Gastbeitrag

Warum findest du eine „Kleine AG“ besser als eine „Austria Limited“, Michael Eisler?

Michael Eisler von startup300. © startup300
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Michael Eisler ist Mitgründer und CEO der startup300 AG sowie Aufsichtsratvorsitzender bei Cleen Energy AG und der techbold technology group AG. In diesem Gastbeitrag beschäftigt er sich mit den Plänen der Bundesregierung, eine neue Gesellschaftsform („Austria Limited“) in Österreich zu schaffen.

Ich möchte ein wenig aus meiner Erfahrung berichten und da kann ich aus 20 Jahren Unternehmertum schon behaupten, dass ich einiges im Gesellschaftsrecht und im Aktiengesetz gesehen habe. Immerhin habe ich selbst viele GmbHs gegründet, bereits zwei Mal eine GmbH in eine AG umgewandelt und darüber hinaus auch in UK eine Limited und in USA eine Delaware Inc gegründet.

Ich sehe als Aufsichtsrat, als Vorstand, als Aktionär, als Gesellschafter, als Geschäftsführer, als Prokurist und mit beiden Beinen im Kapitalmarkt doch viele Aspekte. Vor allem bin ich aber durch meine Tätigkeit bei startup300 mit vielen jungen Gründer-Teams, mit vielen Business Angels und Investoren bei Finanzierungsrunden begleitend oder im Lead dabei gewesen. Davon kommt auch Erfahrung mit dem Ausscheiden von Gründern, der Aufnahme von Key-Playern und den unterschiedlichsten Ausgestaltungen von Mitarbeiterbeteiligungen, die ich als wesentliches Element hervorheben möchte – siehe unten.

Gründung ist nicht die große Barriere

Zuerst darf ich aus meiner Sicht sagen, dass ich die Gründung, die Notariatsakte und die Gestaltung von Finanzierungsrunden nicht so sehr als Barriere empfinde, wie das vielleicht andere in den Vordergrund stellen oder hier Vereinfachung fordern. Auch bin ich nicht überzeugt, dass die Senkung von erforderlichen Stammkapital eine Gründungsflut bedeutet, weil aus den letzten Jahren in meiner Tätigkeit insbesondere mit Startups eigentlich noch alle Teams das Mindestkapital aufbringen konnten oder so für ihre Idee brennen, dass sie zumindest das engste Umfeld um diese Leihgabe oder dieses Investment bitten.

Vereinfachungen bei der Gründung, die Nutzung von digitalen Hilfsmitteln zur Vereinfachung/Ersparen von Notariatsakten, und auch die Verbreitung der englischen Sprache bei Gründungs- oder Syndikatsdokumenten halte ich natürlich für gut und sinnvoll.

Dennoch glaube ich, dass es mit den bestehenden Rechtsformen auch sehr viel Rechtssicherheit, Judikatur und Erfahrung gibt, die man nicht neu erfinden müsste und daher glaube ich nicht an eine neue Rechtsform. Ja, selbstverständlich habe ich schon erlebt, dass ein Firmenname nicht zulässig war, eine Bankbestätigung zu alt war für die Eintragung einer Kapitalmaßnahme, Streitigkeiten über das Ausmaß von bedingten und genehmigten Kapital bei einer AG mit dem Firmenbuchrichter, unglaubliche Irrläufe beim Einholen von Vollmachten ausländischer Gesellschafter oder Gesellschaften, das Einsammeln unsinniger doppelter Zeichnungsscheine, Ablehnung einer Eintragung als Gesellschafter, weil die 70 Euro Mindestanteil unterschritten wurden, usw., die einem in der Praxis dann immer wieder Kopfschmerzen, Zeit und Geld kosten. Das sind nicht die wahren Stolpersteine, wie ich finde. Da kann man sich verbessern, aber es ist grundsätzlich gut, und nicht alles schlecht.

Anteile dann besteuern, wenn sie verkauft werden

Ich persönlich halte es daher für wesentlich, zuerst über das Steuergesetz zu sprechen und die Vereinfachung zu erreichen, dass Anteile dann besteuert werden, wenn diese verkauft werden. Simple as that. Junge Unternehmen haben nur Anteile und damit kann man Mitarbeiter und Investoren an Bord holen. Ich zitiere einen guten Freund und Anwalt, der immer sagt, dass die Kapitalgesellschaften deswegen Kapitalgesellschaften heißen, weil man Anteile eben für Kapital bekommt und nicht für Leistung.

Ja was soll ich denn machen, wenn meine Mitarbeiter aber “nur” ihre Leistung anbieten können? Ich habe aufgehört zu zählen, wie viele Ideen in der Umsetzung es gibt: ob es ein ESOP, ein PSP, ein PSOP, ein Genussrecht oder gar eine Treuhandschaft der Gründer für Mitarbeiteranteile sind, die letztlich nie an der rechtlichen Struktur scheitern, sondern einfach immer nur an der Besteuerung. So wird dir jeder Steuerberater immer sagen, dass Anteile nur zum Verkehrswert übertragen werden können oder beim Exit die Anteile als Vorteil aus dem Angestelltenverhältnis wie Gehalt zu besteuern sind und bspw. Optionen oder Aktien einer AG nicht unter dem inneren Wert ausgegeben werden dürfen und allenfalls die steuerrelevanten Anschaffungskosten für den Mitarbeiter als Sachbezug oder Kaufpreis zu ermitteln sind.

Speziell bei Optionen kommt es dann beim “Striken” zu einem Erlös, sodass man Anteile oder Aktien verkaufen müsste, um sich überhaupt die Steuern des Erlöses leisten zu können, obwohl man gar kein Geld bekommen hat, sondern womöglich einen Options-Preis (Strike-Preis) zu zahlen hat, der allenfalls aus rechtlichen und steuerlichen Gründes des Unternehmens schon gar nicht mehr so attraktiv für den Mitarbeiter ist. Das ist nicht gut und fördert nicht, was es gilt zu erreichen.

Selbst das Konvertieren einer Wandelschuldverschreibung soll angeblich Steuern auslösen können, wenn diese einen Discount gegenüber anderen Investoren in einer und derselben Finanzierungsrunde bekommen, weil man ja mehr bekommt durch den Discount.

Mitarbeiterbeteiligung derzeit steuerlich nicht attraktiv

Letztlich läuft es immer darauf hinaus, dass die Mitarbeiterbeteiligung steuerlich nicht attraktiv ist und rechtlich sogar schwierig umzusetzen ist, wenn man nicht hohes Risiko eingeht, dass man Steuern hinterzieht, obwohl meist noch gar kein Geld aus einem Exit oder Gewinnen geflossen ist – ganz davon zu schweigen, dass vielleicht nur die Investoren eines Startups an die Bewertung glauben bei einer Finanzierungsrunde, aber man sich doch nicht aus steuerlicher Betrachtung darauf referenzieren sollte.

Anyway, Anteile von GmbHs und Aktien von AGs sollten an Mitarbeiter immer steuerfrei übertragbar sein, vielleicht zur Nominale und nur dann ein Wert besteuert werden, wenn es auch wirklich einen Cash-Event gegeben hat – nämlich einen Verkauf der Anteile oder Aktien. Der Fiskus fällt um keinerlei Steuern um, sondern es verschiebt sich zum Zeitpunkt, wo auch Geld fließt. Und es fließt kein Geld, wenn die Anteile oder Aktien eben vielleicht auch nix wert waren, weil es halt oft auch nix wird und nicht jede Geschäftsidee sich gut entwickelt.

Diesem Gedanken folgend glaube ich, dass die AG bereits alle Instrumente vom Erwerb und Halten eigener Aktien, bedingtes Kapital für Finanzinstrumente oder Optionen und Mitarbeiterbeteiligungen besitzt, die auch teilweise ohne Notar über das Aktienbuch oder durch die Hauptversammlung zu regeln sind. Darüber hinaus fände ich ein paar Ergänzungen im Aktiengesetz für „kleine AGs“ hilfreich, die helfen Kosten und Aufwand zu sparen.

International gibt es keine Bedenken oder Probleme mit AGs

Verpflichtende Wirtschaftsprüfung, formale Prozesse bis hin zur Veröffentlichung bei der Wiener Zeitung, oder auch verminderte Haftungen für Organe sind ein paar Beispiele, wo man einfach bei der Größe mit einfachen Kennzahlen unterscheiden könnte. Aber ohne dabei ein neues Recht zu erfinden, sondern die AG für Gründer attraktiv zu machen. Und trotzdem bleibt mit einer AG jeder Weg auch bis zur Börse offen und gewahrt. International gibt es keine Bedenken oder Probleme mit AGs und letztlich ist das geringere Stammkapital für eine “Austria Limited” nicht die Headline, die ich sehe.

GmbHs würde ich gar nicht angreifen, sondern die Umwandlung zur kleinen AG als knackiger Vorgang etablieren. Damit ist der Zugang zu allen Instrumenten, die speziell Startups benötigen, geebnet. Es können Kapitalmaßnahmen mittels genehmigten Kapital, das Halten und Erwerben eigener Aktien, der einfache Handel der Aktien ohne Notar über das Führen eines digitalen Aktienbuchs (wie damals bereits bei der Conda AG über die Blockchain; heute Conda GmbH) bis hin – und ganz wichtig – die Mitarbeiter günstig beteiligen zu können, alles ausgeschöpft werden. Leistung kann honoriert werden und gleichzeitig der Fiskus zu seinen Einnahmen kommen, wenn Anteile von Mitarbeitern beim Exit oder beim Ausscheiden tatsächlich auch verkauft werden – und bitte erst dann und eben nicht bei jeder Transaktion.

Mir ist das ein besonderes Anliegen, weil 3.000 Euro pro Jahr steuerbegünstigt Aktien an Mitarbeiter ausgeben zu können, ist zu wenig und reicht in diesem hart umkämpften Markt nach Talenten einfach nicht aus. Viele junge Menschen, GründerInnen und MitarbeiterInnen würden sich viel besser mit ihren Unternehmen – und nicht bloß „Arbeitgeber“ – identifizieren, wenn es Normalität wird, dass 10 Prozent der Anteile oder Aktien ganz selbstverständlich und automatisch für Mitarbeiter da sind.

Es braucht Ergänzungen hin zur “kleinen AG”

Man kann natürlich mit allen Künsten der Juristerei dann auch gestalten und bspw. Vesting-Klauseln oder Rückgabe der Aktien an die AG regeln. Ja, die AG mag abschreckend wirken und darum sehen GründerInnen da meist nicht hin, aber ich fand die Delware Inc in USA auch furchtbar kompliziert. Trotzdem kann diese jedes Startup in USA und damit alle GründerInnen einfach und günstig gründen und man erhält automatisch alle Instrumente, die ich anspreche inkl. der steuerlichen Berücksichtigung (und es ist kein Notar nötig). Niemand beschwert sich dort jedenfalls über Komplexität. Wir haben mit der AG die richtige Rechtsform, es braucht meiner Erfahrung nach Ergänzungen hin zur “kleinen AG”, damit es günstiger und einfacher wird – und parallel die Ergänzungen im Steuergesetz.

Alles andere schaffen wir auch heute schon ganz gut und ich empfinde es nicht als Barriere, manchmal eher als Belustigung, aber genau so oft habe ich schon erlebt, dass Anwalt und Notar ganz wesentliche Beiträge geleistet haben und auch das Firmenbuch und ihre Rechtspfleger natürlich ihre Berechtigung haben und alle für Richtigkeit und Rechtssicherheit sorgen.

Die Initiative der Regierung ist gut und wichtig. Fokuspunkte sehe ich allerdings eben etwas anders.

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