein Positionierungs-Problem.
Denn am Ende entscheidet nicht, ob dein Marketing mit AI geschrieben wurde oder nicht. Entscheidend ist, ob jemand in drei Sekunden versteht, was du tust, warum es wichtig ist und ob es für ihn gedacht ist.
Alles andere ist die unsichtbare Steuer, die du jeden Tag auf deinen Vertrieb zahlst.
Über den Gastautor:
Andreas M. Keck ist Gründer von beamr.studio, einer Beratung für Brand-Positionierung im B2B-Tech-Bereich. Mit über 20 Jahren Erfahrung – von Marketing für Großkonzerne in Automotive, Finance und Retail bis zur Spezialisierung auf wachsende Tech-Unternehmen – hilft er SaaS-Firmen und Scale-ups bei Markteintritten, Expansion und Produktlaunches. Der rote Faden: aus austauschbarer Kommunikation klare Positionierung machen. Im Gastbeitrag erklärt er, warum generische AI-Sprache zum unsichtbaren Kostenfaktor für B2B-Vertrieb wird.





























