Europäische VCs schlittern in schlechtestes Jahr seit 2015

Die europäische Venture-Capital-Branche erlebt 2025 einen markanten Einschnitt: Im ersten Halbjahr sammelten VC-Fonds lediglich 5,2 Milliarden Euro ein – der niedrigste Wert seit 2015. Das geht aus Zahlen von Pitchbook hervor, die von Bloomberg veröffentlicht wurden.
Sie sind insofern wichtig, weil sie Ausblick auf das künftige Investment-Geschehen in Europa geben. Wenn sich internationale Investoren, etwa aus den USA, stärker vom Alten Kontinent zurückziehen, dann müssen europäische VCs die Finanzierungsrunden immer öfter alleine stemmen – allerdings steht ihnen auch weniger Kapital zurr Verfügung, sollte sich das Fundraising nicht bessern.
Ursachen der rückläufigen Entwicklung
Als Hauptgründe für den Fundraising-Rückgang gelten schwache Exit-Märkte und abnehmende Rückflüsse an Investoren. Nach vier Jahren rückläufiger Renditen bleiben profitable Unternehmensverkäufe oder Börsengänge selten. Für 2025 prognostizieren Branchenexperten einen weiteren Rückgang der Exit-Aktivität um zehn Prozent. Gleichzeitig führen geringere Ausschüttungen dazu, dass institutionelle Investoren zurückhaltender bei Investitionen in neue Fonds agieren.
„Dies wird Europas Bestreben nach langfristiger strategischer Autonomie in kritischen Sektoren wie KI, Deep Tech, Verteidigung, Energie und digitale Infrastruktur diametral entgegenstehen“, meint etwa Andreas Schwarzenbrunner von Speedinvest. „Ohne eine robuste Risikofinanzierungslandschaft besteht die Gefahr, dass Europa noch weiter abgehängt wird. Und das genau zu dem Zeitpunkt, an dem Geo-Ökonomie und Geopolitik wieder aktuell sind.“
Verändertes Investmentverhalten
Die Kapitalknappheit führt zu strukturellen Veränderungen im europäischen VC-Markt:
- Sekundärtransaktionen nehmen zu: Aufgrund des schwachen Exit-Umfelds wächst der Markt für Sekundärtransaktionen stark. Weltweit wurden im ersten Quartal 2025 bereits 52 Milliarden Dollar über diesen Weg umgesetzt, da dies für viele Investoren derzeit der einzige Liquiditätsweg darstellt.
- Konzentration auf größere Deals: VC-Investoren vergeben weniger, dafür größere Investitionssummen. Über 80 Prozent der Deals in der EU überschreiten mittlerweile die Zehn-Millionen-Euro-Marke. Diese „Flight to Quality“-Strategie zeigt sich sowohl bei Frühphasen-Investments als auch in späteren Finanzierungsrunden.
- Sektorale Fokussierung: Besonders die Bereiche Defense und Künstliche Intelligenz ziehen derzeit überproportional viel Kapital an.
Auswirkungen auf das europäische Innovationsökosystem
Die Entwicklung hat mehrere Konsequenzen für die europäische Startup-Landschaft:
Die verfügbaren Reserven aus älteren Fonds („Dry Powder“) gehen zurück, da diese bald vollständig investiert sein werden. Sinkende Fundraising-Volumina bedeuten weniger neue Fonds, was für Startups in weniger Erstinvestments und schärferem Wettbewerb um Kapital resultiert.
Besonders betroffen sind neue, kleine Fonds und aufstrebende Fund-Manager, während eine Konsolidierung unter etablierten Investmenthäusern droht.