Privatsphäre im Netz: Browser-Software hilft Nutzern, schnüffelnde Werbenetzwerke zu blocken
Der Schuh, der einem via Online-Werbung durchs Internet verfolgt und gar nicht zufällig auf verschiedenen Webseiten auftaucht, weil man sich ihn einmal in einem Online-Shop angesehen hat, ist mittlerweile eine beliebte Anekdote auf Digital-Marketing-Konferenzen. Die dahinterstehenden Werbenetzwerke, die mittels Cookies oder Fingerprinting Nutzer auf verschiedenen Webseiten wiedererkennen, stehen seit längerem in der Kritik, die Privatsphäre der User mit dem Tracking zu verletzen.
Nicht umsonst haben Organisationen und Firmn das heikle Thema Tracking als ihren Markt erkannt. In der wachsenden Reihe von Software, die dem Nutzer helfen soll, dieses Tracking zu unterbinden, gibt es folgende Tools:
1. Privacy Badger
Mit dem Add-on Privacy Badger (derzeit für Firefox und Chrome, Opera – Safari und Firefox Mobile in Planung) hat die für Datenschutz eintretende US-Organisation EFF (Electronic Frontier Foundation) eine neue Software veröffentlicht, mit deren Hilfe Internetnutzer verhindern können, dass sie beim Surfen von Werbenetzwerken und anderen Trackern verfolgt werden.
Zwar basiert Privacy Badger auf dem Code von AdBlock Plus, ist aber kein Werbeblocker im eigentlichen Sinn, die mit Blacklists arbeiten. Vielmehr geht es darum: Wenn das Browser-Add-on entdeckt, dass ein Werbenetzwerk den User mittels Cookie, Super-Cookie oder Fingerprinting-Technologie über mehrere Webseiten hinweg verfolgt um ihm zum Beispiel per Retargeting die gleiche Werbung mehrmals zu zeigen, dann unterbindet Privacy Badger, dass dieser Content geladen wird. Für das Werbenetzwerk verschwindet der User plötzlich und wird unsichtbar.
Es gibt aber auch Ausnahmen. Webseiten heute bauen sich in der Regel aus verschiedenen Inhalten zusammen, die von unterschiedlichen Servern stammen, z.B. eingebettete Videos, Karten oder Kommentarsysteme. Privacy Badger kann auch Social Widgets, etwa von Facebook (Like-Button), Twitter, Pinterest oder AddThis blockieren.
2. Disconnect.me
Erhältlich für Chrome, Firefox, Safari und Opera, verspricht Disconnect.me mit einem kostenlosen Browser-Plugin nicht nur, für den Nutzer unsichtbare Netzwerke zu blockieren, sondern auch, durch die Blockade schnelleres Surfen zu ermöglichen, weil dann weniger Daten geladen werden müssen. Das Plugin wird von mhr als einer Million Menschen genutzt, so die Betreiber, zu denen ehemalige Google-Programmierer und ein Ex-NSA-Mitarbeiter gehören. Disconnect.me hat sich vor allem auf Google, Facebook und Twitter eingeschossen, die mit Diensten wie Analytics, dem Like-Button oder dem Tweet-Button in Millionen Webseiten eingebaut sind. Ein kleines Fenster rechts oben im Browser zeigt an, ob Tracking-Technologien dieser drei Internetfirmen (und anderer Firmen) in einer Webseite integriert sind, auf Wunsch kann man sie auch freischalten (nur dann funktioniert z.B. der Like-Button von Facebook).
Im mobilen Bereich bietet Disconnect.me, das von zehn Millionen Nutzern insgesamt spricht, Apps für Android und iPhone an, mit denen man unter anderem Malware und trackende Netzwerke unterbinden kann. Dazu muss man sich allerdings eigen Apps installieren und für die Vollversion 5 US-Dollar pro Monat bzw. 50 US-Dollar für das Jahresabo bezahlen.
3. Ghostery
Ein immer wieder genanntes Browser-Plugin (für Firefox, Chrome, Opera, Internet Explorer und Safari), mit dem der Nutzer einfach einsehen kann, welche für ihn unsichtbaren Tracker und Werbenetzwerke in einer Webseite verbaut sind, ist Ghostery. Ein kleines Fenster rechts unten im Browser zeigt beim Besuch einer neuen Webseite an, welche versteckten Technologien verbaut sind, und der Nutzer kann diese auf Wunsch blocken oder zulassen.
Das Geschäft der Firma, die hinter dem Browser-Plugin steckt, sind aber nicht die Endnutzer, für die das Plug-in kostenlos ist. Vielmehr zählen Unternehmen wie Target, Unilever, Intel, Nike, Netflix, Toyota, Spotify oder TripAdvisor auf der Kundenliste, an die man Produkte wie das „Ghostery Marketing Cloud Management“ verkauft, um etwa unauthorisierte Zugriffe auf Firmennetzwerke zu unterbinden oder die Performance von Online-Werbung (!) auf den Web-Angeboten von Publishern zu verbessern.
4. Adblocker
Ein Dorn im Aug der Publisher und der Werbeindustrie sind seit längerem Werbeblocker wie AdBlock, AdBlock Plus, Adblock Edge oder uBlock, die auf Webseiten störende oder oft sogar alle digitalen Werbeformen ausblenden können. Wie eine Studie von Adobe und PageFair erst kürzlich aufzeigte, nutzen weltweit fast 200 Millionen Menschen solche Werbeblocker, was den Publishern wiederum Umsatzeinbußen im Werbegeschäft von weltweit 22 Mrd. US-Dollar bescheren soll. Die Technologie funktioniert teilweise ähnlich wie bei den oben genannten Plugins. Der Privacy Badger etwa basiert auf dem Code von AdBlock Plus.
In Österreich ist derzeit die Wettbewerbsbehörde damit befasst, Medienhäuser über etwaige finanzielle Schäden zu befragen, die Werbeblocker in Hinblick auf ihre werbfinanzierten Online-Angebote verursachen. In Deutschland haben bereits große Medienunternehmen versucht, die Eyeo GmbH, die AdBlock Plus betreibt, zu verklagen, sind bis dato aber vor Gericht damit gescheitert.
5. Firefox
Weiteren Druck auf die trackende Werbeindustrie könnte auch bald von Seiten Mozilla kommen. Der Firefox-Hersteller kürzlich verkündet, in eine der nächsten Versionen des populären Browser einen Privatmodus einzubauen, der automatisch Elemente auf Webseiten blockiert, die einen Nutzer durchs Netz tracken können. Nutzer müssten dann nicht mehr extra Plugins installieren, sondern lediglich den Privacy-Mode beim Surfen aktivieren.
Ein Problem, mit dem alle Anbieter dieser oder ähnlicher Software haben, ist ihre Reichweite bzw. ihre Effektivität im Mobile-Bereich. Dort greifen Nutzer hauptsächlich über native Apps auf Internet-Dienste zu oder verwenden häufig die vorinstallierten Browser Chrome (Android) oder Safari (iOS), um zu surfen. Bei diesen ist es ungleich komplizierter oder sogar unmöglich, sich Plug-ins zu installieren, mit denen man Werbenetzwerke oder Tracker blockieren kann. Währenddessen kämpfen dieser wiederum damit, dass das Tracking per Cookie auf mobilen Geräten nur schwer möglich ist. Im mobilen Werbegeschäft sind deswegen vor allem jene Werbefirmen im Vorteil, deren User sich in Apps anmelden und danach auf Basis ihrer Daten personalisierte Werbung zu sehen bekommen – allen voran Facebook, das nicht nur in reichweitenstarke App hat, sondern mit seinem Login in viele andere Apps eingebaut ist.