Interview

Facebook-Messenger-Chef David Marcus: „Können Apps nicht mit Werbung zukleistern“

Facebook- und Calibra-Manager David Marcus. © Jakob Steinschaden
Facebook- und Calibra-Manager David Marcus. © Jakob Steinschaden
Der ehemalige PayPal-Präsident David Marcus leitet die Messaging-Apps von Facebook. Im Interview erklärt er, wie mit dem Messenger (500 Millionen monatlich aktive User) und WhatsApp (600 Millionen monatlich aktive User) Geld gemacht werden soll.

Sie waren Präsident des Online-Bezahldienstes PayPal. Warum sind Sie zu Facebook gewechselt?

David Marcus: Man bekommt nicht oft die Möglichkeit, auf einer Plattform aufzubauen, die mehr als eine Milliarde monatlich aktive Nutzer hat. Kommunikation ist, was den Menschen ausmacht, und wir versuchen, diese Kommunikation neu zu erfinden. In die Messaging-Apps wollen wir viele neue Funktionen einbauen, die es Menschen erlauben, sich natürlich auszudrücken, auch wenn ihre Kommunikationspartner nicht im selben Raum sind. Vor zwölf Monaten konnte man mit der Messenger-App chatten, heute bietet sie viele multimediale Möglichkeiten wie Telefonate, Fotos, Videos, Sticker, und bald wird es eine Funktion geben, die gesprochene Sprache automatisch in Text übersetzt.

Wie wollen Sie die Messaging-Apps monetarisieren?

Marcus: Wenn man sich populäre Messaging-Apps heute ansieht, gibt es zwei gehbare Wege. Entweder verkauft man Content, was etwa in Asien mit Stickern gut funktioniert, oder man schafft ein E-Commerce-Ökosystem, wo die Nutzer verschiedenste Services kaufen können. Das Wichtige für uns ist, den Kommunikationskanal so qualitativ wie möglich zu halten. Messaging ist private Kommunikation, man kann die Apps nicht mit Werbung zukleistern, weil sich die User sonst in ihrer Privatsphäre gestört fühlen. Spannend ist, ob wir die Kommunikation zwischen Nutzern und Firmen neu erfinden können.

Wie würde das in der Praxis aussehen?

Marcus: Wenn Sie heute bei einer Fluglinie anrufen, um ein Ticket umzubuchen, dann macht das so viel Spaß wie ein Zahnarztbesuch. In einer Messaging-App könnte man diesen Prozess leichter machen. Facebook ist in einer guten Position, dieses Problem zu lösen. Wenn man Firmen die richtigen Tools gibt, dann könnten diese Kundenanfragen richtig schnell und effizient bearbeiten.

Schließen die Monetarisierungspläne Werbung komplett aus?

Marcus: Wir haben 500 Millionen monatlich aktive Nutzer in der Messenger-App. Wir könnten die App mit Werbung zukleistern und würden viel Geld damit verdienen, aber das wäre nicht der richtige Weg.

Sie haben für PayPal gearbeitet. Werden Sie ein Bezahl-System in die Facebook-Apps einbauen?

Marcus: Schauen Sie sich Apple an. Apple Pay ist deswegen spannend, weil sie nicht versuchen, einen neuen Bezahl-Dienst zu bauen, sondern sie wollen das Bezahlen reibungsloser machen. Das ist auch unsere Philosophie. Der „Kaufen”-Knopf auf Facebook, der bald kommt, hat den selben Anspruch und verkürzt den Weg zwischen „Du hast Werbung gesehen” und „Du kaufst das Produkt”.

Die Messenger-App und das zugekaufte WhatsApp bleiben eigenständige Apps. Aber werden die Daten der User zusammengeführt?

Marcus: Nein. Für uns ist das kein Spiel um Daten. Es geht uns darum, beide Apps auf eine Milliarde User zu pushen. Derzeit gibt es keine Pläne, die beiden Dienste zusammenzuführen. WhatsApp hat nicht jeden Markt gewonnen, in manchen ist der Facebook Messenger beliebter. WhatsApp ist eher eine neue Version von SMS, die auf vielen verschiedenen Geräten funktioniert, während der Messenger sehr multimedial ist und auf iOS und Android fokussiert. Neue Features werden immer zuerst im Messenger kommen, das ist unser Labor.

Der boomende Konkurrent Snapchat hat kürzlich mit Snapcash eine Bezahl-Funktion eingeführt. Wie bewerten Sie diese?

Marcus: Wir haben kein Interesse daran, eine Payment-Lösung zu bauen. Nur so viel: P2P-Dienste, also Überweisungen von Person zu Person, wie es Snapchat ermöglicht, sind immer ein Verlustgeschäft für den, der den Service anbietet.

Seit Jahren gibt es Gerüchte, dass Facebook ins Smartphone-Geschäft einsteigen will. Macht das aus Ihrer Sicht Sinn?

Marcus: Nein. Sehen Sie, auf den meisten Smartphones auf diesem Planeten ist eine oder mehrere unserer Apps installiert, wir haben eine hervorragende Distribution. Ein Fünftel der Zeit, die die Leute am Smartphone verbringen, geht für Facebook und Instagram drauf, sind der Messenger und WhatsApp noch gar nicht eingerechnet. Deswegen müssen wir nicht ein mobiles Betriebssystem oder Hardware bauen.

Mobilfunker sehen ihre Businessmodelle durch werbefinanzierte Services wie Facebook untergraben. Wie viele Milliarden US-Dollar nehmen sie den Telekoms durch WhatsApp und Co. weg?

Marcus: Ich würde die Frage anders herum stellen: Wie viele Milliarden Dollar an Umsätzen bescheren wir den Telkos, indem wir ihnen helfen, mobile Datenpakete zu verkaufen? Warum kaufen die Leute einen Handy-Vertrag? Weil sie Apps wie ­Facebook, Instagram, Maps oder WhatsApp verwenden wollen. Deswegen wollen sie ein Smartphone, und nicht, um Telefonate zu führen.

Die Messenger-App ist auf vielen Geräten installiert, doch die Bewertungen in den App Stores sind sehr schlecht. War es ein Fehler, die User zu der App zu zwingen?

Marcus: Ich denke, dass es richtig war. Wenn man das beste Messaging-Produkt anbieten will, muss es eine eigenständige App sein und darf nicht einfach ein Feature innerhalb einer anderen App sein. Beim Messaging gibt es Netzwerk-Effekte: Wenn jeder die Messenger-App installiert und Push-Benachrichtigungen aktiviert hat, dann antworten die Leute schneller, und die User Experience wird besser. Die Zahlen geben uns recht. Wir haben 500 Millionen monatlich aktive Nutzer, die App wird nicht gehasst.

Wie werden die Messaging-Apps genutzt?

Marcus: Die große Mehrheit sind immer noch One-to-One-Konversationen, auch wenn es bereits einige Märkte gibt, in denen Gruppen ziemlich intensiv genutzt werden. Man würde übrigens auch meinen, dass ältere User keine Sticker versenden, aber das ist eine falsche Annahme. Sie verschicken genauso wie die Jungen die kleinen Comic-Bilder. Manchmal ist es eben einfacher, etwas mit einem Bild zu sagen als mit Worten.

Wie kommunizieren Sie mit Ihrem Chef Mark Zuckerberg? ­Schreiben Sie sich ständig Messages?

Marcus: Nicht jeden Tag, aber doch häufig. Ich sende ihm manchmal Sticker, und er schickt mir sogar welche zurück.

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