danube.ai will mit „Genetic AI“ das „OpenAI von Österreich“ werden

Stellen Dir den Entscheidungsprozess für den Kauf eines Smartphones wie Fußballturnier vor: 16 Mannschaften treten gegeneinander an, jede mit unterschiedlichen Spielern – einer davon heißt „Akkulaufzeit“, ein anderer „Display-Größe“ usw. Bei manchen Teams sind diese Spieler topfit, bei anderen verletzt. Am Ende gewinnt das Team, dessen Spieler am besten zu deinen persönlichen Vorlieben passen – und die KI empfiehlt dir so das für dich am besten passende Smartphone.
So funktioniert vereinfacht gesagt „Genetic AI“, die neue Technologie des Wiener Startups danube.ai, die am Donnerstag in Wien präsentiert wurde. danube.ai war bisher vor allem für einen Empfehlungsalgorithmus bekannt, der etwa beim Preisvergleich Geizhals für Produktauswahl eingesetzt wird.
Evolution statt Trainingsdaten
„Evolutionäre Prozesse sind die größten Problemlöser, die es auf der Welt je gegeben hat“, erklärt Philipp Wissgott, CEO und Gründer von danube.ai. „Nimm ein paar Organismen und pack sie auf eine Insel und komm ein paar Millionen Jahre später zurück. Dann sind alle Organismen entweder ausgestorben oder perfekt für dieses Umfeld optimiert.“ Genetic AI würde ähnlich funktionieren, nur eben das Ergebnis nicht nach Millionen Jahren, sondern einigen wenigen Sekunden liefern.
Dieses Prinzip nutzt Genetic AI: Statt wie herkömmliche KI-Systeme mit riesigen Datenmengen trainiert zu werden, übersetzt die Technologie jede Fragestellung in ein evolutionäres Spiel. „Alle Antwortmöglichkeiten werden zu Organismen transformiert, die um ‚Survival of the fittest‘ kämpfen. Die beste, die fitteste Antwort gewinnt das Spiel und wird dem User zurückgegeben“, so Wissgott.
Alternative zu großen Sprachmodellen
Während ChatGPT und andere große Sprachmodelle (LLMs) nach Jahrzehnten intensiver Forschung und mit Milliarden an Investitionen entstanden sind, geht danube.ai einen anderen Weg. „Meine Vision war immer ein bisschen das OpenAI aus Österreich zu werden – nicht unbedingt mit dem Investitionsvolumen und der Anzahl der Mitarbeiter, aber ein Technologie-Provider, der technologisch versucht, über den Tellerrand drüber zu schauen“, betont Wissgott.
Mit nur sechs Mitarbeitern in Wien hat das Startup in fünf Jahren Entwicklungszeit eine KI geschaffen, die ohne zentrale Kontrolle auskommt und sich selbst trainiert: „Das System kriegt nicht gesagt, was richtig und was falsch ist, sondern erkennt es selbst anhand der Antworten.“
Vorteile gegenüber herkömmlicher KI
Die Vorteile dieses Ansatzes sollen folgende sein:
- Personalisierung: „Du kannst wirklich auf jeden einzelnen User 100% perfekt runterpersonalisieren“, erklärt Wissgott.
- Kein Bias-Problem: „Bei uns ist der einzige Bias dein eigener Bias. Und das ist ein guter Bias.“
- Energieeffizienz: „Dadurch, dass es nicht mit Trainingsdaten pre-trained wird, kannst du die Modelle mit 99,9% weniger Energieverbrauch trainieren.“
- Dezentralität: „Das System soll dezentral sein, damit es nicht zentral kontrolliert wird, sondern näher am User dran ist.“ Es soll also direkt auf Smartphones laufen können und ohne Anbindung an Rechenzentren auskommen
Cherrytree: Die erste Anwendung
Diese Woche stellt danube.ai mit „Cherrytree“ seine erste B2C-KI vor: Dabei soll es sich um eine Entdeckungsmaschine für Restaurants, Filme, Serien oder Games handeln. „Es ist eine Suchmaschine, wo du frei prompten kannst“, erläutert Wissgott. Statt wie bei Google eine Liste an Ergebnissen zu erhalten, bekommt der Nutzer vier Bildantworten. Nach einer Auswahl erscheinen vier neue Optionen – so bewegt man sich iterativ immer näher an das gewünschte Ergebnis. Midjourney lässt grüßen.
„Meine Vision mit Cherrytree ist, dass die Wertschöpfung, die KI erbringen kann, zum User zurückkommt“, betont Wissgott. „Stell dir vor, du gehst gern vietnamesisch essen und es macht ein vietnamesisches Lokal um die Ecke bei dir auf – du wirst es nie erfahren, weil du nicht danach suchst. Bei Cherrytree bekommst du einmal pro Woche ‚Surprise-Cherries‘, die auf deine Vorlieben abgestimmt sind.“
Aktuell funktioniert das System für Restaurant-, Film-, Serien- und Computerspielsuchen und soll über den Sommer in Zusammenarbeit mit Geizhals auf den gesamten E-Commerce-Bereich ausgedehnt werden.
Geschäftsmodell und Zukunftspläne
Für die Zukunft plant danube.ai ein ähnliches Geschäftsmodell wie ChatGPT: Eine Subscription für Endnutzer sowie eine API für Unternehmen. „Da kommt zum Beispiel H&M zu uns und sagt: ‚Ich möchte ein Promptfenster haben, wo ich reinpromten kann: Hey, ich suche ein rotes Sommerkleid‘ – und dann geht die Konversation los“, skizziert Wissgott.
Mit seiner innovativen Herangehensweise könnte Genetic AI eine interessante Alternative zu herkömmlichen KI-Systemen darstellen – energieeffizienter, personalisierter und ohne die typischen Bias-Probleme. „Wir stehen noch am Anfang“, räumt Wissgott ein, „evolutionär betrachtet sind wir jetzt ein Einzeller. Das LLM ist ein riesiger Organismus, der schon fertig optimiert ist.“ Aber vielleicht liegt genau darin die Chance, einen wirklich neuen Weg in der KI-Entwicklung einzuschlagen.