Die Apple Watch im Test: 6 Gründe, die für einen Kauf sprechen, und 6 Gründe dagegen
An den Handglenken von österreichischen Start-up-Gründern, Risikokapitalgebern, Digitalagentur-Vertretern und IT-Journalisten kann man sie bereits entdecken, obwohl sie hierzulande noch gar nicht erhältlich ist (wie man sie trotzdem kaufen kann, steht hier). Und viele andere fragen sich: Soll man sich die Computer-Uhr nun zulegen oder nicht? Auch der Autor dieses Testberichts hat sich eine Apple Watch zugelegt und trägt sie nun seit gut fünf Wochen durch die Gegend – Zeit, das Erlebte und Gelernte an die Branche weiterzugeben.
#1 Pro: Das Fashion-Statement
Design ist zwar immer Geschmackssache, aber große Empörung über die optische Gestaltung der Apple Watch ist ausgeblieben. Sie ist schlicht, mit den runden Ecken aber trotzdem unverkennbar Apple, und so outet man sich seinem Gegenüber eindeutig als Anhänger der wertvollsten Marke der Welt, bei der man viel Geld lässt. Die Apple Watch sollte man deswegen auch als Fashion-Statement verstehen, mit dem man anderen signalisiert, bei technologischen Entwicklungen ganz vorne mit dabei sein zu wollen – und das stößt manchmal auf Interesse, manchmal aber auch auf Ablehnung.
Für Nicht-Uhrenträger mag die Apple Watch klobig wirken, für all jene, die große Ziffernblätter am Handgelenk gewöhnt sind, ist sie keine große Umstellung. Dick ist sie sicherlich, immerhin muss sie jede Menge Sensoren (Gyroskop, Pulsmesser, Beschleunigungssensor), Chips (Bluetooth, WLAN, Apple-S1-Prozessor), Touchscreen-Technologie und einen Akku (offiziell bis zu 18 Stunden Laufzeit) beherbergen, doch unangenehm fällt die Dicke der Uhr eigentlich nicht auf.
#2 Pro: Die Personalisierung
Ein wichtiges Feature, das hat Apple richtig antizipiert ist die mögliche Personalisierung der Watch – und die hört nicht dabei auf, sich verschiedene Armbänder (Leder, Metall, usw.) dazukaufen zu können. Das digitale Ziffernblatt, auch Watchface genannt, kann sich der Nutzer mit zehn verschiedenen Vorlagen nach Belieben gestalten sowie Farben und die so genannten Komplikationen (Zusatzanzeigen zu Batteriestand, Temperatur, Termine, Wecker, Fitness-Tracker, Aktienkurse, Mondphase, Sonnenverlauf, Datum) zu bestimmen, die zusätzlich zur Uhrzeit am Display aufscheinen.
Und das macht durchaus Spaß: Fast täglich erwischt man sich dabei, das Ziffernblatt nach Lust und Laune zu wechseln und es auch mal zu wagen, sich die Micky Maus, die mit ihren Armen die Zeit anzeigt, aufs Display zu legen. Von der Personalisierung bekommen Umstehende übrigens wenig bis gar nichts mit. Das Display leuchtet nur auf, wenn man den Arm zum Draufschauen hebt. Ein Nachteil für Computer-Arbeiter: Wenn man in die Tastatur hackt, dann schaltet sich das Display aufgrund der Handbewegungen immer wieder ein, was irritieren kann.
#3 Pro: Das Michael-Knight-Feeling
Wer die TV-Serie “Knight Rider” mit David Hasselhoff in den 1980ern cool fand, weil er via Armbanduhr mit K.I.T.T. sprechen konnte, dem wird beim ersten Telefonat via Apple Watch ein Grinser auskommen. Denn ja: Anstatt zum iPhone zu greifen, kann man Anrufe mit der Uhr annehmen und dank eingebauten Mikrofon und Lautsprecher in akzeptabler Qualität führen. In der Öffentlichkeit macht man von dieser Funktion sicher keinen Gebrauch, aber im Auto, beim Kochen oder beim Chillen auf der Couch ist diese Funktion durchaus nützlich, wenn man entweder die Hände nicht frei hat oder zu faul ist, das Smartphone zu holen.
#4 Pro: Die Sprachsteuerung
Und damit ist man schon bei Siri angelangt: Denn man kann nicht nur mit Anrufern reden sondern auch mit der Uhr selbst. Zwar hat sie auch einen kapazitiven Touchscreen sowie die Digital Crown und einen zweiten Knopf zur Bedienung, aber Spaß macht es vor allem, mit der Sprachsteuerung Siri zu reden. Mit den Worten “Hey Siri” wird sie aktiviert, danach sagt man, was man will, etwa: “Wie wird das Wetter morgen”, “neuen Termin am Dienstag eintragen oder “SMS an Thomas senden”. Das funktioniert bei den verfügbaren Optionen sehr gut, wenn auch die gefragten Funktionen und die Spracherkennung selbst etwas schneller sein könnten.
Weil Siri auf der Apple Watch aber bei weitem nicht alles versteht oder ausführen kann, läuft man oft in Sackgassen – etwa, wenn man das Öffnen einer App verlangt, die zwar am iPhone, aber nicht auf der Watch installiert ist oder Siri keine Antwort parat hat. Dann muss man aufs iPhone wechseln.
#5 Pro: Der Sportbegleiter
Nützlich ist die Apple Watch auch für sportliche Nutzer. Wenn man nur zurückgelegte Distanz, Puls und verbrannte Kalorien beim Laufen messen will, dann kann man sein iPhone zu Hause liegen lassen. Der integrierte Speicher, von dem etwa 5,5 bis 6 Gigabyte frei bleiben, kann mit Musik befüllt werden, der man beim Sporteln via verbundenem Bluetooth-Headset lauschen kann. Wenn man allerdings beim Joggen die Strecke per GPS mittracken, Musik streamen oder erreichbar bleiben will, muss das Smartphone mitnehmen, da es der Watch als Brücke ins Internet bzw. als GPS-Empfänger dient. Die Daten, die die Watch beim Tragen erfasst, sind durchaus interessant und werden an die Health-App am iPhone übertragen. Schließlich ist der Pulsmesser (zwei grün leuchtende Sensoren auf der Rückseite) auch ein netter Party-Gag.
Mit Flüssigkeiten muss man nicht übervorsichtig sein: Spritzwasser etwa beim Händewaschen oder Schweiß beim Sporteln hält die Watch locker aus. Da sie doch recht teuer ist, scheut man als Besitzer davor zurück, sie unter der Dusche oder im Schwimmbecken zu tragen – auch wenn einige Tester davon berichten, dass sie auch solche nassen Ausflüge unbeschadet übersteht.
#6 Pro: Die Zukunftsaussichten
Großes Potenzial hat die Apple Watch dort, wo sie als Sensor für kontaktlose Datenübertragung verwendet werden kann. Einen Vorgeschmack darauf bekommt man etwa am Flughafen, wenn man sich den QR-Code des elektronischen Tickets aufs Display legt und so durch jeden Scanner kommt, ohne das Smartphone zücken zu müssen. Die Bezahl-Funktion Apple Pay ist derzeit nur in den USA und Großbritannien verfügbar, aber als Apple-Watch-Träger kann man sich schon gut vorstellen, wie man damit im Supermarkt bezahlen kann und nicht mehr mit Bargeld oder Bankomatkarte hantieren muss, und die Rechnung zu begleichen.
Und nun die sechs Gründe, die gegen die Apple Watch sprechen:
#1 Contra: Der Preis
Die Apple Watch als teures Spielzeug zu beschreiben, hat absolut seine Berechtigung. Da sie nur in Verbindung mit einem iPhone ab der fünften Generation funktioniert, muss man bei einer Neuanschaffung demnach mindestens 730 Euro (iPhone 5 ab etwa 330 Euro plus mindestens 400 Euro für die Uhr) berappen. Dazu kommt dann noch etwaiges Zubehör wie etwa ein Reserveladekabel (30 Euro) oder zusätzliche Armbänder (Sportarmband um 60 Euro, Leder um 170 Euro, Edelstahl um 500 Euro).
#2 Contra: Die iPhone-Verpflichtung
Ohne iPhone geht mit der Apple Watch fast nichts. Wenn die Bluetooth-Verbindung zum Smartphone nicht steht oder kein WLAN zur Weiterleitung der Daten da ist, kann man sich im Prinzip nur die Zeit anzeigen lassen, Schritte zählen, den Puls messen oder gespeicherte Musik und Fotos konsumieren. Auch kann man nicht, wie bereits erwähnt, seine Laufstrecke dokumentieren, weil das GPS-Signal ja das Smartphone empfängt. Wie nicht anders von Apple zu erwarten, funktioniert die Watch auch nicht mit anderen Smartphones, die mit Android oder Windows Phone laufen. Auch das macht klar: Die Apple Watch ist ein teures iPhone-Zubehör.
#3 Contra: Die (laaangsamen) Apps
Im App Store gibt es laut Apple mehr als 3500 Apps, die auch auf der Watch laufen. Ihrer aller Problem ist allerdings, dass sie nicht nativ auf der Uhr laufen, sondern im Prinzip nur Verlängerungen der Haupt-App am iPhone sind. Beim Aufrufen der Apps auf der Watch entstehen deswegen oft sehr lästige Wartezeiten, weil sie alle Daten via Bluetooth vom Smartphone holen müssen. Bis etwa der Kartenausschnitt am Display aufpoppt, können schon mal zehn oder mehr Sekunden vergehen. Außerdem ist die Auswahl beschränkt: Es gibt zwar etwa Twitter, Instagram, Uber, Tinder oder Yelp, doch die wichtigsten Apps heute fehlen. Schuld daran ist etwa Facebook, das seine Haupt-App, WhatsApp und den Messenger noch nicht auf die Apple-Uhr gebracht haben, weil sie noch herausfinden müssen, wie.
Der zweite Nachteil der Apps ist, dass sie nicht auf zentrale Funktionen der Watch zugreifen können. Zwar kann man zum Beispiel Runtastic installieren, aber sie darf derzeit noch nicht auf den Pulsmesser zugreifen – was bedeutet, dass die App sich die verbrannten Kalorien selber ausrechnen muss. Besserung für diese Situation verspricht Apple im herbst, wenn watchOS 2 auf den Markt kommt. Dann werden Apps auch nativ installiert werden können und dürfen auf Funktionen wie den Pulsmesser, das Mikrofon, den Lautsprecher oder den Geschwindigkeitssenor zugreifen.
#4 Contra: Die Notifications
Apple hat mit dem iPhone wesentlich dazu beigetragen, dass immer weniger Menschen eine Armbanduhr tragen – sie können die Zeit ja auch am Smartphone nachschauen. Diese entstandene Lücke versucht der iKonzern nun mit einem neuen Produkt wieder zu schließen. Und dieses Produkt soll ein Problem, dass Apple mitverursacht hat, lösen: Menschen, die ständig auf ihr Smartphone starren. Das Mittel dazu sind Benachrichtigungen, die man am Display der Watch aufpoppen lassen und lesen kann. Das hört sich nervig an und ist es auch, wenn man sich nicht ausgiebig mit Einstellungen auseinandersetzt, welche Notifications nun auf die Watch durch dürfen und welche nicht – niemand will schließlich über jede einzelne neue E-Mail informiert werden.
Problematisch sind die Benachrichtigungen aber auch deswegen, weil sie je nach App unterschiedlich funktionieren. Auf SMS kann man per Spracheingabe antworten, auf E-Mails aber nicht, bei Messenger-Nachrichten kann man nur ein Like, aber keinen Text zurücksenden, WhatsApp-Benachrichtigungen kann man nur lesen, aber nicht beantworten. Heißt im Endeffekt: Man greift doch wieder sehr oft zum iPhone, weil man ja auf Nachrichten meistens auch antworten will.
#5 Contra: Der Akku und das Kabel
Der Akku der Apple Watch ist stark genug, um einen ganzen Tag bis spät in die Nacht durchzuhalten, inklusive Workout – einen zweiten Tag steht er aber nicht durch. Heißt in der Praxis: Man lädt die Uhr jede Nacht auf, um in der Früh volle Batterie zu haben. Die Konsequenz: Man hat am Nachtkästchen nun ein zweites Kabel (neben dem des iPhone). Das ist zu Hause kein großes Problem, aber wer viel unterwegs ist, muss nun immer daran denken, das Kabel auch mitzunehmen. Das kann ziemlich nervig werden.
#6 Contra: Die Bevormundung
Unangenehm fällt die Apple Watch mit ihren Fitness-Tipps auf: Wenn man die Funktion nicht ausschaltet, dann ermahnt sie stündlich, dass es im Sinne der Gesundheit besser wäre, mal kurz vom Schreibtisch aufzustehen, bringt Informationen über erreichte Ziele aufs Display (z.B. Tagesziel für zurückgelegte Distanzen) oder zeigt eine Wochenübersicht an. Das klingt zwar praktisch, nervt im Alltag aber, weil sich diese Fitness-Tipps immer wiederholen.
Fazit
Die Apple Watch ist somit eigentlich zur drei Zielgruppen zu empfehlen: Eingefleischten Apple-Fans (die sich das Ding wohl ohnehin schon besorgt haben, jenen, die zeigen wollen, dass sie bei technologischen Entwicklungen ganz vorne mit dabei sein wollen, und jenen, die nicht wissen, was sie mit 400 oder mehr Euro sonst tun sollen. Apples neuestes Produkt wirkt noch unausgereift, ähnlich wie das erste iPhone, dass noch keine Apps und nur langsame EDGE-Datenverbindung hatte. Deswegen sollte man lieber abwarten, was ihre zweite Version kann (Gerüchte dazu gibt es hier). Lebensverändernd ist die Computer-Uhr nicht: Wenn man sein Smartphone zu Hause vergessen hat, dann dreht man ziemlich sicher wieder um, um es zu holen. Für die Apple Watch dreht man nicht um.