Kommentar

Northvolt und Lilium crashen: Kann Europa überhaupt Startup?

Northvolt-Fabrik und Lilium-Werkstatt. © Northvolt / Lilium
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Die einen wollten die E-Mobilität auf der Straße mit Hilfe von Batterien grüner machen, die anderen den Flugverkehr auf der Nahstrecke revolutionieren. 2023 waren sowohl Northvolt als auch Lilium noch (scheinbar) gut unterwegs und zählten zu den vielversprechendsten europäischen Scale-ups. Ein Jahr später muss man festhalten: Beide sind implodiert, und ihnen droht, dass internationale Konzerne sich die Rosinen herauspicken, und von den Originalen wenig übrig bleiben wird.

Northvolt, die schwedische Batterie-Hoffnung, und Lilium, der deutsche Flugtaxi-Hersteller, sind gewissermaßen Kinder des 2021er-Hypes rund um startups. Damals erreichten die Investitionen in europäische Startups ein Rekordhoch. 2021 war das Jahr, in dem sich Northvolt mit 2,75 Milliarden Dollar (u.a. von Goldman Sachs, Volkswagen) bei einer Bewertung von 11,75 Mrd. Dollar die größte Finanzierungsrunde des Jahres sicherte. Und 2021 war das Jahr, in dem Lilium per SPAC an die Börse ging, mit einer Bewertung von 3,3 Milliarden Dollar.

Große Opfer des 2021er-Startup-Hypes

Drei Jahre später ist wenig davon übrig. Northvolt kämpft unter Gläubigerschutz in den USA ums Überleben und braucht noch bin zum ersten Quartal 2025 mindestens eine Milliarde Dollar frisches Geld; bei Lilium wird versucht, einen Käufer zu finden. Währenddessen marschieren ihre internationalen Konkurrenten im Batterie- und Flugtaxi-Business weiter nach vorne. Gut möglich, dass sich US- oder chinesische Firmen (Teile von) Northvolt und Lilium schnappen.

Trotz massiver Investitionen haben es beide Unternehmen nicht geschafft, ihre viel gepriesenen Produkte auf den Boden (bzw. in die Luft zu bringen. Kein einziger Passagier ist mit einem LiliumJet von A nach B transportiert worden, und keine Autoflotte fährt mit grünen Akkus aus Schweden; stattdessen musste BMW dieses Jahr einen 2-Milliarden-Dollar-Auftrag zurückziehen und stattdessen bei Samsung SDI in Südkorea bestellen.

„Hardware is hard“, könnte man feststellen. Für einen reichen Kontinent mit starker Industrie aber bitter zu sehen, dass die alten Unternehmen ächzen, während man es nicht schafft, neue Unternehmen hochzuziehen. Jedenfalls muss man Ende 2024 festhalten, dass Northvolt und Lilium die größten Opfer einer Pleitewelle von Startups sind, die nach dem Investitionsrückgang quer durch sämtliche Branchen stattfindet.

Die Parallelen zwischen Northvolt und Lilium:

  • Beide ehemaligen Unicorns arbeiteten an der E-Mobilitätswende – eines am Boden, eines in der Luft
  • Beide ehemaligen Unicorns wurden mit Milliarden finanziert – Lilium mit 1,5 Mrd., Northvolt sogar mit 15 Mrd.
  • Beide ehemaligen Unicorns waren mit Hardware beschäftigt
  • Beide ehemaligen Unicorns fanden zuletzt keine Privatinvestoren mehr
  • Beide ehemaligen Unicorns wurden nicht vom Staat gerettet – weder von Deutschland noch von Schweden
  • Beide ehemaligen Unicorns wurden bis zuletzt als europäische DeepTech-Champions verkauft

Northvolt bedeutet riesige Verluste für Goldman Sachs und Volkswagen

Bloß nicht den Kopf in den Sand stecken

Bei Northvolt und Lilium haben große wie kleine Investoren viel Geld verloren. Goldman Sachs wird bei Northvolt etwa 900 Mio. Dollar Investment abschreiben müssen. Bei Volkswagen, das 2023 seinen Anteil an Northvolt von etwa 21 Prozent mit mit 693 Millionen Euro bezifferte, droht ähnliches. Bei Lilium sind all jene, die Aktien an dem an der Nasdaq notierten Unternehmen besitzen, um ihr Geld gekommen, diese sind nichts mehr wert und wurden aus dem Handel genommen. Das wird künftig sicher nicht dafür sorgen, dass sich Corporates und Investoren auf europäische Hardware-Startups stürzen werden, sondern diesen vielmehr mit Skepsis begegnen werden.

Währenddessen sieht man aber, dass in ganz anderen Bereichen europäische Scale-ups durchaus sehr stark vorankommen. Alleine im Fintech-Bereich haben sich 2024 zumindest drei Gewinner herauskristallisiert, die allesamt 2025 an der Börse gehandelt werden könnten:

  • Revolut liegt bei einer Bewertung von 45 Mrd. Dollar, hat 50 Mio. Kunden, profitabel – IPO ist nur eine Frage der Zeit
  • Klarna hat im vergangenen Quartal Profit gemacht, der IPO an der Nasdaq wird bald folgen, die Bewertung liegt nördlich von 15 Mrd. Dollar
  • Bitpanda, das dieses Jahr mehr als 400 Mio. Euro Umsatz machen könnte, plant den IPO mit einer Bewertung von mehr als 4 Mrd. Dollar

Vielleicht liegt die große Zukunft doch in der Software. Ein gutes Beispiel dafür sind auch jene Unicorns, die im Zuge der Energiewende mit dem Online-Vertrieb von Photovoltaik-Anlagen groß wurden. Auch dort sieht man: Sie setzen schon länger nicht mehr bloß auf Hardware (PV, Wärmepumpen usw.), sondern wollen mit Software für Energie-Management und digitalen Finanzierungslösungen langfristig wachsen.

Lilium-Aktien werden aus der Tech-Börse Nasdaq geworfen

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