Test

ChatGPT Atlas im Test: Wer einen Anti-Webbrowser sucht, ist hier richtig

ChatGPT Atlas. © Screenshot / Canva
ChatGPT Atlas. © Screenshot / Canva
Startup Interviewer: Gib uns dein erstes AI Interview Startup Interviewer: Gib uns dein erstes AI Interview

Es ist wohl die berühmte Lösung, die nach einem Problem sucht: OpenAI hat wie berichtet mit ChatGPT Atlas einen eigenen, kostenlosen KI-Browser auf den Markt geworfen, der nicht nur zu anderen AI-Browsern wie Comet von Perplexity eine Alternative darstellen soll, sondern auch natürlich gegen den Platzhirschen Chrome von Google positioniert ist. Denn klar: Browser gehören zur meist genutzten Software der Welt und sind für Google oder Apple Milliarden-Businesses (mehr dazu hier). Für eine Consumer Brand wie ChatGPT also eine erstrebenswerte Position, um sich fest in der Alltagsnutzung von potenziell Milliarden Usern festzusetzen.

Jedoch: Chrome wurde 2008 gestartet, Apples Safari bereits 2003. Beide Browser hatten 17 bzw. 22 Jahre Zeit, um zu dem zu reifen, was sie heute sind. ChatGPT Atlas hingegen ist gerade einmal eine Woche alt, und was soll man sagen: Man merkt es. Gleich eines vorweg: Nur weil es jetzt Atlas gibt, wird kaum jemand Chrome, Safari, Firefox oder einen anderen Browser deinstallieren und nur mehr mit dem ChatGPT-Browser ins Web surfen.

Ohne Google kein Atlas

Grundlegende Features eines klassischen Browsers hat ChatGPT Atlas: Import von Bookmarks aus anderen Browsern, Passwort-Manager, Speicher für Zahlungsmethoden und so weiter. Dass es ohne Google Chrome nicht geht, merkt man relativ schnell: Erweiterungen für den Browser bekommt man im Chrome Web Store. Tech-affine User sehen es sofort: ChatGPT Atlas ist einfach eine modifizierte Chromium-Variante und Chromium ist einfach die Open-Source-Variante von Chrome. Sprich: Ohne Google geht alleine schon auch technischer Ebene gar nichts.

Wodurch sich Atlas wesentlich unterscheiden möchte, ist die tiefe Integration von ChatGPT. Dazu gibt es eine Sidebar rechts, in der man mit OpenAIs Chatbot kommunizieren kann, und zwar stets in Bezug zu der Webseite, die man gerade in dem jeweiligen Tab offen hat. So kann man ChatGPT bitten, eine Liste aller Startups zu erstellen, über die Trending Topics in den vergangenen sechs Monaten berichtet hat. Auf den ersten Blick sieht das Ergebnis ganz gut aus, auf den zweiten Blick nicht: Denn die Liste ist unvollständig, man müsste also nun wieder händisch überprüfen, was fehlt. Also besser gleich selber machen.

Upgraden, um weiter zu machen

Ähnliche Erfahrungen macht man, wenn man andere Dinge, die man nun mal im Web macht, mit Atlas versucht zu erledigen: Etwa einen günstigen Flug suchen, ein Hotel oder einen Gebrauchtwagen. Beispiel Autosuche: Fragt man den Chat-Sidebar auf einer Auto-Seite etwa nach „Familienkombi, Benziner, maximal 50.000 km, maximal 20.000 Euro“, bekommt man zuerst mal eine unvollständige Liste mit Autos, die es angeblich auf der Seite gibt. In einem zweiten Schritt kann ChatGPT die Suchmaske ausfüllen, einen Link generieren und dann in den Chat senden – dann kann man zu der entsprechenden Suchanfrage springen. Und man sagt sich: Tja, das hätte ich gleich selber ausfüllen können, anstatt es in den Chat zu schreiben.

Ok, surfen wir weiter zu Social Media. Auf LinkedIn etwa kann man ChatGPT bitten, einen Post vorzuschreiben, zum Beispiel zum Thema KI-Souveränität. Da kommt Erwartbares heraus. Atlas kann aber nicht selber posten, sondern bittet, den Text doch selber ins Profil zu kopieren und dort zu veröffentlichen. Auch hier wieder das Erlebnis: Das hätte ich händisch auch selber machen können.

Und dann kommt gleich obendrauf die Bremse, die letztendlich offenbart, worum es OpenAI mit Atlas wirklich geht. Denn im Gratis-Modus ist die ChatGPT-Nutzung auf einige wenige Anfragen beschränkt. Um weitermachen zu können, muss man auf den neuen Go-Tarif upgraden, er schlägt mit 8 Euro pro Monat zu Buche. Bestehende User können sich natürlich auch mit ihren Plus- oder Pro-Accounts anmelden. Letztlich bedeutet das aber: Wer das USP von Atlas wirklich nutzen will, braucht ein kostenpflichtiges ChatGPT-Abo, mit der Gratis-Version kommt man nicht sehr weit.

Wo ist bloß das Web versteckt?

Grundsätzlich gibt es bei Atlas aber ein ganz wesentliches Problem: Man kann sich natürlich keine Suchmaschine (Google, DuckDuckGo, usw.) wie bei anderen Browsern einstellen, doch diese Rolle will ChatGPT einnehmen. Das Resultat ist wirklich schlecht: Anstatt wie anderswo eine Liste von Flugsuchmaschinen zu erhalten, will ChatGPT mal erklären, wie Online-Flugsuche überhaupt funktioniert; da komme es auf Abflughafen, Reisezeitraum, Reisedauer und vieles mehr an. Vielen Dank für die Info. Versteckt in einem zweiten Tab gibt es dann doch eine Linkliste mit 12 Flugsuchmaschinen, die man aufrufen kann. Und jetzt der große Gag: Wer mehr braucht, wird zu – Google weitergeleitet.

Dann gibt es auch noch Performance- und Sicherheitsprobleme. ChatGPT Atlas ist, wie man etwa im Speedometer 3.1-Test schnell sieht, einfach langsam. Der OpenAI-Browser erreicht dort gerade einmal einen Score von 23,2 während etwa Googles Chrome am selben Computer auf 38 Punkte kommt. Wer einen langsamen Chromium-Browser sucht, ist also bei Atlas richtig.

Daten sammeln, Webseiten scrapen

Dafür kauft man sich Privatsphäre- und Security-Probleme ein. Beginnen wir bei der Datenverarbeitung: Eingaben in den Browser werden standardmäßig genutzt, um die KI-Modelle von OpenAI zu trainieren, sofern man nicht ein Opt-out macht. Aber es geht noch weiter: Offenbar möchte OpenAI die Browser-Nutzer:innen auch gleich als Web-Scraper instrumentalisieren. So kann man per Opt-in dem Unternehmen auch ermöglichen, Inhalte der Webseiten, die man aufruft, für das Training von ChatGPT zu verwenden. Nur jene Webseiten, die den GPTBot blocken, werden nicht trainiert.

Auch den User möchte ChatGPT Atlas gerne eingehend screenen: Man kann sich dafür entscheiden, „Browser Memories“ zu aktivieren. Dann soll man ein besseres personalisiertes Erlebnis bekommen. OpenAI will den Kontext von besuchten Websites speichern und bei Bedarf abrufen. Nutzer:innen können dann beispielsweise fragen: „Finde alle Stellenausschreibungen, die ich letzte Woche angesehen habe, und erstelle eine Zusammenfassung der Branchentrends.“ Für User-Profiling sind das natürlich wertvolle Daten für OpenAI, das in absehbarer Zeit auch ins Werbegeschäft einsteigen will.

Sicherheitsforscher warnen vor Fallen

Stichwort Security: SquareX etwa warnt davor, das Atlas dazu gebracht werden könnte, ein Hotelzimmer zu buchen, Dateien zu löschen oder Nachrichten an jemanden aus den Kontakten eines Benutzers zu senden, wenn eine bösartige Website versteckte Aufforderungen in ihr Design eingebettet hat. Vertrauensfördernd ist das nicht, immerhin ist der Agent ja die USP des Browsers.

Schlechte Performance, kein erkennbarer Mehrwert, Datensammelei, Sicherheitslücken: Unterm Strich kann man ChatGPT Atlas zu diesem Zeitpunkt niemandem empfehlen. Der Browser mag gut für OpenAI und seine Investoren-Story sein („Wir greifen Google auf allen Fronten an“), aber für den User gibt es aktuell keine entscheidenden Vorteile. Lieber Finger weg, bis dieses Stück Software wirklich verbessert wurde.

Werbung
Werbung

Specials unserer Partner

Die besten Artikel in unserem Netzwerk

Powered by Dieser Preis-Ticker beinhaltet Affiliate-Links zu Bitpanda.

Deep Dives

#glaubandich CHALLENGE Hochformat.

#glaubandich CHALLENGE 2026

Österreichs größter Startup-Wettbewerb - 12 Top-Investoren mit an Bord

AI Talk

Der führende KI Podcast mit Clemens Wasner & Jakob Steinschaden

Future{hacks}

Zwischen Hype und Realität
© Wiener Börse

IPO Spotlight

powered by Wiener Börse

Startup & Scale-up Investment Tracker 2025

Die größten Finanzierungsrunden des Jahres im Überblick

Trending Topics Tech Talk

Der Podcast mit smarten Köpfen für smarte Köpfe
Die 2 Minuten 2 Millionen Investoren. © PULS 4 / Gerry Frank

2 Minuten 2 Millionen | Staffel 12

Die Startups - die Investoren - die Deals - die Hintergründe

BOLD Community

Podcast-Gespräche mit den BOLD Minds

IPO Success Stories

Der Weg an die Wiener Börse

Weiterlesen