Ukrainische Soldaten sammeln „e-points“ am Schlachtfeld, tauschen sie gegen Waffen

Die Ukraine hat ein neuartiges Belohnungssystem für ihre Streitkräfte entwickelt, das Elemente aus Videospielen nutzt, um militärische Effizienz zu steigern. Das Programm „Army of Drones: Bonus“, auch als „e-points“ bezeichnet, wurde erstmals 2024 getestet und belohnt Militäreinheiten jetzt mit Punkten für bestätigte Treffer gegen russische Ziele.
Die Punkte lassen sich mittlerweile auch gegen Waffen wie etwa Drohnen im „Brave1 Market“ eintauschen – dieser wird auch sarkastisch als „Amazon des Krieges“ bezeichnet. Das Vorgehen der Ukraine stößt unter Soldaten auf gemischte Gefühle – während es manche als motivierend beurteilen, gibt es manche, die es als moralisch fragwürdig ansehen. Auch soll es manchmal Streit unter Einheiten geben, wer Punkte für Abschüsse erhalte.
Ein aktuelles Ranking (siehe Bild oben) im Brave1 Market etwa zeigt, dass die 414. Infantrie-Brigade “Birds of the Magyar“ im Juni die meisten Punkte gesammelt hat.
Funktionsweise des Punktesystems
Das System basiert auf der Übermittlung von Drohnen-Videomaterial, das militärische Erfolge dokumentiert. Soldaten laden Videos über das militärische Kommunikationssystem DELTA hoch, wo diese von Analysten in Kyiv ausgewertet und Punkte entsprechend einer festgelegten Skala vergeben werden. Die Analysten verarbeiten täglich Tausende von Videos. Die Überprüfung der Videos erfolgt nach strengen Kriterien, wobei besonders getarnte Artilleriestellungen als schwierigste Ziele gelten.
Die Punktevergabe erfolgt nach strategischer Wichtigkeit der Ziele:
- Zerstörung eines Mehrfachraketenwerfers: bis zu 50 Punkte
- Zerstörter Panzer: 40 Punkte
- Beschädigter Panzer: 20 Punkte
- Getöteter russischer Soldat: 6 Punkte
- Gefangengenommener russischer Soldat: 60 Punkte (zehnfacher Wert)
Technische Umsetzung
Mykhailo Fedorov, Ukraines Minister für Digitale Transformation, erklärt die doppelte Zielsetzung des Programms: „Es geht in erster Linie um qualitative Daten, die Mathematik des Krieges und das Verständnis für den effektiveren Einsatz begrenzter Ressourcen. Es geht aber auch um Motivation.“
Nach Angaben des Ministeriums nehmen 90-95% der kämpfenden Einheiten an dem System teil. Die gesammelten Daten fließen in strategische Entscheidungen ein und ermöglichen es, die Punktewerte entsprechend militärischen Prioritäten anzupassen.
Integration in den Brave1 Market
Seit 2025 können die gesammelten Punkte im „Brave1 Market“ eingelöst werden, einer Online-Plattform mit über 1.600 militärischen Produkten. Das System ermöglicht es Einheiten, Drohnen, elektronische Kampfführungsgeräte und andere Ausrüstung direkt zu bestellen, wobei das Verteidigungsministerium die Kosten übernimmt. Hersteller der Waffen können an den Marktplatz andocken.
Die Lieferung soll innerhalb einer Woche erfolgen. Als Beispiel führt Fedorov die Elite-Drohneneinheit „Magyar’s Birds“ an, die über 16.000 Punkte sammelte – ausreichend für 500 Tages- und Nachtdrohnen, 100 schwere „Vampire“-Drohnen und 40 Aufklärungsdrohnen.
Strategische Einordnung
Das e-points-System ist charakteristisch für Ukraines innovativen Ansatz in der Kriegsführung, bei dem technologische Lösungen den numerischen Nachteil kompensieren sollen. Nach Angaben ukrainischer Kommandeure sind Drohnen mittlerweile für schätzungsweise 70% aller russischen Verluste verantwortlich.
Die Gamifizierung militärischer Erfolge wirft ethische Fragen auf, wird aber von der ukrainischen Führung als notwendiges Instrument zur Maximierung der Kampfeffektivität in einem existenziellen Konflikt betrachtet.