Gastkommentar

Krypto-Währungen und ICOs: ”Der ausgebrochene Goldrausch ähnelt einem Pyramidenspiel”

Armin Ronacher beim Diskutieren. © A. Ronacher
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Armin Ronacher ist Principal Software Engineer bei Sentry und entwickelt seit vielen Jahren Open-Source-Technologien wie das Flask Web-Framework. In diesem Gastommentar beschäftigt er sich mit dem Phänomen der ICOs.

Das Internet hatte schon immer eine fragwürdige Beziehung zu Geld, und diese Beziehung wurde nicht besser. Die ersten Services im Internet wurden kostenlos bereitgestellt. Daraus ergab sich eine gewisse Erwartungshaltung der Benutzer, dass Dinge weiterhin kostenlos sein sollten. Damit begann der Siegeszug der nervigen Banner- und Popup-Werbung.

Nicht nur für die Finanzierung von Services und Webseiten wurde dies ein Problem, sondern auch für den E-Mail-Verkehr. Ohne Porto und dank der von der Allgemeinheit bezahlten Infrastruktur wurde das Versenden von unerwünschten Spam-Nachrichten sehr interessant. Bereits 1997 schlug Adam Black vor, virtuelles Porto in Form von partiellen Hash-Kollisionen zu erheben. Hashes sind virtuelle Fingerabdrücke von Daten. In der Regel werden sie genutzt, um die Integrität von Daten zu garantieren. In der Theorie sollte kein Hash mehrmals in vorkommen (eine Kollision), aber eine partielle Kollision ist wesentlich wahrscheinlicher.

Wie lang es dauert, per Zufall eine solche Kollision zu finden, ist abhängig davon, wie viele Bits-Kollisionen erwünscht sind und wie schnell der Computer dieses Problem lösen kann. Die Idee von Black: Für den Spammer soll es teurer und langsamer werden, eine E-Mail zu verschicken, weil er zuerst eine Kollision via Brute-Force finden muss. Die Verifizierung einer Kollision hingegen ist einfach. Das einzige Problem: Man muss bereits verwendete Kollisionen in einer zentralen Datenbank eintragen, um eine Mehrfachverwendung auszuschließen („Double Spend Problem“).

Bitcoin als dezentrales Geld

Bitcoin ist eine Weiterentwicklung von Hashcash in ein dezentrales Geldsystem. Unmengen an Computer produzieren immer komplexere Kollisionen. Ein Netzwerk an Computern sammelt Transaktionen und versucht eine Kollision für diese Transaktionen zu finden (ein “Block”). Wer dies schneller als die Konkurrenz tut, bekommt eine Belohnung in Form von Bitcoins und ein wenig Transaktionsgebühr. Der Trick dabei ist, dass nicht nur die Transaktionen gehasht werden, sondern auch der zuletzt gefundene “Block”. Wenn also zwei Computer gleichzeitig eine Kollision finden, schicken sie ihren Block zu anderen Netzwerkteilnehmern, die dann auf Basis dieses Blockes weitermachen. Der “höchste” Block gewinnt nach einiger Zeit, und die “Blockchain” wird länger (bzw. höher).

Die Formel, wie viele Bitcoins als Belohnung produziert werden, ist unter allen Teilnehmern im Netzwerk verteilt und endlich – außer, die Mehrheit der Teilnehmer entscheidet sich, die Produktion von mehr Bitcoins zu unterstützen, ansonsten ist irgendwann einmal Schluss. Sofern also die Anzahl der Nutzer nach oben steigt, muss auch irgendwann der Wert von Bitcoins zunehmen, weil die Anzahl endlich ist.

Dieser ausgebrochene Goldrausch ähnelt einem Pyramidenspiel. Je früher man dabei ist, desto leichter ist es, Bitcoins zu bekommen. Für alle Beteiligten ist es interessant, mehr Nutzer für das System zu begeistern, weil jeder neue aktive Benutzer die bereits ausgeschütteten Bitcoins wertvoller macht. Während am Anfang noch ein normaler Endbenutzer Bitcoins “minen” konnte, braucht man heute Spezial-Hardware und sehr günstigen Strom. Aktuell verbraucht eine einzige Bitcoin-Transaktion so viel Energie wie zwei Haushalte an einen gesamten Tag benötigen.

Die Basis von Bitcoin (im Konkreten das Verknüpfen von Blöcken) ist nichts Neues. Verteilte Versions-Verwaltungssysteme wie Git basieren auf derselben Idee. Der Vorteil ist, dass sich Manipulationen von vergangenen Transaktionen ausschließen lassen, sofern die Hash-Funktion sicher ist. Auch die österreichische Registrierkassen-Verordnung basiert auf dem selben Konzept.

„Jeder neue Coin ist oft ein neues Pyramidenspiel“

Irgendwann wurde Bitcoin von Investoren entdeckt. Teile des Systems wurden neu benannt. Die Verknüpfung von Blöcken und das Verteilen davon im Internet wurde als Blockchain-Technologie bekannt und wird mittlerweile in diversen Variationen von vielen “Coins” verwendet. Jeder neue Coin ist oft ein neues Pyramidenspiel. Beim „Initial Coin Offering“ (ICO) kann man einer der ersten werden, die sich in eine neue Kryptowährung einkaufen. Viele dieser Coins werden mittlerweile auf Basis anderer Coins gebaut. Ein populäres “build your own coin”- System ist Ethereum. Auf Basis dieser Kryptowährung und mit der in ihr vorhandenen Programmiersprache versuchen viele Leute jetzt auch Aktienbesitz, Verträge und viel mehr in die Blockchain zu bringen – viele auf Basis neuer Kryptowährungen.

Das ist ein hochriskantes Spiel. Die Basis von Ethereum ist eine komplexe und leicht falsch verwendbare Programmiersprache. Durch Fehler in der Programmierung wurden erst kürzlich wieder 32 Millionen Dollar Kapital von den Investoren gestohlen.

Das Kernproblem scheint Gier zu sein. Die Bitcoin-Community ignoriert schon seit Jahren die fundamentalen Probleme der Technologie, weil der Preis ja nach wie vor steigt. Wer vor ein Paar Jahren einen Bitcoin für 100 Dollar gekauft hat, kann heute auf einen Wert von 2000 Dollar und mehr blicken. Da spielt es keine große Rolle, dass die Gesamtkapazität des Netzwerks nur etwa 7 Transaktionen pro Sekunde erlaubt. Die Ethereum-Community will sich nicht mit der Tatsache beschäftigen, dass eine Programmiersprache nicht Vertragsrecht ersetzen kann.

Communities als Echokammern

Bitcoin, Ethereum und fast alle Blockchain-Projekte der letzten Jahre mischen in gefährlicher Weise Pyramidenspiel, schlechte Technologie und Ideen des Libertarismus zusammen. Die Communities werden innerhalb kürzester Zeit Echokammern und sammeln immer mehr zwielichtige Gestalten an.

Leider kommen viele dieser Systeme aktuell nicht nur als ein Technologiepaket, sondern mit einer krypto-anarchistischen Weltanschauung oder einem zweifelhaften Pyramidenspiel in der Form eines „Initial Coin Offerings“. Die wirklich interessanten und zukunftsweisenden Entwicklungen in dem Bereich passieren abseits der Öffentlichkeit, innerhalb von Finanzinstituten und Banken.

Für einen Endkunden sollte es deswegen heißen: Finger weg von Coins als Investments.

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