Interview

Maria Baumgartner von HROS.io: „Wir hätten es in der Hand gehabt und haben es vergeigt“

Maria Baumgartner, Gründerin Speedinvest Heroes
Maria Baumgartner, Gründerin Speedinvest Heroes
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Sie starteten als die HR-Agentur des größten österreichischen VCs Speedinvest, pivotierten dann später zum HR-Tech-Startup – und haben nun beschlossen, dicht zu machen. HROS.io (früher Speedinvest Heroes) musste am Mittwoch nachmittag den schweren Gang zu Gericht machen, um Konkurs anzumelden. Damit schließt eine Firma, die lange Zeit im Herzen der österreichischen Startup-Szene operierte und zahlreiche Scale-ups und Tech-Firmen in In- und Ausland mit Personal ausstattete.

Warum es zu der Entscheidung kam, Konkurs anzumelden, erklärt CEO Maria Baumgartner Trending Topics im Exklusiv-Interview. Hier geht aus auch zum Podcast, wer Baumgartner direkt zuhören will:

HROS: Warum das Wiener HR-Startup zusperrt – feat. Gründerin Maria Baumgartner

Zuerst einmal die Frage: Wie geht es dir?

Maria Baumgartner: Das ist für mich schon ein herausfordernder und trauriger Tag, weil ich tatsächlich Konkurs anmelde. Im Kopf wissen wir alle, dass Startups natürlich scheitern dürfen, manchmal funktioniert es nicht. Aber persönlich hat man natürlich acht Jahre lang Kraft und Energie und Liebe und Geld reingesteckt und das fühlt sich schon scheiße an, muss ich sagen.

Nach viel Kampf und nach vielem Überlegen und Diskussionen haben wir uns dazu entschieden. Ich bin auch froh, dass du mich eingeladen hast, weil ich auch gerne darüber reden möchte. Das ist nicht leicht, aber manchmal notwendig. Man ist schon alleine in dieser Situation und trifft harte Entscheidungen. Man hat eine gemeinsame Struktur und Kultur aufgebaut.

Fangen wir mal ganz von vorne an. Was habt ihr mit Heroes gemacht?

Ich habe HROS.io (anfangs Speedinvest Heroes, Anm.) vor acht Jahren gegründet, bin aber in der Startup-Szene nicht neu, habe schon 1999 mein erstes Startup verkauft. Ich bin ein Dinosaurier in der Startup-Szene. Ich habe dann Speedinvest Heroes gegründet mit der Idee, für Startups, für das Ökosystem und für den Innovationsbereich Talente zu suchen, mit stark datenbasiertem Recruiting.

Wir haben dann auch ein Produkt entwickelt, und da liegt wahrscheinlich der erste Fehler, den ich gerne teilen möchte. Wir wollten Service-Company und Tech-Company in einem haben.

Damit sind wir gleich bei den Gründen. Warum hat es denn am Ende nicht geklappt? Es gab 2021 und 2022 die Hype-Jahre mit Unicorns, dann folgte die große Ernüchterung in Folge von Zinswende und Ukrainekrieg.

Wir sind von einer Krise in die nächste, selbst wenn es der Startup-Szene auch während und nach Corona gut gegangen ist, haben wir da ja schon alle gekämpft, auch wieder um Kultur, um Zusammenhalt, Strukturen. Es war natürlich eine Zeit, wo wir sehr erfolgsverwöhnt waren, wir sind so ein bisschen wie die Made im Speck in der Mitte gesessen sind. Wir haben sehr viel Inbound Sales bekommen, und das hat sich dann halt im letzten Jahr zum Beispiel auch von Juni bis zum September drastisch geändert. Die Anfragen gingen auf ein Zehntel runter.

Was ich nicht geschafft habe, ist, den Fokus zu behalten. Ich wollte eine funktionierende Service Company, aber eben auch daneben diesen Tech-Bereich zumindest inkubieren. Es war mir schon klar, dass man das ausgliedern muss. Man hat zwischen den Mitarbeitern in diesen unterschiedlichen Teams unterschiedliche Interessen, die einen müssen wirtschaften und die anderen brauchen Zeit, um ein Produkt zu entwickeln. Dadurch fangen Spannungen an, und ich habe es dann nicht mehr geschafft, diese Klammer zu halten.

Das Zweite ist: Man sollte immer alles früher machen. Ich melde jetzt Konkurs an, aber wir hätten schon vor einem Jahr wunderbar eine Sanierung machen und uns wieder auf das Kern-Business fokussieren können. Wir haben halt daran geglaubt. Das werfe ich mir ja auch nicht vor. Ich glaube, dass die strategische Entscheidung für das Produkt richtig war. Es war taktisch nicht richtig, also nicht zum richtigen Zeitpunkt. Wir haben nicht genügend Ressourcen gehabt. Das Marktumfeld war nicht da. Das heißt, taktisch war es blöd, strategisch war es richtig.

Kommen wir zum Strategischen. In vielen Firmen gibt es die eigentlich natürliche Entwicklung, dass man von einem Service-Agentur-Modell hin in den Tech-Bereich geht.

Genau, das hat sich so entwickelt, und wir haben gesagt, unser Serviceteam ist dann Customer Support, aber wir haben dann gesehen, das geht sich nicht aus. Trotzdem hat das Serviceteam viel vom Umsatz gemacht, und das Produkt ist quer subventioniert worden und hat dann ein bisschen zu viel Aufmerksamkeit gehabt als die, die eigentlich das Geld verdient haben. Dadurch ist es auch ein bisschen auseinander gedriftet. Wir haben dann sehr schnell reagiert und wollten es trennen, aber dazu haben wir dann das Geld nicht mehr gehabt.

Wie wurde der HR-Sektor von den Multi-Krisen getroffen? 2021 war vermutlich super, da brauchten die Scale-ups und Unicorns ja oft Hundertschaften an Personal. Wahrscheinlich eine gute Phase für euch?

Das war super, genau. Da haben wir teilweise absagen müssen, weil wir nicht so schnell Personal aufbauen konnten und auch keine Freelancer zur Verfügung waren. 2022 ist das Schritt für Schritt zurückgegangen, und wir haben diesen Pivot hin zum Produkt auch sehr bewusst gemacht. Wir stellten das Produkt in den Vordergrund. Wir haben aber gelernt: Alles, wo es zum Endkunden hingeht, selbst wenn es ein B2B-Produkt ist, braucht einfach Marketing-Geld, und das haben wir einfach nicht gehabt.

Du kannst noch so eine gute Idee haben und noch so ein gutes Produkt, wenn du es nicht bewerben kannst. Dann haben wir begonnen zu sparen, um einen längeren Runway zu haben und geschaut, dass wir die Finanzierungsrunde schaffen. Wir haben uns sechs Monate gegeben, die Finanzierungsrunde haben wir dann nicht geschafft.

Der HR-Markt hat sich auch gedreht? Ab 2022 war in der Tech-Welt vor allem von Massenkündigungen die Rede.

Alle Startups haben von ihren Investoren gehört: Bitte spart, ihr müsst euren Runway verlängern. Das ist natürlich blöd für ein Produkt, das darauf angewiesen ist.

Und dann kommt irgendwann der Tag X oder der Moment X, an dem man feststellt: Okay, jetzt ist aus.

Genau. Das ist dann die Rolle der Geschäftsführung, zu sagen, ja, es muss jetzt aus sein. Man muss seine Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen schützen, dass sie auch wirklich zu ihrem Geld kommen. Da kann man Österreich eh dankbar sein, da gibt es einen guten Insolvenz-Fonds. Aber wir haben halt auch Mitarbeiterinnen aus Brasilien und sind alleine da und auf ihr monatliches Geld angewiesen. Da hat man in viele Richtungen plötzlich Verantwortung. Es sind plötzlich in einem Monat so viele Entscheidungen, die du für oder gegen etwas treffen musst. Hätte ich diese Informationen, die ich jetzt habe, gehabt, hätte ich vor einem halben Jahr ein Sanierungsverfahren eröffnet, hätte die Firma entschulden können und hätte dafür noch das Kapital gehabt.

Ich habe das Glück, einen guten Berater zu haben, der einen da durchführt und der auch sagt: Du brauchst dich nicht schämen, das ist quasi normal, du brauchst dich auch nicht für etwas verantworten, sondern sowas passiert, du bist nicht die Einzige, der das passiert. Es ist schon gut, dass jemand da ist, der das sagt, weil man geht nicht mehr so gerne auf Events. Man ist halt erfolgsverwöhnt und plötzlich denkt man sich: Jetzt hat man es nicht geschafft. Das Scheitern soll ja auch wehtun, es soll ja auch nicht leicht sein.

Gründerinnen und Gründer sind oft Persönlichkeiten, die einen Stolz haben, wahrscheinlich ein bisschen selbstbewusster sind als andere manchmal ein ausgeprägtes Ego haben. Ist ihre Fallhöhe größer als bei anderen?

Ich weiß nicht, ob die Fallhöhe eine Größere ist. Es sind natürlich Menschen, die es gewohnt sind, zu sprechen und präsent zu sein. Es ist, glaube ich, die große Frage immer, wie man stolz sein, aber nicht zu stolz und demütig, aber nicht zu demütig ist. Also diese gute Balance zu finden. Es geht ja auch um langjährige Partner, die nicht ihr gesamtes Geld zurückbekommen. Ich glaube, diese feine Linie zu finden, das ist nicht leicht. Ich finde es aber umso wichtiger, sich dem zu stellen und zu sagen: Ja, es ist so. Man muss Dinge probieren, gerade im Startup-Umfeld muss man sie probieren. Aber manche werden auch scheitern und wir sind leider gescheitert.

Wie geht es jetzt weiter? Ist es eine Option, wenn sich der Staub gelegt hat, wieder zu gründen?

Ich werde jetzt zuerst einmal alles bestmöglich abwickeln und diese Verantwortung übernehmen. Mir dann eine Pause gönnen, und natürlich werde ich wieder was gründen. Ich glaube, wenn man mal da drinnen ist in dieser Welt, dann ist das ja auch das, was man liebt: Etwas Neues mit einem super Team gemeinsam zum Leben zu erwecken.

Was ist dein große Learning aus diesem Prozess? Welches Zwischenfazit ziehst du?

Wir hatten zu wenig Fokus. Ich war übermütig. Dieses Thema Stolz und Demut ins Gleichgewicht zu bringen, ich glaube, das ist meine Message, die ich gerne noch einmal sagen möchte. Ich und wir waren als Firma sehr erfolgsverwöhnt. Wir waren “in the middle of the ecosystem”, also wir waren mittendrin. Wir hätten es in der Hand gehabt und wir haben es vergeigt, indem wir unseren Fokus nicht beibehalten haben und ein paar falsche Entscheidungen getroffen haben. Dazu stehe ich auch.

Also bitte, behaltet euren Fokus!

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