RateBoard: „Ein Exit ist kein Abschluss, sondern der Start in eine neue Phase“

RateBoard wurde 2015 von Matthias Trenkwalder und Simon Falkensteiner in Innsbruck gegründet und hat sich seither zu einem führenden Anbieter von Revenue Management Software in Europa entwickelt. Ziel des Unternehmens ist es, Hotels ein einfaches Tool zur Verfügung zu stellen, um ihre Preisstrategie zu optimieren, ihre Arbeitsprozesse zu vereinfachen und die Einnahmen deutlich zu steigern.
2020 hat RateBoard den großen Exit geschafft und wurde von der Zucchetti Group übernommen. Wir haben mit Matthias Trenkwalder, Managing Director von RateBoard, über das von ihm gegründete Unternehmen gesprochen.
RateBoard ist nun bereits 10 Jahre am Markt: Welche Marktbarrieren und Widerstände musstet ihr im konservativen Tourismus-Umfeld konkret überwinden – und wo stoßt ihr heute noch an Grenzen?
Matthias Trenkwalder: Als wir 2015 gestartet sind, war Revenue Management in der Ferienhotellerie kaum ein Thema. Die größte Hürde war das Vertrauen in datenbasierte Entscheidungen – viele Hoteliers arbeiteten mit Bauchgefühl und Excel. Dazu kam: Wir waren Neulinge und mussten uns unsere Glaubwürdigkeit erst erarbeiten. Heute ist das Thema zwar etabliert, aber es gibt weiterhin digitale Reifegrenzen – vor allem bei kleineren Betrieben oder in Regionen, in denen Technologie noch immer als Kostenfaktor gesehen wird statt als strategische Investition.
Was war der Moment, in dem ihr dachtet: „Jetzt sind wir wirklich angekommen“ – und gab es auch Nächte, in denen ihr alles hinschmeißen wolltet?
Es gab zwei entscheidende Wendepunkte: Der erste war 2018, als wir endlich eine flächendeckende Integration mit den wichtigsten Hotelprogrammen erreicht hatten. Das war deutlich aufwändiger als gedacht – viele PMS waren technisch nicht vorbereitet, und wir kämpften mit dem klassischen Henne-Ei-Problem: Hoteliers fordern Schnittstellen vor Vertragsabschluss, Anbieter wollen Volumen vor Entwicklung.
Der zweite Moment war die Zeit nach der Pandemie. Viele Kunden sagten uns: „Ohne euch hätten wir das nicht geschafft.“ – das war ein Gänsehautmoment und ein echtes Ankommen im Markt.
Natürlich gab es auch Krisen: verlorene Mitarbeiter, abgesagte Großprojekte, schlaflose Nächte. Aber genau dort entstehen oft die klarsten Entscheidungen.
Der Umsatz ist in fünf Jahren um das Fünffache gestiegen und soll 2026 erstmals 10 Millionen Euro erreichen. Was sind die wichtigsten Umsatztreiber?
Unser Wachstum basiert auf drei Säulen:
- Starke Position im DACH-Leisure-Segment, wo wir Marktführer sind
- Hohe Kundenbindung und Expansion Revenue durch ein klares SaaS-Modell
- Internationale Skalierung gemeinsam mit Zucchetti, v.a. in Italien und nun verstärkt in weiteren Märkten, so u.a. mit ersten Kunden in Nordamerika
Zudem investieren wir konsequent in unser Produkt – das wirkt sich unmittelbar auf Upselling, Retention und Weiterempfehlungen aus.
RateBoard wurde durch die Zucchetti Group übernommen: Welche konkreten Synergieeffekte konntet ihr bislang tatsächlich heben?
Die Übernahme hat uns in mehrfacher Hinsicht beschleunigt. Wir haben nun direkten Zugang zu tausenden PMS-Kunden in Europa, können auf Live-Daten zugreifen und profitieren von integrierten Vertriebsstrukturen in strategischen Märkten.
Auch in der Produktentwicklung arbeiten wir an gemeinsamen Lösungen – insbesondere im Bereich Benchmarking, Forecasting und Automatisierung. Synergie heißt für uns: Wir wachsen schneller, aber mit Fokus.
Inwiefern musste man auch Kompromisse bei Unternehmenskultur oder Produktstrategie eingehen, um Synergien zu realisieren?
Zucchetti verfolgt ein dezentrales Modell mit vielen eigenständigen Firmen und „Unternehmern im Unternehmen“ – das passt kulturell sehr gut zu uns. Im Gegenteil: Wir sehen den Zusammenschluss als strategische Chance. Langfristig werden Anbieter erfolgreich sein, die die gesamte Guest Journey in einer Plattform abbilden – das ist für Einzelplayer kaum machbar, aber in einem starken Ökosystem wie Zucchetti sehr wohl. Hoteliers wollen nicht zehn isolierte Tools, sondern ein intelligent integriertes Set von Lösungen, das Prozesse vereinfacht und Daten verbindet. Genau das ermöglichen wir jetzt.
Europa geht durch wirtschaftlich schwierige Zeiten. Wie wirkt sich das auf die Hospitality-Branche aus, in der ihr tätig seid?
Trotz aller Unsicherheiten bleibt der gehobene Ferientourismus erstaunlich stabil – Reisen ist ein Grundbedürfnis, gerade nach Krisenjahren. Gleichzeitig sinkt die operative Marge durch steigende Kosten für Personal, Energie und Finanzierung. Die Folge: Hotels müssen effizienter wirtschaften – und genau hier setzen wir an. Unsere Lösung hilft nicht nur beim Pricing, sondern zunehmend auch bei der Optimierung operativer Entscheidungen.
Angesichts des zunehmenden Wettbewerbs durch globale Tech-Konzerne – wie differenziert man sich in Europa technologisch und wirtschaftlich, um nicht zur austauschbaren Lösung zu werden?
Wir differenzieren uns durch Marktnähe, Spezialisierung und echte Produktintelligenz. Während globale Anbieter oft Standardlösungen bauen, die auf Volumen ausgelegt sind, verstehen wir die komplexen, oft emotionalen Prozesse in der europäischen Ferienhotellerie. Technologisch setzen wir auf offene Schnittstellen, AI-gestützte Entscheidungslogik und tiefe Branchendaten – statt auf Oberflächen-Funktionalität. Und wirtschaftlich ist unser Fokus auf Bestandskundenbindung und Lifetime Value ein Vorteil gegenüber US-Modellen, die stark auf aggressive Neukundenakquise setzen.
Generative AI ist ein riesiges Thema im Tourismus. Gibt es bei euch Pläne, im GenAI-Bereich Angebote zu schnüren oder auszurollen?
Ja, wir arbeiten konkret an mehreren GenAI-Features – z. B. an einem AI-Notification-System, das Hoteliers proaktiv auf Risiken und Chancen aufmerksam macht. Auch in Bereichen wie Forecasting, Benchmarking und Marktanalyse nutzen wir schon länger AI. Unser Ziel ist: weniger manuelle Kontrolle, mehr intelligente Automatisierung – aber ohne dabei die Kontrolle abzugeben. Für uns zählt nicht der Hype, sondern der reale Mehrwert im Tagesgeschäft.
Viele Founder streben den Exit an. Welche Learnings gebt ihr ihnen mit, bevor sie einen Deal mit einem Corporate unterzeichnen? Was sind No-Gos?
Ein Exit ist kein Abschluss, sondern der Start in eine neue Phase – und der sollte strategisch sein. Meine wichtigsten Learnings: Passen die Visionen zwischen Startup und Konzern zusammen? Gibt es auch einen persönlichen und kulturellen fit zwischen dem Management? Wie wird sich der Markt langfristig entwickeln, welche Lösung such der Endkunde in 5-10 Jahren?
No-Gos sind:
- Unklare Rollen nach dem Closing
- Verlust von Autonomie bei strategischen Entscheidungen
- „Soft Buyouts“, bei denen man zwar offiziell bleibt, aber intern nichts mehr bewegen kann
Ein guter Exit stärkt das Produkt, das Team und das Ziel.