Gerichtsurteil: Was notarity künftig darf und was nicht

Der Fall notarity vs. Notariatskammer geht in die nächste Runde: Das Oberlandesgericht Wien weist eine Klage der Österreichischen Notariatskammer (ÖNK) gegen das Startup notarity in den Hauptpunkten ab. Das 2021 in Wien gegründete Unternehmen betreibt eine internationale Online-Plattform für notarielle Dienstleistungen. Nun setzt sich notarity in zweiter Instanz gegen rechtliche Bedenken durch. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig – ob es erneut zur Berufung kommt, bleibt offen.
Anpassungen bereits umgesetzt
Das Oberlandesgericht bestätigt die grundlegende Rechtmäßigkeit des Geschäftsmodells des Startups in allen wesentlichen Punkten. In einzelnen Aspekten bezüglich Werbung und Preisgestaltung gibt das Gericht jedoch der Notariatskammer recht. notarity reagierte proaktiv und setzte die erforderlichen Änderungen entsprechend der Klage laut eigener Aussage bereits Ende 2023 weitgehend um, noch bevor das erste Urteil getroffen wurde. Eine konkrete Marketing-Formulierung, der diesmal im Gegensatz zum ersten Urteil stattgegeben wurde, spielt daher praktisch keine Rolle mehr für das Startup.
Jakobus Schuster, CEO und Mitgründer von notarity, zeigt sich versöhnlich: „Die Notarinnen und Notare sind nicht unsere Gegner, sondern unsere wichtigsten Partner. Wir hoffen, dass in der Österreichischen Notariatskammer jetzt ein frischer Wind einkehrt, dass die innovativen Kräfte gestärkt werden und unser Rechtsstreit ein Ende findet.“
Schuster bewertet die Entscheidung positiv: „Das Urteil des Oberlandesgerichts ist eine klare Bestätigung unseres innovativen Ansatzes, der den Zugang zu Notariatsdienstleistungen für Menschen und Unternehmen erheblich vereinfacht. Wir sind froh, dass unser Geschäftsmodell nun auch in zweiter Instanz in seinen Grundzügen bestätigt wurde und zuversichtlich, dass die digitale Transformation notarieller Dienstleistungen in Österreich damit jetzt weiter voranschreitet.“
So verlief der Rechtsstreit
Im September 2023 reichte die ÖNK erstmals Klage gegen die notarity GmbH beim Handelsgericht Wien ein. Der Grund: Das Geschäftsmodell verstoße gegen standesrechtliche und gesetzliche Vorgaben für notarielle Dienstleistungen – etwa bei der Preisangabe, Abtretung von Honoraransprüchen und Werbung mit Fixpreisen. Das Wiener Startup wies die Vorwürfe zurück, da es lediglich als technische Vermittlungsplattform tätig sei, die EU-regelkonforme Online-Beglaubigungen anbiete.
Ein Jahr später fällte das Handelsgericht Wien ein erstinstanzliches Urteil – und wies die Hauptunterlassungsbegehren der ÖNK ab. Es blieb notarity weiterhin erlaubt, Vermittlungsleistungen anzubieten – aber nur bei klarer Preisaufteilung zwischen Plattform und Notar:in. In der Folge gingen beide Parteien in Berufung.
Die wichtigsten Ergebnisse im Überblick
Was notarity weiterhin darf:
- Digitale Plattform für Notar:innen anbieten: das Hauptgeschäftsmodell ist rechtlich in Ordnung.
- Notarielle Dienstleistungen vermitteln: die Vermittlung an sich ist erlaubt.
- Den Namen „notarity“ verwenden: keine Verwechslungsgefahr mit echten Notar:innen.
- Servicegebühren für IT-Leistungen verlangen.
Was notarity nicht mehr darf:
- Gesamtpreise ohne Aufschlüsselung des Notaranteils anbieten.
- Nettopreise gegenüber Verbraucher:innen bewerben.
- Fixpreise für notarielle Dienstleistungen bewerben.
- Behaupten, dass „versteckte Kosten“ bei anderen Notar:innen anfallen.
- Behaupten, die Plattform sei „kostenfrei“, wenn Servicegebühren anfallen.
- Honoraransprüche von Notar:innen an sich abtreten lassen.
- Notarleistungen im eigenen Namen abrechnen.
Wachsende internationale Nutzung
Die Plattform will Nutzer:innen weltweit ermöglichen, Unterschriften und Urkunden online von einem Notariat beglaubigen zu lassen. Das Angebot richtet sich sowohl an Privatpersonen als auch an internationale Konzerne. Über notarity werden mittlerweile mehrere tausend Beglaubigungen monatlich abgewickelt, wobei der Großteil der Transaktionen außerhalb Österreichs stattfindet.
Die steigende Nachfrage nach digitalen Notardienstleistungen spiegelt sich in den Nutzungszahlen wider. Die Plattform verzeichnet kontinuierliches Wachstum und festigt ihre Position als innovativer Akteur im Bereich der digitalen Rechtsdienstleistungen.