LeopoldQuartier: „Holz ist der Baustoff des 21. Jahrhunderts“

Wer die Zukunft des Wohnens und Arbeitens nicht nur sehen, sondern auch riechen will, der muss in den zweiten Wiener Bezirk an den Donaukanal kommen. Denn in Wien entsteht derzeit zwischen Donaukanal und Augarten in Gehweite der City das LeopoldQuartier – das erste und größte Holzbau-Quartier Europas. Auf dem Areal werden in innovativer Holz-Hybrid-Bauweise mehr 25.400 Quadratmeter Gewerbefläche sowie 461 Wohnungen geschaffen, was es zum größten Holzbau-Projekt Österreichs macht.
Wer die Innenräume besichtigt, der sieht sie natürlich überall – die Fichtenbretter, die Decken und Säulen bekleiden. Für die Wohnbereiche etwa wurden spezielle Rahmenelemente Brettschichtholzstützen (BSH-Stützen) entwickelt. Riechen kann man das Holz, das aus einem Umkreis von maximal 300 Kilometern kommt, natürlich auch – der angenehm harzige Duft weht Besucher:innen sanft in die Nase.
Nachhaltigkeit als zentrales Konzept
Das Quartier wurde konsequent auf Nachhaltigkeit ausgerichtet. „Das LeopoldQuartier ist das erste Stadtquartier in Holz-Hybrid-Bauweise in Europa mit einem CO2-freien Betrieb“, erklärt Peter Schaller, CTO der UBM Development AG. Besonders bemerkenswert ist das Energiekonzept: Die Wärme wird mittels Geothermie aus dem Boden gewonnen, der Strom stammt von Photovoltaikanlagen auf den Dächern.
Ein wesentlicher ökologischer Vorteil des Projekts ist die CO2-Speicherung. „Im verbauten Holz werden 11.000 Tonnen CO2 langfristig gespeichert. Das entspricht den CO2-Emissionen eines Dorfes mit etwa 1.250 Einwohnern“, so Schaller. Im Vergleich zu konventioneller Bauweise werden in der Herstellungsphase 43 Prozent CO2-Äquivalent eingespart.

Vorteile der Holz-Hybrid-Bauweise
Im Gegensatz zu herkömmlichen Bauprojekten wurde beim LeopoldQuartier auf Entsiegelung gesetzt. „Wir haben 15 Prozent der bebauten Fläche rückgebaut. Es ist ein großer Grünraum zwischen den Gebäuden entstanden, der auch autofrei sein wird“, erläutert Schaller. Alle Dächer und Terrassen wurden begrünt, teilweise auch die Fassaden, um ein angenehmes Mikroklima zu schaffen und der urbanen Überhitzung entgegenzuwirken.
Die im LeopoldQuartier angewandte Holz-Hybrid-Bauweise kombiniert die Vorteile von Holz mit den strukturellen Stärken anderer Materialien. Schaller nennt die wichtigsten Vorteile: „Wir haben eine kürzere Bauzeit, schaffen eine höhere Qualität, langfristig geringere Kosten und einen deutlich höheren Wohn- und Nutzungskomfort.“
Ein wesentlicher Vorteil liegt in der Verlagerung der Baustelle in die Fabrik. „Mit der Standardisierung beugen wir dem Facharbeitermangel vor und erreichen einen Vorfertigungsgrad von über 40 Prozent“, erklärt der CTO. Dies führt zu kürzeren Bauzeiten, weniger Baustellen-Gemeinkosten und geringerer Belastung für Anwohner.
Holz als Baustoff der Zukunft
Auf die Frage, warum Holz als Baustoff wieder an Bedeutung gewinnt, nennt Schaller mehrere Faktoren: „Die Faustformel ist: Ein Kubikmeter Holz bindet eine Tonne CO2, während Beton vergleichsweise 0,6 Tonnen CO2 produziert.“ Zudem wiegt Holz nur ein Drittel von Beton, was Einsparungen bei der Fundierung ermöglicht.
„Holz wächst nach, ist regional erhältlich und ist Klassenbester in Sachen Recycling und Kreislaufwirtschaft“, betont Schaller. Neben den ökologischen Vorteilen schafft Holz auch ein angenehmes Raumklima und eine hohe Behaglichkeit, was zunehmend geschätzt wird.
Das LeopoldQuartier dient als Pionierprojekt für innovative Holzbaulösungen. „Wir haben im Bürohaus erstmals die Kombination aus Stahlbetonfertigteilen und Holzbetonverbunddecken eingesetzt“, erklärt Schaller. Im Wohnbereich wurden spezielle Holzrahmenelemente mit Leimbindersäulen entwickelt, die eine Höhe von sieben Geschossen ermöglichen.
Für die Energieversorgung wurden rund 200 Tiefensonden bis zu 150 Meter tief in den Boden getrieben. „Im Winter entnehmen wir die Wärme aus dem Untergrund, im Sommer geben wir die Wärme dem Boden zurück und nutzen das kühlere Temperaturniveau zur Kühlung“, erklärt Schaller. Auf den Dächern sorgen rund 1.000 PV-Paneele mit einer Leistung von 380 kW-Peak für etwa 65 Prozent des Strombedarfs.

Marktperspektiven für nachhaltige Immobilien
Die Nachfrage nach nachhaltigen Immobilien wächst stetig. „Firmen sind bereit, mehr in Qualität und Nachhaltigkeit zu investieren. Man mietet lieber kleinere Flächen, dafür aber in zertifizierten und ESG-konformen Gebäuden“, beobachtet Schaller. Auch bei Wohngebäuden spielen Energieeffizienz und niedrige Betriebskosten eine zunehmend wichtige Rolle.
Für Investoren bieten nachhaltige Immobilien Vorteile: „ESG-konforme Gebäude lassen sich besser vermieten und erzielen höhere Mieten.“ In Wien sei die Verfügbarkeit von nachhaltigem Büroraum in guten Lagen sehr begrenzt, was die Marktposition des LeopoldQuartiers stärkt.
Zukunftsausblick für den Holzbau
Schaller sieht Holz als „Baustoff des 21. Jahrhunderts“. Angesichts der Tatsache, dass der Bau- und Immobilienbereich für knapp 40 Prozent der weltweiten CO2-Emissionen verantwortlich ist, führe kein Weg an nachhaltigen Baumaterialien vorbei.
Für die weitere Verbreitung des Holzbaus seien jedoch noch einige Hürden zu überwinden. „Es ist noch Aufklärungsarbeit zu leisten, weil viele Menschen Vorurteile gegenüber Holz haben“, erklärt Schaller. Bedenken bezüglich Brandschutz, Wasserschäden oder Haltbarkeit seien unbegründet, da moderne Holz-Hybrid-Bauweise alle Anforderungen erfülle.
Schaller plädiert für regulatorische Anpassungen: „Eine ‚Fast Lane‘ für nachhaltige Projekte bei Behördenverfahren könnte einen zeitlichen Vorteil gegenüber nicht nachhaltigen Projekten schaffen.“ Auch die Anpassung baurechtlicher Rahmenbedingungen sei notwendig, um die konstruktiven Besonderheiten des Holzbaus besser zu berücksichtigen.
Für UBM Development steht nach dem LeopoldQuartier bereits das nächste Holz-Großprojekt an: Der Donaumarina Tower soll mit 113 Metern das höchste Holzhochhaus der Welt werden (mehr dazu hier).
