Studie

Atlantische Umwälzströmung: „Wärmepumpe“ Europas so schwach wie seit 1.000 Jahren nicht mehr

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Es sind beängstigende Szenen, die der Katastrophenfilm „The Day After Tomorrow“ zeichnet: Gigantische Flutwellen überschwemmen Manhattan, meterdicke Schneemassen begraben den Eiffelturm unter sich und Tornados zerfetzen Siedlungen in den Hollywood Hills. Die Ursache der Katastrophe: Durch die globale Erwärmung kommt der Golfstrom zum Erliegen. Das hat vor allem für die Nordhalbkugel dramatische Folgen. Die Strömung wird nicht umsonst „die Wärmepumpe des Atlantiks“ genannt.

Während die jährliche Tagestemperatur im kanadischen Calgary durchschnittlich bei rund 10°C liegen, hat es im deutschen Solingen im Schnitt 14°C. Und das, obwohl die beiden Städte auf demselben Breitengrad liegen. Europa hat der Atlantischen Umwälzströmung (AMOC), zu der auch der Golfstrom gehört, sein mildes Klima zu verdanken. Wie genau die Strömung funktioniert? Kaltes, schwereres Wasser im Polarkreis sinkt ab und wird in den Süden transportiert. Es entsteht eine Sogwirkung und warmes Wasser aus den Tropen wird an der Ozeanoberfläche in den Norden gepumpt. Kommt der Strom zum Erliegen, droht eine „The Day After Tomorrow“ ähnliche Eiszeit an der Ostküste Nordamerikas und in Europa.

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Das hochkomplexe System rund um Meeresströmungen sorgt für ein ausgeglichenes Weltklima. © istockphoto

Kipppunkt fast erreicht

Natürlich hat Hollywood die Ausmaße und vor allem die Geschwindigkeit der Katastrophe überzeichnet. Neue Erkenntnisse aus mehreren Studien deuten aber in eine alarmierende Richtung: Der Klimaforscher Niklas Boers vom Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung (PIK) warnt kürzlich im Fachmagazin „Nature Climate Change“, dass die Wärmepumpe Europas möglicherweise zu erliegen droht. So schwach wie jetzt war die Strömung seit 1.600 Jahren nicht mehr, so die Warnung des Forschers. Unklar ist bisher, ob dahinter nur eine Veränderung des mittleren Zirkulationszustands oder wirklich ein Verlust an dynamischer Stabilität steckt. Laut Boers würde eine Verringerung der Stabilität bedeuten, dass sich die Atlantikströmung jener kritischen Schwelle annähert, bei der die Strömung zusammenbrechen könnte.

Für seine Untersuchungen hat Boers die sogenannten Fingerabdrücke der AMOC untersucht, die diese  in den Temperatur- und Salzgehaltsmustern der Meeresoberfläche des Atlantiks hinterlässt. „Eine detaillierte Analyse dieser Fingerabdrücke in acht unabhängigen Indizes deutet nun darauf hin, dass die Abschwächung der AMOC während des letzten Jahrhunderts in der Tat wahrscheinlich mit einem Stabilitätsverlust verbunden ist“, so Boers in einer Mitteilung des PIK.

Die Strömung wird sowohl von den direkten Auswirkungen der Atlantik-Erwärmung, als auch durch den Zufluss von Süßwasser durch schmelzende Eismassen, zunehmenden Niederschlag und Wasser aus Flüssen beeinflusst. Es ist schon länger klar, dass der menschengemachte Klimawandel das Eis an den Polkappen zum Schmelzen bringt und das Meer erwärmt. Dadurch sinkt der Salzgehalt in der Polregion. Das Wasser wird zudem immer wärmer. Beide Einflussfaktoren haben zur Folge, dass das kältere Wasser im Polarkreis nicht mehr so stark absinkt und die Sogwirkung des Stroms abnimmt. Mit den aktuellen Ergebnissen wird das Ausmaß der Rückkoppelungseffekte klar. „Ich hätte nicht erwartet, dass die zusätzlichen Mengen an Süßwasser, die im Laufe des letzten Jahrhunderts in den Ozean flossen, bereits eine solche Reaktion der AMOC hervorrufen würden“, so Boers. „Wir müssen unsere Modelle dringend mit den vorliegenden Beobachtungen in Einklang bringen, um zu beurteilen, wie weit die AMOC tatsächlich noch vom kritischen Schwellwert entfernt ist.“

 

 

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Drohende Eiszeit

Mit seinen Untersuchungen und den damit verbundenen alarmierenden Ergebnissen ist der deutsche Forscher nicht allein. Auch andere Studien machten bereits auf die gefährdete Strömung und den damit einhergehenden Folgen aufmerksam. „Wenn wir die globale Klimaerwärmung nicht schnell stoppen, müssen wir befürchten, dass die atlantische Strömung immer langsamer wird“, sagt auch Alexander Robinson von der Universität Madrid, der an einer weiteren Studie mitgearbeitet hat, die ebenfalls im Fachmagazin „Nature Climate Change“ veröffentlicht wurde. „Wir beginnen gerade erst die Konsequenzen dieses beispiellosen Prozesses zu verstehen – aber sie dürften umwälzend sein.“

So würde das Erliegen der Strömung zu extremen Wintern in Westeuropa führen, der Meeresspiegel an der Ostküste der USA würde massiv ansteigen und auch der Regenkreislauf in den Tropen wäre beeinflusst. Während der letzten Eiszeit führten Veränderungen der Atlantikströmung dazu, dass die Wintertemperaturen in Europa innerhalb von ein bis drei Jahren um 5-10°C sanken. Die neuen Studien zeigen, dass die Strömung derzeit um 15% schwächer ist als noch 400 v. Chr. Aktuelle Klimamodelle bilden den Rückgang des Golfstroms nicht ab, was vermuten lässt, dass die Strömung labiler ist, als bisher angenommen. Studienleiter David Thornalley vom University College London fasst zusammen: „Die aktuellen Klimamodelle sagen das Erliegen des Golfstroms nicht voraus – aber wie sicher sind wir, dass es nicht passiert? Es ist einer der größten Kipppunkte mit einer schwierig zu voraussagenden Wahrscheinlichkeit aber einem riesigen Einfluss.“ Daher sei es jetzt umso wichtiger, die Mengen an freigesetzten Emissionen und der dadurch steigenden Erderwärmung schnellstmöglich signifikant zu verringern.

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