Markus Kaiser

BRZ-Chef: „Es gibt auch träge Startups und dynamische Verwaltungseinrichtungen“

Markus Kaiser vom Bundesrechenzentrum © BRZ/Vynhalek
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Als Technologiepartner des öffentlichen Sektors in Österreich entwickelte und betreibt das Bundesrechenzentrum (BRZ) mehr als 400 IT-Anwendungen und E-Government-Lösungen, beispielsweise das Portal oesterreich.gv.at., aber auch FinanzOnline oder die Elektronische Gesundheitsakte (ELGA).

Startups bekommen für das BRZ zunehmend Bedeutung, um neue digitale Anwendungen zu entwickeln. Im Gespräch mit Trending Topics gibt BRZ-Geschäftsführer Markus Kaiser Einblicke in die Zusammenarbeit mit Startups.

Trending Topics: Das Bundesrechenzentrum arbeitet seit 2018 mit Startups zusammen. Warum?

Markus Kaiser: Startups sind für uns eine wesentliche Quelle für Innovationen. Wir haben in der gerade erst präsentierten App „Digitales Amt“ sehr erfolgreich mit zwei Startups zusammengearbeitet, aber auch mit dem BMF erfolgreich Projekte mit Startups umgesetzt.

Mit welchen Startups arbeitet das BRZ da konkret zusammen, und welche Technologien haben sie zugeliefert?

Wir haben mit Ubitec, einem Startup aus Linz, für die Realisierung Chatbot-Lösung gearbeitet. Andere Beispiele sind Anyline oder Blockpit, mit denen wir gemeinsam mit dem BMF eine Besteuerungslösung für Kryptolösungen realisieren.

Sie haben gerade Blockpit erwähnt. Wie funktioniert diese Zusammenarbeit, und wie kann der Endnutzer das Ergebnis nutzen?

Es geht darum, dass die Besteuerung von Transaktionen bei Geschäften mit Kryptowährungen systematisch und standardisiert erfolgt und gleich in Finanz Online integriert wird.

Für Blockpit und andere Startups wurden so genannte Sandboxes geschaffen, in denen sich die Jungfirma quasi spielerisch mit Daten und Schnittstellen beschäftigen können. Wie ist das geregelt?

Mit Kettenbruck, der ersten digitalen Gemeinde Österreichs, haben wir eine Umgebung geschaffen, die bei uns im Bundesrechenzentrum gehostet wird. Dort haben wir Startups, aber auch etablierte Unternehmen und Kunden zusammen geführt, um Usecases, die in einer isolierten technischen Umgebung laufen, umsetzen zu können. Wir arbeiten jetzt noch daran, dass wir über Synthetisierungsverfahren reale Daten in diese Sandbox-Umgebungen hineinspielen können. So kann man die Usecases noch realer gestalten, denn bisher arbeiten wir mit Testdaten. Das ist der nächste Schritt, dass wir wirklich mit synthetisierten Echtdaten arbeiten.

Startups sind für gewöhnlich schnell unterwegs, die Verwaltung möglicherweise etwas langsamer. Wie passen diese unterschiedlichen Arbeitsweisen zusammen? Wie dreht man an den Rädchen, damit diese Zusammenarbeit funktioniert?

Die Organisationsform ist nicht primär entscheidend für die Qualität der Zusammenarbeit. Es hängt vom Mindest der Menschen ab. Es gibt auch träge Startups und dynamische Verwaltungseinrichtungen. Gerade die digitale Transformation trägt dazu bei, dass Verwaltung sowie Unternehmen sich neu orientieren müssen.

Man sieht auch in der Verwaltung an vielen entscheidenden Stellen Menschen arbeiten, die einen ganz anderen Erfahrungshintergrund haben als das vielleicht noch vor 20, 25 Jahren der Fall war, und die etwas weiterbringen wollen. Wenn da Menschen mit dem richtigen Mindset zusammen arbeiten, dann können spannende Dinge daraus entstehen.

Was haben Startups davon, an Programmen wie Kettenbruck teilzunehmen? Stehen erste Usecases im Vordergrund, oder ist eine echte Kundenbeziehung, über die Startups Umsatz machen können, das Ziel?

Wir haben in einem Workshop kürzlich aus zehn Startups drei ausgewählt, mit denen wir in Ideation-Workshops mit Kunden von uns gehen (Realest8 Technologies, 1702ai und Deltasmart Tech, Anm.). Was haben die Startups davon? Wir unterstützen sie mit Ressourcen, finanziellen Mitteln, aber eben auch mit Zugang zu Kunden und deren realen Anforderungen. wir reden da nicht über theoretische, sondern über praktische Usecases. Wir gehen mit den Startups dann auch in die Pilotierung.

Dann haben sie die Chance, den Piloten so erfolgreich zu präsentieren, dass Kunden sagen: Jawohl, lass uns daraus ein Umsetzungsprojekt machen. Der Value Add, den wir bringen, ist nicht das Kapitalinvestment. Wir sind keine Accelerator-Plattform, wir sind nicht an einem Share an diesen Startups interessiert. Wir bieten Zugang zu realen Anwendungsszenarien und die gemeinsame Umsetzung eines initialen Usecases. Ich glaube, dass ist sehr attraktiv für viele Startups.

Das BRZ ist auch für die Elektronische Gesundheitsakte ELGA zuständig. Gesundheitsdaten sind sehr heikel, aber auch sehr interessant, auch für Startups. Gibt es Ideen oder Pläne, dass Unternehmen mit diesen Daten, vorausgesetzt der User stimmt zu, arbeiten können?

Das ist ein sehr heikles Thema, denn die letzte Initiative der Bundesregierung, mit anonymisierten Gesundheitsdaten Forschung zu ermöglichen, hat einen großen Widerspruch geerntet, um das mal vorsichtig zu formulieren. Ich persönlich glaube, dass da Riesenpotenzial wäre für Bürger. Ich wäre sehr daran interessiert, dass mit meinen Gesundheitsdaten für mich wertvolle Erkenntnisse gezogen werden können, etwa, um gesünder älter werden zu können. In Notfallsituationen kann das extrem sinnvoll sein. Auch für die Versicherungswirtschaft wäre es extrem spannend, Erkenntnisse zu gewinnen, welche Behandlungsmaßnahmen helfen oder wo es Einsparungspotenzial gibt. Und natürlich hat es großes Potenzial für Unternehmen, Geschäftsmodelle auf Basis der besprochenen Usecases aufzusetzen.

Faktum ist aber, dass in Österreich eine sehr große Vorsicht in der Bevölkerung vorherrscht, wenn es darum geht, dass irgend jemand Zugriff auf ihre Gesundheitsdaten hat. Das ist zum einen sehr nachvollziehbar, zum anderen wäre es aber in der Verantwortung der Verwaltung und der Politik zu demonstrieren, wie das in einem sicheren Umfeld stattfinden kann. Daran arbeiten wir auch mit unseren Kunden, sodass wir Lösungen schaffen, bei denen die Bürger entscheiden können, ob ihre Daten für Forschungszwecke oder andere Geschäftsmodelle verwendet werden können. Ich denke, das ist in Österreich noch ein weiter Weg, da sind andere Länder, auch in Europa, deutlich weiter.

Andere Länder sind weiter – gerade aus den USA und China hört man, dass dort gerade bei Patientendaten sehr frei gearbeitet werden kann, das geht hin bis zu Gen-Analysen. Ist es ein Nachteil für Österreich, für Europa, dass es hier sehr strenge Datenschutzgesetze gibt?

Als Bürger sage ich nein, ich bin kein Freund des chinesischen Transparenz-Modells, um das mal vorsichtig zu formulieren. Auch Social Scoring, das man mit Künstlicher Intelligenz machen kann, finde ich persönlich nicht extrem wertstiftend für eine europäische Gesellschaft.

Der Vorteil, den Europa haben kann, ist die Kombination aus großartigen technologischen Möglichkeiten wie Künstliche Intelligenz, aber unter liberalen Rahmenbedingungen wie der Achtung von Privacy. Das ist das, wo Europa und Österreich in Europa eine Vorreiterrolle übernehmen kann.

Kommen wir zum Thema Blockchain, mit dem das BRZ auch zu tun hat. Immer wieder gibt es Ideen, dass elektronische Wahlsysteme auf der Blockchain abgebildet werden könnten. Sehen Sie das als Möglichkeit?

Wir haben ein digitales Partizipationsverfahren entwickelt, das sich „eDemocracy“ nennt. Da kann man von einer Umfrage bis hin zu einer Wahl jedes Partizipationsverfahren abbilden. Zum Nachweis, wer wahlberechtigt ist, wird ein Token ausgegeben, und der wird mittels Blockchain-Technologie abgesichert. Aber die Stimmabgabe wird nicht mit Blockchain-Technologie abgesichert werden, weil das will man ja geheim halten und nicht transparent machen. Aber man kann diese Token fälschungssicher machen.

Für das BRZ liegen auch personelle Herausforderungen in der Zukunft. Sie brauchen viele junge Talente die nachrücken. Wie gehen Sie mit dem Thema Recruiting um?

Wir beschäftigen uns seit Jahren mit innovativen Recruiting-Methoden. Eine ist, dass wir uns auf Veranstaltungen wie GovTech Pioneers engagieren, um der Startup-Szene unsere Mission näher zu bringen. Wir kooperieren mit Fachhochschulen und Universitäten, wir gehen in HTLs und AHS, und wir haben ein eigenes Trainee-Programm gestartet, wo wir über 40, zum Teil Branchen-fremde Bewerber ausgewählt haben, die wir zu Software-Ingenieuren ausbilden. So setzen wir viele Maßnahmen, und Talente zu gewinnen, die wir brauchen. Bis jetzt sind wir da recht erfolgreich.

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