Ökosystem

Startup-City Linz: Hoffnung der Wirtschaft, Spielball der Politik

So soll die Tabakfabrik mit dem Neubau aussehen, der ab 2020 hochgezogen wird. © Expressiv

„Es wäre toll, wenn die Linzer Tabakfabrik so wird wie das Wiener Museumsquartier“, sagt Georg Tremetzberger von der Creative Region Oberösterreich, die ihren Sitz in dem denkmalgeschützten Gebäude hat. Die ehemalige Produktionsanlage soll Zentrum für kreative und innovative Jungunternehmer werden – das Projekt ist eines der Aushängeschilder von Bürgermeister Klaus Luger (SPÖ) und Landeshauptmann-Stellvertreter Michael Strugl (ÖVP). „Linz soll die Stadt der Startups werden – als europäische Antwort auf die Gründerkultur im Silicon Valley“, sagte Luger vergangenes Jahr beim Kick-off zum Startup Campus in der Tabakfabrik. Die Linzer Startup-Szene ist nicht nur Hoffnung der Wirtschaft, sondern auch Spielball der Politik.

Mehr als 100 Millionen Euro für Tabakfabrik-Umbau

Ab 2020 wird die Tabakfabrik um mehr als 110 Millionen Euro ausgebaut. Das sprengt die Budgets von Stadt und Tabakfabrik, weshalb nach einer Ausschreibung die Tiroler Firma Bodner als Bauherr auftreten und den Neubau danach auch verwalten wird. Der niedrigste Bauteil ist nicht denkmalgeschützt und wird durch einen neuen Bauteil mit einem 81 Meter hohem Turm ersetzt. Dort sollen Wohnungen, Geschäfte und, auf Wunsch von Luger, auch eine HTL für Digitalisierung unterkommen.

In den bestehenden, denkmalgeschützten, Hallen brodelt es jetzt schon und demnächst ist auch ein fast 6.000 Quadratmeter großes Startup-Projekt startklar: In die Strada del Startup sollen im Juni die ersten Firmen und Jungunternehmen einziehen. Entlang einer 230 Meter langen Promenade, die direkt an den Coworking-Space Factory300 anschließt, wurden kleine Büro-Parzellen eingerichtet und in der „Grand Garage“ kommt ein Maschinenpark für die Erstellung von Prototypen unter.

Startup300: vom Coworking-Büro zu 3.470 Quadratmetern

Wenn man heute den mächtigen Innenhof der Tabakfabrik betritt, steht man nicht zwischen Kunst und Schanigärten wie im Wiener Museumsquartier, sondern lediglich auf einem sehr großen Parkplatz. Vor zwei Aufzügen wehen schwarze Werbefahnen der „Factory300“ im Wind.

 Die Tabakfabrik aus der Luft. © Tabakfabrik, Montage: Trending Topics

Die Factory300 ist der Coworking-Space des Business-Angel-Netzwerks Startup300, das in der Tabakfabrik seinen Sitz hat. Das private Unternehmen bespielt in den ehemaligen Produktionshallen insgesamt 3.470 Quadratmeter. Den Großteil davon wird die „Strada del Startup“ einnehmen. Eingezogen ist Startup300 erst vergangenes Jahr, als klar war, dass die Tabakfabrik zu einem Startup-Zentrum ausgebaut werden soll. Bis dahin hatte die Firma ihren Sitz im Haus eines Gründers und ein Büro im Coworking-Space Axis, der ebenfalls in der Tabakfabrik untergekommen ist. „Wir waren viel unterwegs und brauchten eigentlich nicht mehr Platz“, sagt Startup300-Co-Founder Bernhard Lehner.

Volle Events in der Factory300

Das hat sich jedoch schnell geändert. Mit dem Einzug in die Tabakfabrik kam mit der Factory300 ein Coworking-Space dazu und mit Think300 eine Plattform zur Vernetzung von Startups und etablierten Firmen. Die Factory300 ist modern eingerichtet – entsprechend der denkmalgeschützten Ziegelhallen in industriellem Schick. Viele der großen Arbeitstische unter den markigen schwarzen Drahtlampenschirmen sind leer. Nur zwei kleine Teams arbeiten konzentriert an ihren Projekten und in einem der verglasten Besprechungsräume findet ein Meeting statt.

Um hier arbeiten zu dürfen, muss man Factory-Mitglied sein – derzeit umfasst die Community rund 400 Personen, fast ein Drittel davon sind Frauen. Mitglieder können auch an diversen Veranstaltungen und Workshops teilnehmen. In den frühen Abendstunden wird es regelmäßig lauter: Die Factory300 ist beliebter Veranstaltungsort für Startup-Events, aber auch für große Firmen und Organisationen wie etwa die Industriellenvereinigung.

Lehner hat Startup300 2015 gemeinsam mit Michael Eisler gegründet. Beide sind in der Szene Österreichs bekannte Gesichter: Eisler ging mit seinem gehypten Wappwolf ins Silicon Valley, scheiterte und kehrte 2015 nach Linz zurück. Lehner hatte bereits bei der Entstehung der Wiener Startup-Szene seine Finger im Spiel, als er gemeinsam mit Markus Wagner 2008 die Risikokapital-Firma i5invest gründete, die damals noch Inkubator und Coworking-Space war.

Im akostart hat alles begonnen

Was i5invest in Wien war, war in Linz das akostart: die erste privat geführte Startup-Heimat der Stadt. Das akostart kümmert sich um junge Unternehmen, die sich noch in der Ideenfindungs- und Orientierungsphase befinden. „Wir verstehen uns als Pre-Incubator“, erklärt Gründer Gerold Weiß. Die akostart-Räume erinnern an ein klassisches Büro mit Empfangsbereich und Schreibtischen hinter halbhohen weißen Büroschränken, die in der Mitte des großen Raumes einen engen Gang bilden – 27 Arbeitsplätze gibt es insgesamt. In einem großen hellen Raum stehen ein Wuzzler, ein Besprechungstisch und zwei Sofas. „Früher hat sich die Szene hier getroffen – es war immer wie ein kleines Klassentreffen“, erzählt Weiß. „Jetzt hat sich der Treffpunkt in die Tabakfabrik verlagert“.

Gerold Weiß im Besprechungsraum des akostart. © Trending Topics
Gerold Weiß im Besprechungsraum des akostart. © Trending Topics

Junge Menschen mit einer Geschäftsidee sollen höchstens zwei Jahre im akostart bleiben. „Es geht darum, die Idee auszuarbeiten und sich zu überlegen, ob man das Projekt wirklich umsetzen kann und will“, sagt Weiß. Die Nutzung der akostart-Infrastruktur ist für Jungunternehmer übrigens kostenlos. Zu Beginn lebte der Verein ausschließlich von privaten Sponsoren wie der Sparkasse oder Kanzleien, heute fördert das Land Oberösterreich akostart jährlich mit rund 70.000 Euro. Weiß fühlt sich an der Schnittstelle zwischen Ausbildung und Unternehmertum wohl: Er hält seit 18 Jahren Vorträge an Linzer Unis, um mehr Studenten das Gründen schmackhaft zu machen und leitet das Gründerzentrum der oberösterreichischen Fachhochschulen.

Der größte Inkubator Österreichs

Linz ist ein kleines Förder-Paradies. „Das tech2b ist der größte Inkubator Österreichs“, sagt Geschäftsführer Markus Manz stolz. Aktuell werden hier mehr als 40 Projekte betreut, vergangenes Jahr waren es mehr als 60. Das tech2b ist im Techcenter beheimatet, ein Koloss aus Beton und Glas am Linzer Winterhafen, der 2002 um rund 26 Millionen Euro errichtet wurde. Fast ein Drittel der Kosten haben Bund, Oberösterreich, Linz und ein Förderprogramm der EU übernommen. Hier sollte sich die Stahlstadt zur IT-Metropole wandeln. Noch im selben Jahr ist das tech2b gegründet worden und hier eingezogen.

Jährlich erhält das tech2b vom Land Oberösterreich und Bund schätzungsweise rund eine Million Euro Budget. 416.000 Euro kamen 2016 vom Land, wie aus dem aktuellsten Förderbericht von Oberösterreich hervorgeht. Wieviel Geld der Bund zuschießt, war über das zuständige aws nicht herauszufinden. 2017 wurde das Budget für insgesamt sechs A-plus-B-Förderzentren in Österreich für die nächsten fünf Jahre mit insgesamt 16 Millionen Euro festgelegt. Die einzelnen Förderstellen, das tech2b ist eine davon, erhalten laut Aussendung davon jeweils maximal vier Millionen Euro, also maximal 800.000 Euro pro Jahr.

tech2b: „Wir suchen das Risiko“

Je nach Programm werden Startups im tech2b mit bis zu 10.000 Euro gefördert und durchlaufen bis zu eineinhalb Jahre lang einen Inkubator. In den tech2b-Räumen sind einige bekannte oberösterreichische Startups gewachsen: payolution von Michael Altrichter und Stefan Kalteis, Runtastic, Tractive und rudy games gehören zu den Alumni. „Wir suchen das Risiko“, sagt Manz. Deshalb würde der Fokus vor allem auf Hightech, Hardware aber auch auf MedTech liegen.

2013 war das tech2b insolvent und musste vom Land mit 800.000 Euro aufgefangen werden. Der Rechnungshof prüfte und kritisierte vor allem den hohen Verwaltungsaufwand und die Intransparenz bei der Vergabe. Manz übernahm das Ruder und führte den Inkubator wieder in die Gewinnzone. Heute ist das Team kleiner und betreut ein Vielfaches der Startups als noch vor fünf Jahren.

Pier4 vernetzt Startups und Unternehmen

Startup300 ist zwar in einige tech2b-Absolventen investiert, die Zusammenarbeit ist laut Manz aber eher lose. Immerhin sitzt ein Vertreter von Startup300 im Vergabebeirat des Inkubators. „Wir können nicht so eng mit privaten Investoren zusammenarbeiten, weil wir neutral bleiben müssen“, meint Manz. Seit etwa drei Jahren vermittelt das tech2b auch zwischen großen Unternehmen und Startups, um an gemeinsamen Innovationsprojekten zu arbeiten – ganz ähnlich, wie das Startup300 mit der Abteilung Think300 tut. Seit 2017 ist das tech2b-Programm als Pier4 institutionalisiert und umfasst Projekte mit 15 Großunternehmen. Die Firmen bezahlen für diesen Service – laut Manz lediglich einen kostendeckenden Beitrag.

Startup-City Linz: Hoffnung der Wirtschaft, Spielball der Politik

Neue Werft: Konzernzentrale und Startup-Büro

Nur etwa zehn Minuten Fußweg vom Techcenter entfernt, soll sich ein weiterer Startup-Hotspot entwickeln. Der Fußweg zur „Neuen Werft“ führt entlang einer stark befahrenen Straße, vorbei an Industrie-Hafen-Gebäuden, manchmal nur auf einem schmalen Streifen Wiese zwischen Fahrbahn und parkenden Autos. „Ohne Auto kommt man hier nur schwer her“, sagt Florian Lettner, der mit seinem Startup Fretello in der Neuen Werft eingezogen ist. „Der Bus fährt nur alle 15 Minuten“. Das börsennotierte IT-Unternehmen S&T hat in der Neuen Werft seine Konzernzentrale eingerichtet – das Gebäude gehört aber dem Techcenter, das mehr als die Hälfte der Umbaukosten getragen hat. Zwei Stockwerke sind für jüngere IT-Firmen reserviert und die Vermietung der 2.600 Quadratmeter organisiert das Techcenter. Neben den Startups Storyclash, Butleroy oder Fretello ist beispielsweise auch Daniel Mattes‘ AI-Firma 42.cx in einem der Büros untergekommen. Für junge Startups gibt es eine Miet-Förderung.

Die Neue Werft am Winterhafen in Linz. © Trending Topics
Die Neue Werft am Winterhafen in Linz. © Trending Topics

Es sind geschlossene schlichte Büroparzellen, die bei Bedarf mit benachbarten Parzellen verbunden werden können. „Wenn etwas frei wird, wird zunächst intern gefragt, ob einer der Mieter Bedarf hat“, sagt Lettner von Fretello. Das junge Startup hat Glück gehabt. Direkt neben ihrem Büro war ein Raum frei und demnächst wird durchgebrochen. Das Gebäude ist ausgelastet und die Warteliste lange. Die Neue Werft gilt als Vorzeigeprojekt von Vizebürgermeister Bernhard Baier (ÖVP), der auch im Aufsichtsrat des Techcenters sitzt, und soll sich zu einem lebendigen Zentrum entwickeln. Fretello-Gründer Lettner zeigt aus dem Fenster auf einen großen Schotterparkplatz, der sich in einen pulsierenden Außenbereich mit Gastronomie verwandeln soll. Eventuell wird auch der nahe gelegne Linzer Posthof in das Konzept eingebunden.

Florian Lettner (CEO) and Wolfgang Damm (CTO) vom Linzer Startup Fretello. @ Jakob Steinschaden
Florian Lettner (CEO) and Wolfgang Damm (CTO) vom Linzer Startup Fretello in ihrem Büro. © Jakob Steinschaden

tech2b und akostart ziehen in die Tabakfabrik

Bis es so weit ist, konzentriert sich das Leben der Startup-Szene noch auf die Tabakfabrik, die in den kommenden Jahren eine noch stärkere Sogwirkung entwickeln dürfte: sowohl akostart, als auch tech2b werden hier künftig unterkommen. Der Standort ist aber nicht nur für die Startup-Szene spannend. Der IT-Dienstleister Catalysts, der auch Teil des Startup300-Netzwerks ist, hat sich im Erdgeschoß der Tabakfabrik ein geräumiges, schickes Büro eingerichtet. Dazu wäre es aber fast nicht gekommen. Das Eishockey-Stadion an der anderen Seite der Donaulände hätte hier beinahe einen großen Fanshop durchgesetzt – angeblich auf höchster Ebene. Startups und IT-Firmen stoßen dort allerdings derzeit auf mehr offene Ohren als der Sport.

Hinweis: Startup300 ist Investor von Trending Topics.

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