Gastbeitrag

Österreich baut Weltklasse-Maschinen – und steuert sie mit Excel

Ein Roboter schleppt Excel-Sheets. © Trending Topics via ChatGPT
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Weltmarktführer in der Fertigung – mit Office-Paket von 2003. Eine ehrliche Analyse über digitale Handbremsen in Hightech-Betrieben und die Herausforderungen der Digitalisierung in der Industrie.

Österreich ist ein Industrieland. Ein verdammt gutes. Österreichische Maschinen stehen in Fabriken auf der ganzen Welt – von Detroit bis Daegu. Wir bauen Laseranlagen, Sondermaschinen, CNC-Systeme, die sich in Echtzeit selbst kalibrieren. Österreichische Mechatronik ist so präzise, dass man damit Schweizer Uhren justieren könnte. Unsere Industrie 4.0-Kompetenz ist weltweit gefragt.

Und dann?

Wird die Schichtplanung im Word-Dokument gemacht. Der Produktionsstatus liegt als PowerPoint-Präsentation auf dem Netzlaufwerk. Und das zentrale Steuerungstool für alles von Einkauf bis Wartung ist … eine Excel-Datei. Mit 14 Reitern. Von drei Leuten gleichzeitig geöffnet. Und bitte nicht speichern – sonst ist wieder alles weg.

Digitale Transformation in der Fertigung: Software hinkt hinterher

Unsere Maschinen sprechen alle Sprachen: Deutsch, Englisch, Chinesisch, MQTT. Unsere Software? Spricht nur VBA – und das auch eher mit österreichischem Akzent. Die digitale Transformation in der Fertigung stockt oft an genau solchen Stellen.

Die Realität sieht oft so aus:

  • Schnittstellen zwischen Produktion und ERP? „Das macht bei uns der Franz manuell.“
  • Lagerstand? In Excel. Meistens aktuell. Also eh nie.
  • Dokumentation? In Word – inklusive Screenshots, eingefügt per Copy-Paste.
  • Projektübersicht? PowerPoint. Mit Fortschrittsbalken, die auf Bauchgefühl basieren.
  • Und irgendwo läuft noch ein AS/400-System, das nur zwei Leute bedienen können – beide gehen bald in Pension.

Das ist, als würden wir Formel-1-Autos bauen – und dann mit Papierkarte und Walkie-Talkie durch Monaco manövrieren. So sieht Softwaremodernisierung im Mittelstand eben nicht aus.

Wir sehen diese Fälle täglich

Wir haben sie gesehen – bei mittelständischen Weltmarktführern genauso wie bei Konzernen:

  • das Excelsheet, das eine halbe Produktion steuert,
  • der Access-Client, der als „zentrale Lösung“ gilt,
  • der „digitale Zwilling“, der eine PowerPoint-Datei ist.

Genau hier wird echte Erfahrung in der Digitalisierung von industriellen Prozessen benötigt, ein feines Gespür für Abläufe und das Ziel, Produktionssoftware zu bauen, die im Alltag wirklich funktioniert. Ohne hohe Lizenzkosten – dafür mit größtmöglicher Freiheit und Flexibilität für Unternehmen.

Warum passiert das? Weil’s (noch) niemandem wehtut

Die Industrie funktioniert. Trotz Excel. Trotz Word. Trotz PowerPoint. Warum?

Weil Know-how, Improvisation und Herzblut vieles auffangen. Aber das reicht nicht mehr lange. Während hierzulande noch Tabellen durch die Gegend gemailt werden, laufen in Asien schon digitalisierte Werkhallen mit:

  • Predictive Maintenance,
  • Echtzeit-Dashboards,
  • automatischer Materiallogistik,
  • KI-unterstützter Planung.

Sie bauen nicht besser – aber sie steuern besser. Und das reicht, um die österreichische Industrie zu überholen. Moderne Produktionsplanung basiert heute auf Daten, nicht auf Bauchgefühl.

Digital zu Hause, analog im Büro?

Das Absurde: Im Privaten wird längst digitalisiert. Smartphone, Smart-TV, Smart-Car – alles smart. Aber in der Firma?

Da wird Excel gedruckt und durch drei Abteilungen getragen. Man klammert sich an veraltete Systeme wie SAP R/3 – einfach weil es seit 20 Jahren „eh läuft“. Doch mit dem Umstieg auf SAP S/4HANA drohen plötzlich exorbitante jährliche Lizenzkosten. Dabei gäbe es Alternativen: maßgeschneiderte Open-Source-Lösungen, die günstiger und besser auf individuelle Prozesse angepasst sind – ganz ohne Lizenz-Schock.

KI, Chatbots, Open Source, alles da. Wird nur nicht genutzt

Während Unternehmen um Fachkräfte kämpfen, ignorieren sie Tools, die genau da helfen würden:

  • KI, die Marketingkosten senkt oder Reports automatisiert.
  • Chatbots, die den Helpdesk entlasten.
  • Zentrale Wissensdatenbanken, die Onboarding und Support beschleunigen.
  • Open Source, das Lizenzgebühren massiv reduziert und volle Flexibilität bringt.

Technisch wäre das alles längst machbar. Was oft fehlt, ist nicht der Wille – sondern der klare Blick und das passende Know-how im Betrieb. Digitalisierung ist kein IT-Projekt, es ist ein Business-Projekt. Die Zeit, sich durch Anbieterverzeichnisse und IT-Dienstleister zu wühlen, gibt’s im Tagesgeschäft selten. Das Paradoxe daran: Genau die Software, die man aufschiebt, würde einem langfristig genau diese Zeit wieder zurückgeben. Also vertagt man’s. Auf „wenn’s mal ruhiger ist“. Nur: Diese ruhige Phase kommt nie. Und währenddessen zieht der Wettbewerb leise vorbei – digital, effizient und ein Stück schneller.

ERP, MES & produktionsnahe Software: Moderne Produktionsarchitektur

Erfolgreiche Produktionsbetriebe nutzen meist ein klares System-Dreieck:

  • ERP-Systeme für Ressourcen, Einkauf, Abwicklung,
  • MES-Systeme für Maschinen- und Personaleinsatz in Echtzeit,
  • produktionsnahe Software, die direkt an Maschinen u nd Daten andockt.

Diese Architektur ersetzt Excel in der Produktion, schafft Schnittstellen zum ERP-System und macht industrielle Prozesse transparent. Auch in Österreich gibt es Vorreiter, die solche Produktionssoftware sinnvoll eingeführt haben. Unsere Kunden zeigen, dass sich skalierbare Softwareprozesse und exzellente Produktion nicht ausschließen – im Gegenteil: Gerade dort, wo beides zusammenspielt, entsteht echter Wettbewerbsvorteil.

Fünf Wahrheiten, die man nicht mehr wegdigitalisieren kann

  • Excel ist kein ERP.
  • PowerPoint ist kein Prozessmanagement.
  • Word ist keine technische Dokumentation.
  • Access ist keine Konzernlösung.
  • Digitalisierung ist kein IT-Projekt. Es ist ein Business-Projekt.

Und: Es muss nicht gleich die große Revolution sein. Mit dem richtigen Team – und echtem Verständnis für Fertigungsprozesse – lassen sich bestehende Systeme verbessern, ohne den Betrieb zu stören.

Fazit: Weltklasse – aber unter Volllast im Leerlauf

Österreichische Fertigungsbetriebe bauen Maschinen, die weltweit Maßstäbe setzen. Damit das so bleibt, braucht es auch in der Software den gleichen Anspruch – zukunftsfähig, stabil und mit Blick nach vorn.

Die gute Nachricht: Wir haben alles, was es braucht – das Know-how, die Leute, die Firmen. Was fehlt, ist der letzte Schritt: vom Weltklasse-Blech zur Weltklasse-Architektur. Denn was bringt der stärkste Motor, wenn man mit angezogener Handbremse fährt – gesteuert aus einem Excel-Sheet von gestern?

Über den Autor: Markus Kirchmaier ist Prokurist & Partner bei LEAN-CODERS und beschäftigt sich seit Jahren intensiv mit dem IT-Arbeitsmarkt sowie modernen IT-Systemen und technologischen Entwicklungen.

Markus Kirchmaier, Partner bei LEAN-CODERS. © Nicole Butulla
Markus Kirchmaier, Partner bei LEAN-CODERS. © Nicole Butulla
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