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Verhütungs-App Natural Cycles: „Wir wollen ein Gegengewicht zu den Pharmafirmen aufbauen“

Elina Berglund und Raoul Scherwitzl. © Natural Cycles
Elina Berglund und Raoul Scherwitzl. © Natural Cycles
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“Ich wollte immer eine Entdeckung machen, aus der man eine Firma bauen kann.” Raoul Scherwitzls Deutsch ist nahezu perfekt, aber man merkt auch, dass er es schon länger nicht mehr benutzt hat. Der gebürtige Österreicher ist eines jener Beispiele erfolgreicher Startup-Gründer, die unser kleines Heimatland nicht halten konnte. In Wien geboren und aufgewachsen, ging Scherwitzl zum Studium an die renommierte Universität ETH Zürich und baut jetzt gemeinsam mit seiner Frau und Geschäftspartnerin Elina Berglund in Stockholm das auf Verhütung spezialisierte App-Startup Natural Cycles auf. Die neueste Finanzierungsrunde: 30 Millionen US-Dollar.

Das Produkt, das derartig bei Investoren zieht: eine App, die der Nutzerin verrät, wie hoch die Wahrscheinlichkeit einer Schwangerschaft heute ist. “Meine Frau wollte ihrem Körper nach Jahren der Spirale und der Pille eine Pause geben”, sagt Scherwitzl heute. Die beiden Wissenschaftler stießen auf eine natürliche Verhütungsmethode. Frauen können an höchstens sechs Tagen ihres Menstruationszyklus schwanger werden, und diese sechs Tage soll man berechnen können. Dazu braucht man ein Basalthermometer mit 2 Dezimalstellen, die App von Natural Cycles berechnet den Rest mit Hilfe eines Algorithmus. Endergebnis: Gibt die App grünes Licht, kann die Nutzerin an dem Tag mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht schwanger werden.

Der Gang nach Schweden

So, wie die fruchtbaren Tage in der App berechnet werden, haben sich Scherwitzl und Berglund auch ihren Standort für das Startup ausgerechnet. Japan sei die erste Wahl gewesen, dann hätte man sich aber wegen der hohen Smartphone-Durchdringung und der weiten Verbreitung von Kreditkarten für Schweden entschieden. Die Startup-Szene dort sei sehr gut, und der Standort hat noch einen Effekt: “Es gibt kein Deutschland neben Schweden so wie für die Österreicher, deswegen muss man sofort als zweiten Markt an Großbritannien oder USA denken”, sagt Scherwitzl. So seien Jungfirmen in Schweden noch viel stärker als in Österreich gezwungen, gleich international zu planen.

App zeigt, wann eine Empfängnis wahrscheinlich ist. © Natural Cycles
App zeigt, wann eine Empfängnis wahrscheinlich ist. © Natural Cycles

Mehr als 500.000 Nutzer

Es sind aktuell mehr als eine halbe Million Nutzer, die Natural Cycles am Smartphone installiert haben, eine Vielzahl davon soll laut Scherwitzl für die App zahlen. Sie kostet 65 Euro im Jahresabo und ist damit etwas günstiger als die Anti-Baby-Pille, die zumeist mit 8 bis 10 Euro pro Monat zu Buche schlägt. “Unser große Konkurrenten sind die Pharmaunternehmen, die den Markt mit der Pille und anderen Hormonpräparaten dominieren”, sagt der Mitgründer. Mehr als die Hälfte der Natural Cycles-Nutzerinnen würde mit der Pille aufhören – groß gedacht würde das Pharmaunternehmen ordentlich schaden.

Unumstritten ist die Methode mit dem Temperaturmessen nicht. Medizinern zufolge kann die Körpertemperatur, die auf den Eisprung und damit die fruchtbaren Tage hinweist, durch Sport, Stress oder Alkohol beeinflusst werden. Natural Cycles weist darauf hin, dass 5 von 1.000 Frauen wegen eines falsch angezeigten „grünen“ Tages schwanger werden. Klar ist aber auch: Auch bei anderen Verhütungsmethoden gibt es Fehler, 100-prozentigen Schutz gibt es nirgends. “Kein Verhütungsmittel funktioniert zu 100 Prozent. jede Frau weiß, dass man auch bei der Pille schwanger werden kann”, sagt Scherwitzl.

Durex als logischer Partner

Die 30 Millionen Dollar wird Natural Cycles jetzt für den Marktstart in den USA ausgeben (die meisten Nutzer kommen derzeit aus Schweden und UK). Was auch viel kosten wird: Studien. In Europa hat Natural Cycles eine Zertifizierung als Medizinprodukt der Klasse IIb bekommen, in den USA ist das noch ausständig. “Jeder Arzt vertraut der Pille, und jedes neue Produkt stößt Skepsis. Wir wollen durch die klinische Forschung für überzeugende Argumente sorgen”, sagt Scherwitzl.

Je mehr Nutzer die App hat, desto größer wird der Gegenwind durch die Pharmaindustrie. “Sie können es versuchen, uns zu kaufen, aber wir wollen ein Gegengewicht zu den Pharmafirmen aufbauen”, sagt Scherwitzl. “Einfach gekauft zu werden, ist nicht unser Ziel. Bevor sie uns kaufen, werden sie versuchen uns zu verhindern.”

Andere Player im Geschäft mit Verhütungsmitteln sind Natural Cycles aber womöglich positiver gesonnen. Etwa Kondomhersteller. Denn während der „roten“, fruchtbaren Tage braucht es ein Mittel zur Empfängnisverhütung, und Single-Frauen sollten sich bei häufig wechselnden Geschlechtspartnern vor übertragbaren Krankheiten schützen. “Kondomhersteller verkaufen hauptsächlich an Singles. Mit uns können sie auch den Markt von Paaren ansprechen”, sagt Scherwitzl.

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