Crystal, Purify und Co: Neue Apps werden das iPhone ab Herbst zum potenten Werbeblocker machen
Ab dem Herbst könnten problematische Zeiten über Online-Publisher und andere werbefinanzierte Web-Dienste hereinbrechen. Denn dann wird Apple mit dem Update auf sein neues Betriebssystem iOS 9 für iPhone und iPad eine Funktion erlauben, die nicht auf der offiziellen Vorschauseite gelistet ist: so genanntes Content Blocking. Bedeutet: Entwickler können erstmals für den auf iPhone und iPad vorinstallierten Safari-Browser Werbeblocker-Software entwerfen, und zwei haben jetzt schon gezeigt, wie das funktionieren wird.
Crystal
Der App-Entwickler Dean Murphy aus Großbritannien hat mit Crystal schon eine Software vorgelegt, mit der Werbung am iPhone und iPad geblockt werden kann. Crystal kann nicht nur Werbebanner, Pop-ups oder Autoplay-Videos stoppen, sondern auch das Tracking von Werbenetzwerken oder Analyse-Tools unterbinden. Außerdem verspricht Murphy dem Nutzer, dass Webseiten im Schnitt 3,9 Mal schneller laden, weil durch die Blockade von Werbung im Schnitt 53 Prozent weniger Daten geladen werden müssen. In einem Test von Murphy von zehn großen News-Seiten sehen die Ergebnisse so aus:
Die Content-Blocker auf iOS funktionieren übrigens auf Betriebssystemebene und nicht auf Browser-Ebene. Das bedeutet, dass die Software iOS vorgibt, welche Web-Inhalte (z.B., Domains, Werbung, Skripte) nicht geladen werden dürfen. Das macht die Sache ordentlich schnell und wird viele Nutzer ansprechen. Die Anbieter dieser Software werden auch Anklang bei all jenen finden, die Wert auf ihre Privatsphäre legen, weil auch Tracking-Software von Crystal und anderen Apps unterbunden werden kann.
Für Apple, analysiert die Tech-Seite TheNextWeb, seien Werbeblocker ein Gewinn. Denn wenn Publisher im mobilen Web bei den Werbeeinnahmen geschadet wird, würde sie das zum einen in die neue News-App von Apple treiben, die als neuer Distributionskanal für Nachrichteninhalte gedacht ist, zum anderen generell in das App-Ökosystem von Apple, wo der iPhone-Konzern 30 Prozent der Umsätze einstreichen kann.
Purify
Die zweite App, die sich die Werbeblockade auf iPhones ab Herbst vorgenommen hat, ist Purify. Sie wird von Chris Aljoudi aus Colorado Springs in den USA entwickelt, der auch hinter dem populären Werbeblocker uBlock, der am Desktop für Chrome, Safari und Firefox verfügbar ist, steckt. Auch Aljoudi verspricht, dass Webseiten mit Purify zwei Mal schneller laden, weil 50 Prozent weniger Daten geladen werden müssen. In einem YouTube-Video hat er bereits gezeigt, dass seine Software nicht nur Banner und Pop-ups auf mobilen Seiten blocken kann, sondern sogar Pre-roll-Werbung bei YouTube:
Wie groß ist das Problem?
Wenn Apple Crystal, Purify und andere Werbeblocker in seinem App Store zulässt, dann könnten diese schnell zu einem Problem für Publisher werden. Immerhin wurden 2014 für mobile Werbung laut IAB etwa 24 Mrd. Euro ausgegeben, das sind etwa 5 Prozent der gesamten Werbespendings weltweit. Und es ist mit einem starken Anstieg in den nächsten Jahren zu rechnen, weil die Reichweiten von Apps und mobilen Webseiten stetig steigen. Werbeblocker sollen Publishern dieses Jahr Umsatzeinbußen von 22 Mrd. US-Dollar bescheren, und Crystal, Purify und Co werden das ihre dazu beitragen.
Werbeblocker sind im deutschsprachigen Raum bereits sehr populär, also spricht vieles dafür, dass sie auch bei iPhone-Nutzern gut ankommen werden. In Deutschland liegt die Adblocker-Nutzung am Desktop bei 25 Prozent, in Österreich bei 21 Prozent. Auf mobilen Geräten haben sich Adblocker noch nicht stark verbreitet, vor allem wegen der schwierigen Verfügbarkeit. Am iPhone muss man eigene Browser installieren, die einen Adblocker fix verbaut habem, und Google hat etwa Adblock Plus aus dem Play Store geworfen – Nutzer müssen sich die Software direkt bei dem Anbieter auf der Webseite besorgen. Derzeit verwenden laut PageFair-Studie weltweit nur etwa 1,6 Prozent der Nutzer einen Werbeblocker auf Tablet oder Smartphone.
Laut Marktforscher Gartner hält Apple derzeit weltweit bei einem Marktanteil am Smartphone-Markt von 14,6 Prozent. Da iOS 9 (und damit die Werbeblocker) ab dem iPhone 4S bzw. dem iPad 2 verfügbar ist, wird es nicht alle, aber doch sehr viele Apple-Geräte betreffen. Außerdem macht es Apple den Nutzern sehr einfach und lässt die Adblocker direkt in den vorinstallierten Safari-Browser hinein. Für den iPhone-Hersteller könnten sich die Blocker schließlich auch zum lukrativen Geschäft entwickeln: Denn wenn ihre Macher sie über den App Store verkaufen, dann bekommt Apple 30 Prozent des Umsatzes.