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Klimavolksbegehren-Chefin: Ein Klimarechnungshof soll das CO2-Budget überwachen

Katharina Rogenhofer © Trending Topics/Gamper
Katharina Rogenhofer leitet das Klimavolksbegehren © Trending Topics/Gamper
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Katharina Rogenhofer ist die Power-Frau des Klima-Aktivismus in Österreich. Die studierte Biologin war es, die „Fridays For Future“ 2019 nach Österreich gebracht hat und sie ist seit einigen Monaten auch die treibende Kraft hinter dem Klimavolksbegehren. Das Volksbegehren sammelt bereits seit Monaten Unterstützungserklärungen und will nun am 3.3. in die eigentliche Eintragungswoche starten.

Die 26-Jährige hatte ihren Schlüsselmoment auf dem Klimagipfel 2018. Nach dem Studium „Biodiversity, Conservation and Management“ in Oxford absolvierte sie ein Praktikum bei den Vereinten Nationen, realisierte aber auf dem Klimagipfel in Katovice, dass sie eigentlich auch gerne auf der anderen Seite stehen würde. Dort, wo zu diesem Zeitpunkt die junge Schwedin Greta Thunberg ihr Schild „Skolstrejk för klimatet“ hochhielt.

Beeindruckt von der jungen Aktivistin startete sie „Fridays For Future“ in Wien und aus knapp hundert Teilnehmern wurden binnen kürzester Zeit Tausende. Als das lief, witterte Rogenhofer die nächste Chance, im Dienste des Klimaschutzes aktiv zu werden. Sie lernte die Grünen-Politikerin Helga Krismer kennen, die ein Klimavolksbegehren ins Leben rufen wollte und übernahm im März 2019 die Organisation und ist seither Sprecherin und treibende Kraft der Initiative.

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Noch mindestens 14.000 Unterschriften

Für das Klimavolksbegehren hat sich Rogenhofer ehrgeizige Ziele gesteckt. Noch vor der Eintragungswoche ab 3. März, in der das eigentliche Volksbegehren läuft, sollen 100.000 Unterschriften gesammelt werden. Das ist eigentlich bereits die Hürde, mit der das Anliegen jedenfalls im Nationalrat diskutiert werden muss. Für die Eintragungswoche selbst, also quasi für die Zulassung als Volksbegehren, wären eigentlich nur 8.401 Unterstützungserklärungen notwendig. Diese Grenze ist längst überschritten und auf die 100.000 fehlen nur noch 14.000 Unterschriften – bis zur Eintragungswoche also 1.000 täglich, wie Rogenhofer betont.

Im Interview mit Tech & Nature erklärt Rogenhofer, wie sich das Klimavolksbegehren durch das türkis-grüne Regierungsprogramm ändert, welche konkreten Ideen sie für Österreich hat und was sie von Kompensationsprogrammen hält, bei denen für Klimasünden als Ausgleich Bäume gepflanzt werden.

Tech & Nature: Viele der Forderungen des Klimavolksbegehrens stecken im türkis-grünen Regierungsprogramm – siehst du eure Ziele damit erreicht?

Katharina Rogenhofer: Das ist ein Riesen-Erfolg. Es gab, glaube ich, noch kein Volksbegehren, dass Forderungen so schnell auf politische Ebene gehoben hat. Viele unserer Forderungen sind sogar wort-wörtlich im Regierungsprogramm. Aber ich sehe die Ziele nicht erreicht, denn was wir fordern, ist tatsächliche politische Umsetzung. Teilweise stehen Budgetierungen nicht fest und es gibt keinen Zeitplan. Wir haben aufgrund des Regierungsprogramms außerdem unsere Forderungen konkretisiert.

Inwiefern?

Wir haben zum Beispiel von Anfang an gefordert, dass es einen Klimacheck aller bestehenden und neuen relevanten Gesetze geben muss. Wir stellen uns das vor wie einen Verfassungsdienst, der die Verfassungsrechtlichkeit aller neuen Gesetzgebungen prüft. Wenn wir uns einig sind, dass wir das Pariser Klimaabkommen einhalten wollen, gibt uns das ein bestimmtes CO2-Budget. Unser Vorschlag wäre eine Art Klimarechnungshof, der wie der Rechnungshof das Finanzbudget eben das CO2-Budget prüft. Dadurch würde jedes Jahr offensichtlich, ob wir die Ziele erreicht haben oder nicht. Wir dürfen mit unserem Finanz-Budget schließlich auch nicht irgendwie umgehen.

Auch bei „Klimaschutz in die Verfassung“ sind wir jetzt konkreter: Sehr viele Leute haben das als Staatsziel aufgefasst, als Staatsziel steht aber bereits Umweltschutz drinnen. Was wir wollen, ist ein tatsächliches Grundrecht auf Klimaschutz. Der Staat muss also tatsächlich eine Leistung erbringen, um dieses Grundrecht zu sichern.

Staaten neigen dazu, sich zu verschulden. Wie würde das bei einem CO2-Budget aussehen?

Im besten Fall würde das transparent offen gelegt werden. Das ist jetzt noch nicht so der Fall, wie wir das wollen. Dann würde der Klimarechnungshof Empfehlungen aussprechen. In einem Gesetz müsste festgelegt sein, dass wir das, was wir über unserem Budget liegen, im nächsten Jahr wieder hereinholen. Im besten Fall ist dieser Klimarechungshof von unabhängigen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern besetzt, die kontinuierlich prüfen und schauen, ob es sich mit den Maßnahmen der Regierung ausgeht.

Was gefällt euch im Regierungsprogramm nicht so gut?

Es gibt schon absurde Dinge, wie die Flugticketabgabe von 12 Euro, wodurch Langstreckenflüge am Ende sogar billiger sind. Man könnte darüber reden, eine Kerosinsteuer einzuführen. Aber Kerosin wird eben nicht besteuert. Da könnte sich jeder Autofahrer aufregen, weil wir auf Benzin und Diesel Steuern zahlen – das ist im Flugverkehr nicht so.

Und die Abgabe auf 12 Euro zu heben ist lächerlich, weil es großteils Vielflieger betrifft, wo es eh die Firmen bezahlen. Wir könnten die Abgabe auf 50 Euro erhöhen und damit den Ausbau von öffentlichen Verkehrsmitteln gegenfinanzieren. Das würde allen Menschen etwas bringen. Dann ist auch nicht gut, dass die ökosoziale Steuerreform nach hinten verschoben wird auf 2022. Das sehen wir nicht ein. Wenn Finanzminister und Umweltministerin das ernst meinen würden, dann wäre das auch schneller zu schaffen.

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Wie kann man denn aus deiner Sicht eine CO2-Steuer sozial gerecht gestalten?

Jedes gute Konzept, das ich kenne, spricht davon, einen Teil der CO2-Steuereinnahmen wieder rückzuvergüten. Zum Beispiel in Form eines Klimabonus für geringverdienende Haushalte. In absoluten Zahlen stoßen mehrverdienende Haushalte mehr CO2 aus. Würde man eine CO2-Steuer einfach so einführen, würde das geringverdienende Haushalte prozentuell an ihrem Gehalt stärker belasten. Wenn man hier gegensteuert, kann das einen sehr guten Lenkungseffekt entfalten. Was ich immer schade finde ist, dass das als Hinderungsgrund für eine CO2-Steuer angeführt wird. Obwohl es gute Konzepte für eine Umverteilung gäbe.

In Österreich gab es bereits einige sehr erfolgreiche Volksbegehren, etwa „don’t smoke“, das knapp unter der „magischen Grenze“ von 900.000 Unterschriften geblieben ist. Unmittelbar bewirkt haben diese Volksbegehren aber nichts – warum ist das bei dem Klimavolksbegehren anders?

Wir machen das Volksbegehren ja nicht für die Unterschriften, sondern die Unterschriften sind im besten Fall ein Argument zur Umsetzung. Wenn wir die Umsetzung auch anders herbeiführen können, bin ich sehr froh darüber. Man sieht ja jetzt schon, dass sich viele Forderungen im Regierungsprogramm niedergeschlagen haben. Wenn wir im Nationalrat tatsächlich zu einer Umsetzung beitragen können, dann hoffe ich, dass das relativ unabhängig von der Menge der Stimmen sein wird. Insgesamt nimmt die Politik Volksbegehren oft nicht so ernst, wie sie es vielleicht sollte. 900.000 Unterschriften sind 15 Prozent der Wahlberechtigten. Wenn die einmal etwas wollen, sollten die Politikerinnen und Politiker auch darauf hören.

Warum sollte ich unterschreiben?

Weil es uns alle braucht, um mutigen Klimaschutz umzusetzen. Ohne die Klimabewegung im letzten Jahr wäre das Thema nie so groß geworden. Vor zwei Jahren hätten wir nicht gedacht, dass das Thema jemals Wahl-entscheidend sein könnte – sowohl in der EU-Wahl als auch in der Nationalratswahl. Ein Green Deal der EU wäre nicht möglich gewesen. Das alles haben Menschen bewirkt, das hat die Klimabewegung bewirkt.

Was sollte deiner Meinung nach jeder persönlich sofort umsetzen?

Es gibt ganz viele verschiedene Ebene, auf denen man einen Unterschied machen kann. Für mich war es eine große Befreiung, in dieser Klimabewegung mitzumachen und das Volksbegehren zu übernehmen. Das ist es, was oft fehlt an diesen Listen: Heizung runterdrehen, Wasser nicht laufen lassen, mehr pflanzenbasierte Nahrung. Das sind wichtige Dinge, aber mir hat immer gefehlt: Wählt eine Partei, die das vertritt, geht Volksbegehren unterschreiben, geht für eure Anliegen auf die Straße und denkt in größeren Zusammenhängen. Es gibt so viele Möglichkeiten – man kann Energiegenossenschaften gründen und in Gemeinden sehr viel voranbringen. Mein Appell ist: Werdet politisch!

Politik und Unternehmen wälzen die Bringschuld gerne auf Konsumenten ab – ist das der richtige Weg?

Natürlich beeinflussen wir auch mit unserem Konsumverhalten etwas. Aber das ist ein sehr kleiner Teil unseres Daseins. Sich zu denken, ich habe jetzt die Last der Welt auf den Schultern und wenn ich jetzt ein Plastiksackerl nehm oder nicht, bestimmt das das Schicksal der Welt. Es gibt eindeutig größere Hebel, die bewegt werden können und die es mir überhaupt erst möglich machen, klimafreundlich zu handeln. Wir dürfen nicht vergessen, dass Züge in der EU viel teurer sind als Flugzeuge, dass importierte Lebensmittel oft billiger sind als regionale. Das ist ein System, in dem ich für klimafreundliches Verhalten gegeißelt werde. Klimafreundliches Handeln muss zur Norm werden. Das muss am leichtesten, günstigsten und bequemsten sein. Das wäre eine Welt, die es jedem ermöglicht, die richtigen Konsumentscheidungen zu treffen.

Momentan wird es immer populärer, klimaschädliches Verhalten durch Kompensationsprogramme auszugleichen. Ist das deiner Meinung nach der richtige Weg, einfach genug Bäume zu pflanzen?

Es gibt mittlerweile mehrere Studien, die sagen, wir hätten dafür nicht genug Baumfläche zur Verfügung, wenn wir so weiter machen wie bisher. Es macht schon Sinn, Wälder, die degradiert sind, wieder aufzuforsten. In Wald zu investieren ist nie falsch. Das bindet CO2 und bietet Lebensraum für viele Tier- und Pflanzenarten. Was es aber nicht sein darf, ist ein Freikaufen. Das gilt auch für Länder: „Ich darf so weiter wirtschaften wie bisher und muss dann nur Zertifikate kaufen für die Bäume gepflanzt werden“, geht sich nicht aus. Wir müssen wirklich Treibhausgasemissionen reduzieren. Anders werden wir es nicht auf diese 1,5 oder 2 Grad schaffen. Wenn wir das ernst meinen, können als zusätzliche Maßnahme Renaturierungsmaßnahmen unterstützt werden.

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