Kommentar

Willkommen im neuen Acqui-hire-Paradies… Europa

Rückenwind für Europa. © Antoine Schibler auf Unsplash
Rückenwind für Europa. © Antoine Schibler auf Unsplash
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Zuerst war auf der anderen Seite des Atlantiks oder in Indien Panik angesagt, dann rauchten die Köpfe und Rechner, und schließlich war klar: Die neue geplante Gebühr für H-1B-Visa in den USA für internationale Fachkräfte wird insbesondere die Tech-Industrie treffen.

Präsident Trump hat am 19. September 2025 eine Verordnung unterzeichnet, die eine neue Gebühr von 100.000 US-Dollar für jede neue H-1B-Visumanmeldung vorsieht, die nach dem 21. September 2025 eingereicht wird. Ziel ist eigentlich, Missbräuche im H-1B-Programm einzudämmen und amerikanische Arbeitsplätze zu schützen. Die Gebühr gilt nur für neue Anträge, nicht für bestehende Visa oder Verlängerungen. Die Maßnahme betrifft insbesondere die Technologiebranche im Silicon Valley, wo viele Firmen auf H-1B-Visa für hochqualifizierte Arbeitskräfte angewiesen sind.

H-1B-Visa: Milliardenkosten für Tech-Konzerne

Dabei führt die neue Gebühr zu erheblichen Kostensteigerungen. Die neue Gebühr wird als „einmalige Zahlung“ für jeden neuen Antrag eingeführt und übersteigt die vorherigen Visa-Kosten wesentlich – diese lagen bisher zwischen 1.700 und 4.500 US-Dollar lagen. Zum Beispiel wird geschätzt, dass Amazon, das Ende Juni 2025 über 14.000 H-1B-Visa-Inhaber beschäftigte, potenziell bis zu 1,4 Milliarden US-Dollar zusätzliche Kosten durch die Gebühr tragen müsste. Microsoft, Meta, Apple und Google haben jeweils über 4.000 H-1B-Visa-Inhaber, was Kosten in mehreren hundert Millionen Dollar für jedes Unternehmen bedeutet.

In Indien stehen vor allem IT-Dienstleister wie TCS, Infosys und Wipro unter immensem Kostendruck, da für sie durch durch die neue Gebühr Mehrkosten von mehreren hundert Millionen Dollar drohen, die ihre Gewinnmargen (EBITDA) um 7-15% mindern könnten. Insgesamt also sowohl in den USA als auch in Asien kein Trump-Gesetz, das groß begrüßt wird, auch wenn sie CEOs von Nvidia oder OpenAI positiv äußerten (wohl wissend, dass sie für ihre massiven KI-Ausbaupläne auf dem Trump-Ticket sitzen).

Freudiger Empfang in Europa

In Europa hingegen wurde das Geschehen zuerst mit Zurückhaltung, dann aber schnell mit offenem Jubel begrüßt. Denn schnell hat sich eine neue Option aufgetan für den vor allem in Tech-Angelegenheiten gebeutelten Standort: Reshoring und Offshoring.

Offshoring bezeichnet die Verlagerung von Unternehmensfunktionen oder -prozessen ins Ausland, meist um von günstigeren Arbeitskosten, Abgaben oder speziellen Ressourcen im Ausland zu profitieren. Wenn nun US-Tech-Unternehmen es zu teuer wird, neue Fachkräfte via H-1B-Visa ins Land zu holen, dann könnte es für sie viel attraktiver werden, Niederlassungen in Europa aufzumachen und die Talente dort zu beschäftigen. Kulturelle Nähe, sehr gute Ausbildung und Forschung, hohe Lebensqualität und einige Dinge mehr sprechen dafür, dass in EU-Ländern vermehrte US-Aktivität zu sehen sein wird.

Was aber noch zusätzlich passieren könnte: Immer mehr US-Unternehmen könnten sich geneigt fühlen, so genannte Acqui-hires (ein Kunstwort aus „acquisition“ und „hiring“) am Alten Kontinent durchzuführen, um schnell an bereits funktionierende Teams und Standorte zu gelangen und das Europageschäft aufzubauen. Hier bieten sich natürlich Startups und Scale-ups an, die bereits entsprechende Strukturen und Know-how besitzen – und sich kaufen lassen.

Kaufrausch bei AI-Scale-ups

Im KI-Bereich hat man bereits auch ohne H-1B-Neuregelung gesehen, dass europäische Scale-ups bzw. Unicorns wichtige Übernahmeziele für US-Unternehmen geworden sind. Hier einige Beispiele:

  • Sana für 1,1 Milliarden Dollar an Workday verkauft
  • Cognigy für knapp eine Milliarde an NiCE verkauft
  • AMD Silo AI für knapp eine Milliarde (einschließlich Incentives) an AMD verkauft

Offshoring ist für Europa eigentlich nichts neues, auch wenn es bisher vor allem intra-kontinental stattgefunden hat. Westeuropäische Ländern wie Deutschland, Frankreich, Österreich und der Schweiz haben Produktions- und Dienstleistungsaufgaben in kostengünstigere Länder innerhalb Europas verlagert, vor allem in osteuropäische Länder wie Polen, Rumänien oder Ungarn – typisch ist dafür die Autoindustrie.

Nun könnte es durch Trumps H-1B-Neuregelung noch einmal eine West-nach-Ost-Bewegung geben – diesmal aber nicht von Westeuropa nach Osteuropa, sondern von den USA in die EU.

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