Gastbeitrag

Low-/No-Code: Ein doppelschneidiges Schwert für schnelle Innovation

Startup Interviewer: Gib uns dein erstes AI Interview Startup Interviewer: Gib uns dein erstes AI Interview

Markus Kirchmaier ist Prokurist & Partner bei LEAN-CODERS und beschäftigt sich seit Jahren intensiv mit dem IT-Arbeitsmarkt sowie modernen IT-Systemen und technologischen Entwicklungen. In seiner wöchentlichen Gastbeitragsreihe Future{hacks} behandelt er aktuelle Themen rund um IT. 

Drag-and-Drop macht Ideen marktfähig, bevor der erste Sprint überhaupt endet. Aber schon der nächste Meilenstein kann zur Preisspirale werden, wenn Workload-Tarife und Audit-Aufwände explodieren.

Der 5K-Traum und sein böses Erwachen

Vier Wochen, 5.000 € Budget, fertig ist die App.

Genau das verspricht heute jede zweite No-Code-Plattform und macht CFO-Augen glänzend. Gartner, ein US-amerikanisches IT-Marktforschungsinstitut, dessen Prognosen von Tech-Investoren und CIOs als Leitplanke gelesen werden, schätzt dass sieben von zehn neuen Unternehmensanwendungen 2025 per Low-/No-Code entstehen. Doch die rosa Wolke löst sich oft schneller auf als der Kaffee abkühlt.

Ein Gründer, heute ein zufriedener Kunde von uns, erzählte mir von der ersten Version seiner App, die in Bubble (ein browserbasierter Baukasten, der komplette Web-Apps per Drag-and-Drop zusammenstellt) beim letzten Feinschliff technisch an die Grenzen der Individualisierung stieß. Weiterführende Funktionen ließen sich schlicht nicht mehr umsetzen oder erzeugten zu viel Workload-Units (direkte Kosten). Parallel kam das Xano-Backend (Backend-as-a-Service ohne eigene Server) ins Straucheln, weil kurzzeitige RAM-Spitzen Jobs kommentarlos stoppten.

Wir haben die Anwendung komplett in Flutter, einem quelloffenen UI-Framework von Google, neu gebaut: Perfekt individualisierbar und die Kosten sind heute leicht kalkulierbar.

Der Hype in Zahlen und was gerade wirklich immer heißer wird

Aktuell nutzen 87 Prozent der Enterprise-Entwickler Low-Code zumindest für Teilaufgaben, berichtet das Analystenhaus Forrester. Gartner hält an seiner Prognose fest, dass siebzig Prozent aller neuen Apps 2025 auf Klick-Plattformen entstehen. Zwei Trends treiben das Tempo weiter hoch:

1) AI-Agent-Builder wie Microsoft Copilot Studio ermöglichen seit Mai, mehrere autonome KI-Dienste zu ganzen Prozessketten zu verknüpfen, also einen Delegationsknopf für Routine­aufgaben von Support bis Finance

2) Google liefert mit Gemini Tasks in AppSheet Next, seit 16. Juli allgemein verfügbar, generative Workflows aus einem einzigen Text-Prompt.

Beide Neuerungen verkürzen die Entwicklungszeit enorm. Achtung: Jede zusätzliche AI-Task wird jedoch meist einzeln abgerechnet, und die Kosten wachsen direkt proportional mit.

Die fünf häufigsten Fallen

Vendor-Lock-in: Plattformen wie Bubble halten Logik und Code in proprietären Abstraktionsebenen fest. Wer migrieren will, programmiert neu.

Wild-West-Governance: Citizen-Apps, also Anwendungen die von Fachanwenderinnen ohne formale Entwicklerausbildung erstellt werden, entstehen oft ohne Git, Pull-Requests oder CI/CD-Pipelines. Ohne diese Leitplanken drohen Audit-Albträume, aufwendige interne oder externe Prüfungen mit hohem Nachbesserungsaufwand.

Performance und Skalierung: Schon zwanzig Datensätze können in Bubble eine volle Sekunde Ladezeit verursachen, und Xano-Backends brechen bei kurzfristigen Speicher­spitzen. Nutzer warten, Transaktionen reißen ab, Service-Level-Agreements wackeln.

Security und Compliance: Low-Code abstrahiert nicht nur Code, sondern oft auch Sicherheits­mechanismen. Fehlende Feinabstimmung öffnet Angriffstüren, und laut IBM kostete ein Datenleck 2024 im Schnitt 4,88 Millionen US-Dollar.

TCO-Unschärfe: Total Cost of Ownership umfasst sämtliche Kosten über die Lebensdauer eines Systems. Klick-Plattformen rechnen nach API-Aufrufen oder GPU-Minuten ab. Wenn ein KI-Feature viral geht, vervielfacht sich die Nutzung. Ohne Gebühren-Caps springt die Monatsrechnung schnell in den fünfstelligen Bereich.

Wo Klick-Plattformen glänzen

Richtig eingesetzt, sind Low-/No-Code-Tools blitzschnelle Ideen-Verstoffwechsler. Fachabteilungen können in wenigen Tagen ein MVP bauen, Marktfeedback einsammeln und Prozesse automatisieren, ohne die Kern-IT monatelang zu blockieren. Generative Assistenten verwandeln vage Wünsche in funktionierende Workflows. Das klappt jedoch nur, wenn bereits zu Beginn exakt festgelegt ist, wo der Prototyp startet und an welchem klaren Endpunkt er in die nächste Ausbaustufe übergeht, inklusive eines messbaren Fahrplans.

Der Future{hack} – beide Schneiden des Schwerts im hybriden Griff

Ein erprobter Ansatz verbindet beide Welten.

Phase 1: Ein schneller Prototyp entsteht in einer beliebigen Gen-AI-Low-Code-Plattform, weil Geschwindigkeit alles ist.

Phase 2: Nach vier bis sechs Wochen KPI-Review wird von einem geschulten Development-Partner die Lösung in einen offenen Stack, wie z.B. in obigem Fall Flutter für Mobile mit Supabase als Backend, portiert. Im Zuge dessen, werden auch automatisierte Tests, CI/CD-Pipelines sowie Security-Gateways aufgesetzt und durchgeführt.

So bleibt der frühe Marktvorsprung erhalten, während Architektur, Kosten und Compliance langfristig in eigener Hand liegen.

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