Philipp Klöckner

AI-Entwicklung: „Von einer Wand ist eigentlich wirklich nichts zu sehen“

Startup Interviewer: Gib uns dein erstes AI Interview Startup Interviewer: Gib uns dein erstes AI Interview

Es war einer der viel beachtesten Talks auf der OMR-Konferenz: In seinem umfassenden Vortrag „Beyond the AI Hype“ präsentierte Tech-Analyst Philipp Klöckner eine detaillierte Analyse des aktuellen KI-Marktes sowie fundierte Prognosen über die zukünftige Entwicklung der Technologie.

Der Berliner Startup-Veteran und Co-Host des Podcasts „Doppelgänger TechTalk“ beleuchtet dabei sowohl die enormen Fortschritte als auch die potenziellen Risiken der KI-Revolution.

Der KI-Hype-Cycle: Vom Gipfel ins Tal der Enttäuschung

Klöckner bezieht sich zu Beginn auf den Gartner Hype Cycle und stellt fest: „Letztes Jahr war generative KI gerade am Höhepunkt des Hype-Cycles. Wir bewegen uns jetzt in dieses Tal der Enttäuschung hinein, und die Stimmen zu KI werden kritischer und negativer.“ Er konfrontiert die oft geäußerte Befürchtung, KI könnte „gegen eine Wand fahren“ – also an fundamentale Entwicklungsgrenzen stoßen.

„Was tatsächlich passiert ist“, so Klöckner, „ist das hier: Die Modelle sind noch effizienter geworden, sie sind noch leistungsfähiger geworden. Google hat OpenAI überholt mit seinem Gemini-Modell, und die KI hat einfach noch weiter skaliert. Es ist von einer Wand eigentlich wirklich nichts zu sehen.“

Reale Grenzen statt konzeptioneller Mauern

Zwar identifiziert Klöckner einige tatsächliche Einschränkungen für die KI-Entwicklung: „Es gibt echte Restriktionen bei KI. Das ist die Energie, die wir zur Verfügung haben… KI ist unheimlich energiehungrig, und um diese neuen Datacenter zu bauen, haben wir eigentlich nicht genug Strom und Ressourcen.“ Weitere Begrenzungen sieht er in der Chipproduktion, der Verfügbarkeit von Trainingsdaten und Latenzproblemen.

Doch er betont: „Das sind alles Grenzen, die noch weit in der Zukunft liegen, und eigentlich sieht es so aus, als ließe sich KI ganz gut skalieren.“

OpenAI und die Bewertungsexplosion

Beeindruckend ist Klöckners Analyse zur Geschwindigkeit, mit der OpenAI zu einem der wertvollsten Unternehmen der Welt aufgestiegen ist: „Sie sind 300 Milliarden wert geworden dieses Jahr, damit das wertvollste private Unternehmen der Welt. Um 300 Milliarden wert zu werden, mussten andere Unternehmen an die Börse gehen – Microsoft brauchte 41 Jahre, Apple über 30 Jahre.“

Was die Zukunftspläne betrifft, erklärt Klöckner: „OpenAI verspricht in ihren eigenen Prospekten Umsätze für 2027 von 125 Milliarden aus ChatGPT, aus dem API-Zugang für Business-Kunden, aus Agenten, die KI ausüben werden in der echten Welt, und aus Werbeprodukten für Nutzer, die es kostenfrei nutzen.“ Zum Vergleich: „Letztes Jahr hat OpenAI 4 Milliarden Umsatz gemacht. Sie wollen den Umsatz verdreifachen auf 12 Milliarden, dann noch mal mehr als verdoppeln und so weiter.“

Die beeindruckende Leistungsfähigkeit moderner KI-Modelle

Die heutigen KI-Modelle haben laut Klöckner bereits ein intellektuelles Niveau erreicht, das menschliche Fähigkeiten in vielen Bereichen übertrifft: „Modelle werden in allem, was man trainieren kann und messen kann, den Menschen übertreffen oder haben es längst getan. Wenn wir es messen können, wenn man es lernen kann aus Daten aus dem Internet, kann KI es besser.“

Besonders deutlich wird dies bei „Humanity’s Last Exam“, einer Sammlung von 2.500 extrem schwierigen Problemen, die für die meisten Menschen unlösbar sind: „Das beste OpenAI-Modell [kann] inzwischen 30% dieser 2.500 Fragen sehr wohl beantworten – auch das besser als Menschen.“

Auf einer IQ-Skala verortet Klöckner die aktuellen Modelle „alle auf dem Niveau eines Nobelpreisträgers oder da drüber. Also wir hatten riesige Fortschritte letztes Jahr, was die Fähigkeit angeht.“

Deepseek: Der Game Changer aus China

Eine der größten Überraschungen des vergangenen Jahres war laut Klöckner der Launch von Deepseek, einem chinesischen KI-Modell: „Das hat dafür gesorgt, dass die US-Börsen und Weltbörsen weltweit ein bis zwei Billionen US-Dollar an Marktwert über Nacht verloren haben.“ Der Grund: „Deepseek hat es geschafft, ein State-of-the-Art-Modell zu programmieren, was so leistungsfähig war wie die leistungsfähigsten Modelle von OpenAI und den ganzen kommerziellen Playern – und sie haben dafür angeblich nur 6 Millionen US-Dollar gebraucht.“ Letzterer Punkt gilt als wiederlegt, jedoch ist der DeepSeek-Einschlag auf jeden Fall (auch in den Aktienkursen von AI-Playern) zu sehen.

Deepseek nutzte dabei innovative Ansätze, die Klöckner bereits im Vorjahr prognostiziert hatte: „Da habe ich letztes Jahr drüber gesprochen, dass wir mehr Small Language Models, Mix of Expert Models und Compound Models sehen werden. Und auch das hat Deepseek tatsächlich genutzt.“

Die Zukunft der KI-Entwicklung: Mix of Experts und Effizienz

Besonders hervor hebt Klöckner den Ansatz der „Mix of Expert Models“, den er vom menschlichen Gehirn abgeleitet beschreibt: „Wenn wir schreiben, nachdenken, uns erinnern, laufen, singen, sind andere Bereiche des Gehirns aktiviert. […] Wenn ich ein Large Language Model was frage, dann geht es ungefähr so ab: Alle Neuronen oder alle Parameter in dem Fall ballern. […] Was diese Mix of Experts Models machen ist, dass es viele kleine Modelle gibt, die nur einzelne Parameter nutzen.“

Ein weiterer Trend ist die „Destillierung“ von Modellen: „Man kann von einem Lehrermodell ein Schülermodell bauen, dass die meisten Antworten wie der Lehrer genauso gut beantwortet, aber dabei deutlich schlanker ist und deutlich effizienter lernt.“

KI und die weltweite Verteilung von Rechenleistung

Ein geopolitischer Aspekt, den Klöckner beleuchtet, betrifft die Reglementierung von KI-Chips: „Eigentlich sind diese Hochleistungs-KI-Chips reglementiert. Die dürfen nicht nach China exportiert werden, damit China keinen Vorsprung bei KI gewinnt. Die USA hat das untersagt.“

Doch er weist auf Unregelmäßigkeiten hin: „Es ist aber so, dass gerade seit dieser Exportsperre existiert, unheimlich viele Chips nach Singapur verkauft werden. […] Singapur hat 1% der Datacenter der Welt, obwohl fast ein Viertel der Chips von Nvidia nach Singapur gehen.“ Seine Vermutung hat sich bestätigt: „Ein paar Wochen später hat sich dann rausgestellt, die meisten Zeitungen haben drüber berichtet, dass es quasi Schmugglerringe für KI-Chips gibt, die über Malaysia Chips aus Singapur nach China bringen.“

Der Energiehunger der KI

Ein zentrales Problem sieht Klöckner im enormen Energiebedarf: „Eine ChatGPT-Anfrage braucht zehn Mal mehr als eine Google-Anfrage. Wenn ihr ein Bild oder Video generiert, entstehen massive Kosten.“ Die Folgen sind dramatisch: „Die Nachfrage, Stromnachfrage von KI-Datacentern wird die Nachfrage einzelner Länder übersteigen. In der Zukunft, 2034, wird KI mehr Energie verbrauchen als das bevölkerungsreichste Land der Welt, Indien, mit 1,5 Milliarden Einwohnern.“

Gleichzeitig werden die Kosten für die Nutzung (Inferenz) von KI-Modellen drastisch sinken: „Die Kosten dafür sind bis zu 900-fach gesunken. […] Ein Tausendstel der Kosten für Inferenz hat man bei den schnellsten Modellen.“

Das Zeitalter der „Agentic AI“ und Robotik

Laut Klöckner beginnt nun eine neue Ära: „Es ist das Jahr der Agentic AI oder des Agentic Web. Das meint, dass KI jetzt nicht mehr nur Medien generiert oder Texte generiert, sondern KI beginnt, mit der echten Welt zu interagieren.“

Bei Robotern sieht er ebenfalls bedeutende Fortschritte: „Der große Durchbruch, der das letzte Jahr passiert ist, ist, dass Roboter nicht mehr Industrieroboter sind, die einen Task 10.000 Mal reproduzieren können, sondern dass sie sich neuen Umgebungen anpassen können.“

Risiken der KI-Zukunft

Neben allen technologischen Durchbrüchen warnt Klöckner vor erheblichen Risiken. Besonders bedenklich findet er die Überzeugungskraft moderner KI-Systeme: „Mira Murati, die ehemalige CTO von OpenAI, sagt, dass die größte Gefahr, die sie kurzfristig sieht, Persuasion, also Überzeugungskraft der Modelle ist. Modelle sind schon jetzt richtig gut darin, Menschen von anderen Meinungen zu überzeugen.“

Auch im Marketing sieht er disruptive Veränderungen: „In Zukunft könnten Advertiser bei einem Netzwerk Sales bestellen, indem sie sagen, wir sind bereit, so und so viel auszugeben. Und in dem Moment fängt z.B. ein großes Social-Media-Unternehmen an, mir so lange Content, organischen Content zu zeigen von Influencern, wo sie wissen, dass ich darauf reagiere, bis ich dieses Gefühl bei mir erst entwickelt, dass ich dieses Produkt brauche.“

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