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Tricentis-CSO Wolfgang Platz: „Österreich muss seine ­ Politik, was Arbeitskräfte ­angeht, ändern“

Wolfgang Platz, CSO bei Tricentis. © Tricentis
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Wolfgang Platz, Mitgründer und Chief Strategy Officer des Wiener Tech-Unternehmens Tricentis, sieht viele Schieflagen in ­Österreichs Unternehmenskultur – die letztendlich dafür sorgen, dass es hierzulande zu wenige Spin-offs gibt. Ein Gespräch über die (Zukunft der) Spin-off-Landschaft in ­Österreich.

Trending Topics: Bitpanda und GoStudent sind die großen Helden 2021, weil sie den Unicorn-Status erreicht haben. Sie haben diesen Status selbst schon erreicht. Feiern Sie ihn auch, so wie viele andere?

Wolfgang Platz: Eher nicht, denn der Unicorn-Status wurde uns nicht offiziell verliehen. Das ist eher schleichend gegangen, indem wir irgendwann einmal mitbekommen haben, dass wir bei der Bewertung diese magische Grenze von einer Milliarde US-Dollar übertroffen haben. Das war keine so große Sache für uns. Für uns war vielmehr eine große Sache, dass wir 2017 in der Lage waren, einen Traum zu verwirklichen, nämlich den, mit HP unseren bis dahin stärksten Competitor in die Schranken zu weisen. Das war schon bei unserer Gründung 2007 das Ziel und als wir das nach zehn Jahren geschafft haben, war das ein erhebender Moment.

Für die vielen Gründer:innen da draußen, die diesen Erfolg nachmachen wollen: Was sind die Erfolgsfaktoren, die Sie und Ihr Team das schaffen ließen?

Zuerst braucht man ein unglaubliches Ausmaß an Energie und Leidenschaft. Und Leidenschaft hat ja auch das Wort „Leiden“ in sich. Wenn man nicht komplett begeistert von seiner Sache ist, sollte man sie nicht auf sich nehmen. Geld ist hier der absolut falsche Motivator. Gründer:innen müssen hinter ihrer Idee stehen und wollen, dass sie das Licht der Welt erblickt. Wir waren auch immer bereit, auf andere zu hören, obwohl wir uns zugestanden haben, in einer Blase zu leben, wo wir eine viel wichtigere Rolle auf dem Markt spielen, als wir sie tatsächlich haben. Gründer:innen müssen die Utopie leben, dass sie irgendwann wirklich relevant sind, egal wie unwahrscheinlich das ist.

Welche Rolle spielen Spin-offs aus Ihrer Sicht?

Österreich ist im Bereich der Spin-offs in einer bemerkenswert guten Situation, vor allem was technisches Wissen angeht. Was in Österreich so problematisch ist, ist das Mindset. Auf der ETH (Zürich, Anm.) möchte nur ein Drittel der Student:innen ein Startup gründen. Auf der Technischen Uni wollen das nur drei Prozent. Viele wagen es nicht, selbst etwas auf die Füße zu stellen, obwohl die Skills im technischen Bereich gut sind, wenn auch weniger im kommerziellen Bereich. Allerdings hat die Startup-Szene in den vergangenen Jahren einen Aufschwung erlebt.

Woran liegt das Problem des Mindsets und wie kann man das ändern?

Auf der einen Seite liegt es wahrscheinlich an der Tradition, auf der anderen Seite daran, wie man in Österreich das Unternehmertum sieht. Denn wenn du es geschafft hast, bist du sofort der kapitalistische Ausbeuter in der öffentlichen Wahrnehmung, obwohl jeder mit einem Unternehmer, einer Unternehmerin befreundet sein will. Man genießt auf der einen Seite ein gewisses Ansehen, auf der anderen Seite ist der Neid allgegenwärtig. Es gibt außerdem keine Kultur des Scheiterns. Wenn du bei uns einmal bankrott gehst, dann war‘s das, was fürchterlich schade ist.

Die Finanzierungslage wurde in den letzten Jahren auch immer wieder bekrittelt. Zwar gibt es viele Förderungen, doch wenn es ums Wachstum geht, fehlt das Kapital. Wie sieht das aus Ihrer Erfahrung aus?

Ganz genau so. Wir müssen schon zugeben, es gibt einiges an Förderungen. Aber das sind eher Starthilfen. Richtig auf die Tube drücken kann man mit diesen Volumina nicht. Außerdem wollen Gründer:innen von einem Investor, einer Investorin mehr als Geld haben, sie wollen Connections und Zugang zu Netzwerken. Bei all dem sind die Amerikaner:innen uns deutlich voraus. Die Summen, die wir benötigt haben für ein echtes Wachstum, hätten wir in Europa nicht aufstellen können.

Welche Strategie würden Sie fahren, damit wir mehr Spin-Offs bekommen? Da gibt es bekanntlich ja auch hohe Ziele der Politik. Wie können wir die erreichen?

Österreich muss seine Politik, was Arbeitskräfte angeht, ändern. Man muss das mit den nordamerikanischen Ländern vergleichen. Die sind offen für Zuwanderung, aber selektiv. Sie suchen sich nur die Besten aus, schaffen für sie aber ein sehr gutes Klima, um Fuß zu fassen und Erfolg zu haben. Wir hingegen lassen entweder alle rein oder wollen überhaupt keine Zuwanderung haben. Wir brauchen hier einen Middle Ground. Sonst entsteht schnell ein Mangel an qualifizierten Ressourcen, der in Kürze schon zur größten Bremswirkung für die gesamte Startup-Szene wird.

Wie gehen Sie mit dem Thema um? Welcher Aufwand wird da mittlerweile betrieben, um schlaue Köpfe aus dem EU-Ausland oder vielleicht sogar Nicht-EU-Ausländer nach Wien zu holen?

Der Aufwand ist massiv. Ganz offen gesagt: Wir müssen uns auf zusätzliche Standorte verlassen. Wir haben Niederlassungen in Ungarn, in Polen und sogar in Indien gegründet. Aber das macht es nicht einfacher. Es ist einfach dem Umstand geschuldet, dass wir die Leute in Österreich nicht ausreichend im Ausmaß und in der Geschwindigkeit bekommen können. Es ist gar nicht einmal so sehr eine Kostenfrage, sondern eine Frage der Verfügbarkeit.

Was würden Sie sich bis 2030 in Bezug auf Spin-offs wünschen?

Ich würde mir schon wünschen, dass in Österreich wesentlich mehr Menschen Unternehmen gründen. Aber nicht um Österreich willen, sondern um der Leute willen, die es in Angriff nehmen. Wir sind im Bereich Work-Life-Balance schon alle sehr verwöhnt. Der Lebensstil, den wir haben und die Lebensqualität, die wir voraussetzen, passt mit dem Ausmaß an Engagement, dass wir bereit sind zu erbringen, nicht mehr zusammen.

Dieses Interview mit Wolfgang Platz stammt aus unserem neuen Magazin „Trending Topics 2022“. Es steht seit dem 29.12. zum kostenlosen Download bereit

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