Europäische AI-Scale-ups bei großen Runden auf US- und UK-Investoren angewiesen

Für Kenner der Materie ist es wohl keine große Überraschung, aber trotzdem: Ein neuer Report unter dem Titel „Funding the AI Economy„, den die EU-Kommission herausgegeben hat, zeigt deutliche Defizite bei der Finanzierung von EU-basierten AI-Unternehmen auf. Die Analyse des StepUp StartUps Consortium zeigt, dass Europa trotz Fortschritten strukturell abgehängt wird. Zwischen 2020 und 2025 investierten die USA 1,33 Billionen Euro in Venture Capital, davon 34 Prozent in AI. Europa brachte es auf 252 Milliarden Euro, nur 18 Prozent davon gingen an AI-Startups. China liegt mit 425 Milliarden Dollar und 19 Prozent AI-Anteil dazwischen. Das Problem ist nicht nur die Größe des Kapitalpools, sondern auch die Verteilung und Struktur der Investments.
Besonders kritisch wird es bei großen Finanzierungsrunden. Während EU-Investoren bei Early-Stage-Runden unter 10 Millionen Euro die Mehrheit stellen, bricht ihre Beteiligung bei Deals über 25 Millionen Euro auf magere 26 Prozent ein. Den Löwenanteil der Late-Stage-Finanzierung übernehmen US- und UK-Investoren. Das bedeutet: Europäische AI-Startups skalieren mit ausländischem Kapital, was Fragen nach technologischer Souveränität und Wertschöpfung aufwirft. Mega-Runden über 100 Millionen Dollar sind in den USA seit 2020 hundertfach vorgekommen, in der EU bleiben sie die Ausnahme. Diese Kapitallücke gefährdet Europas Position im globalen AI-Wettbewerb fundamental.
Europas Konzerne investieren zu wenig
Ein zweites strukturelles Problem liegt bei etablierten Unternehmen. Europäische Corporates stellen zwar 25 Prozent des gesamten VC-Kapitals in der EU, aber nur 15 Prozent der AI-Investments. Diese Zurückhaltung ist fatal, denn gerade in Sektoren wie Clean Tech, Mobility und Advanced Manufacturing, wo Europa global führt, könnte Corporate Venture Capital die Brücke zwischen industrieller Basis und AI-Innovation schlagen. Der Report sieht hier eine strategische Lücke und zugleich eine Chance: Verstärkte Investments europäischer Konzerne würden nicht nur Startups stärken, sondern auch die Adoption von AI in Kernindustrien beschleunigen und die Apply-AI-Strategie der EU untermauern.
Geografisch konzentriert sich das Kapital extrem. Zwei Drittel aller AI-Venture-Investments fließen in nur zehn Metropolregionen. Paris führt mit 8 Milliarden Euro zwischen 2020 und 2025 und 549 Startups, gefolgt von Stockholm mit 7 Milliarden Euro, 205 Startups und einem beeindruckenden Wachstum von 800 Prozent zwischen 2018 und 2024. Berlin kommt auf 3 Milliarden Euro bei 324 Startups (Anm.: London ist in Europa die AI-Hauptstadt, zählt in der Analyse aber nicht, da UK kein EU-Mitglied mehr ist).
Zwar erreicht AI-Funding inzwischen auch Emerging Ecosystems in Mittel- und Osteuropa wie Polen, Litauen und Rumänien, doch Regionen außerhalb der Hauptstädte und großen Hubs ziehen weniger als 1 Prozent der EU-AI-Investments an. Diese Fragmentierung verhindert, dass Europas diverse Talentpools und Spezialisierungsfelder voll mobilisiert werden.
Drei strategische Hebel
Der Report formuliert drei konkrete Handlungsfelder. Erstens: Die Investmentkapazität für große AI-Ventures muss skalieren, etwa durch ein AI-orientiertes Sub-Vehicle im kürzlich angekündigten Scaleup Europe Fund und durch Mobilisierung institutioneller Investoren für Late-Stage-Companies. Zweitens: Die Ecosysteme müssen vernetzt werden, durch „AI-Corridors“ zwischen führenden Hubs und aufstrebenden Regionen, vereinfachte Wachstumsbedingungen für Startups und Initiativen, die globale AI-Ventures und Talente in die EU ziehen.
Drittens: Corporates müssen durch Anreize, Co-Investment-Schemes und Plattformen stärker aktiviert werden. Die Analyse soll im November 2025 durch einen Folge-Report zu ungenutzten Potenzialen bei Pensionsfonds und Sovereign Wealth Funds ergänzt werden. Europa steht vor der Wahl: Entweder es schließt die Kapitallücke schnell, oder es verliert den Anschluss an die AI-Ökonomie endgültig.


























