Plastikkrise

Warum es ein internationales Abkommen gegen Plastik im Meer braucht

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Eigentlich ist es keine Überraschung. Im Gegenteil, ähnlich wie Studienergebnisse zu schmelzenden Gletschern oder mehr Wetterextremen, klingen die Erkenntnisse mehr als vertraut: Das Meer ist voller Plastik. Dieser Satz sollte die wenigsten mehr überraschen, allerdings zeigt eine neue Studie nun, wie genau diese Aussage zutrifft.

Im Rahmen einer Meta-Studie des Alfred-Wegener-Instituts (AWI) im Auftrag der Umweltschutzorganisation WWF  wurden fast 2.600 Studien ausgewertet. Mit dem Ergebnis: Mit einer voraussichtlichen Verdopplung der Kunststoffproduktion bis 2040, wird sich die Menge des Makroplastiks in den nächsten 30 Jahren vervierfachen. Durch die Zersetzung dieses Makroplastiks, könnten dann wiederum die Mengen von Mikro- und Nanoplastikteilchen bis zum Ende des Jahrhunderts um das 50-fache zunehmen.

Plastikkrise entscheidet über Überleben

Zudem könnte bis zum Ende des Jahrhunderts in Meeresgebieten, welche die zweieinhalbfache Fläche Grönlands ausmachen, der ökologisch riskante Schwellenwert der Mikroplastikkonzentration überschritten sein. In einigen Brennpunktregionen, wie dem Mittelmeer, dem gelben Meer, dem Ostchinesischen Meer und dem Meereis der Arktis hätte die Mikroplastikkonzentration den ökologisch kritischen Schwellenwert bereits heute überschritten, so der WWF.

Etwa 19 bis 23 Millionen Tonnen Plastikmüll pro Jahr gelangen vom Land in die Gewässer der Welt, so die Studie. Bei fast 90 Prozent der untersuchten marinen Arten wurden negative Auswirkungen von Plastik festgestellt, so Melanie Bergmann, Meeresbiologin am Alfred-Wegener-Institut Helmholtz-Zentrum für Polar- und Meeresforschung (AWI). Je mehr Plastik, desto mehr negativen Auswirkungen auf die Organismen. Wo sich andere Bedrohungen wie globale Erhitzung, Überfischung, Überdüngung oder Schifffahrt mit den Hotspots der Plastikverschmutzung überschneiden, würden die negativen Auswirkungen noch verstärkt werden. So könnte die Plastikkrise für heute schon stark bedrohte Arten, wie Mönchsrobben oder Pottwale im Mittelmeer, das „Zünglein an der Waage“ sein. Besonders hart treffe die Verschmutzung zudem Korallenriffe und Mangrovenwälder.

30% der Land-und Meeresfläche sollen bis 2030 unter Schutz stehen

Plastik rausfischen reicht nicht

Seit langem ist bekannt, dass Meereslebewesen Plastik irrtümlich verschlucken oder an diesen, beispielsweise in Geisternetzen, hängen bleiben. Daher versuchen bereits verschiedene Initiativen, das Plastik aus den Meeren zu ziehen. Besonders bekannt, aber auch umstritten: Die Initiative „The Ocean Cleanup„. Diese wollen den Great Pacific Garbage Patch (zu Deutsch: Großer Pazifischer Müllteppich) beseitigen. Seit Oktober 2019 führte die Organisation zwischen Kalifornien und Hawaii eine Testkampagne durch, die laut eigenen Angaben erfolgreich abgeschlossen wurde.

Im Rahmen der Testkampagne habe die Organisation insgesamt 28.659 Kilogramm Plastik aus dem Meer gesammelt, von denen 9.014 Kilogramm in einem einzigen Schwung entnommen wurden. „The Ocean Cleanup“ setzt dafür ein 600 Meter langer Filtersystem ein, das am Meeresboden verankert wird. Die Strömung treibt den Müll, von großen Fischernetzen bis hin zu Mikroplastik, in seine Fänge und Schiffe transportieren die Teile schließlich ab.

The Ocean Cleanup will den größten Plastikstrudel der Welt beseitigen

Trotzdem steht die Initiative in puncto Umweltverträglichkeit und auch Sinnhaftigkeit in der Kritik. Laut National Geographic sinken rund 70 Prozent der im Meer befindlichen Plastikabfälle zum Meeresgrund, wo sie von den Ozean-Filter nicht erfasst werden können. Und auch wenn sich viele Menschen unter dem Müllstrudel eine große Plastikinsel vorstellen, die im Ozean treibt, ist dieser in der Realität nicht einmal auf Satellitenbildern erkennbar. Denn einen Großteil der Kunststoffabfälle hat die Strömung schon so zersetzt, dass nur noch Mikroplastik übrig bleibt, das mit dem bloßen Auge nicht zu erkennen ist.

Globales Abkommen gegen Verschmutzung gefordert

Der Bremer Biologe Sönke Hohn vom Leibniz-Zentrum für Marine Tropenforschung gab im Deutschlandfunk etwa zu bedenken, dass Projekte wie das „Ocean Cleanup“ der breiten Allgemeinheit das Gefühl vermitteln, an ihrem Verhalten nichts ändern zu müssen. Zusammen mit Kolleg:innen hat Hohn laut einem Fachartikel im Vorjahr errechnet, dass die Bemühungen des Ocean Cleanup in den geschätzten 20 Jahren keine spürbaren Auswirkungen auf die Plastikmenge im Meer haben würden. Laut dem Autor gebe es keinen Schlüssel dafür, den Ozean zu säubern. Die unglückliche Realität sei, dass der Plastikeintrag ins Meer reduziert werden müsse.

Diesen Ansatz verfolgt auch der WWF und fordert ein rechtsverbindliches globales Abkommen gegen die Plastikverschmutzung der Meere. Darauf soll sich bei der UN-Umweltkonferenz (UNEA) Ende Februar geeinigt werden. „Die Durchdringung des Ozeans mit Plastik ist unumkehrbar. Einmal im Meer verteilt, lässt sich Kunststoffmüll kaum zurückholen. Er zerfällt stetig, sodass die Konzentration von Mikro- und Nanoplastik noch jahrzehntelang ansteigen wird. Die Ursachen der Plastikverschmutzung im Keim zu bekämpfen, ist viel effektiver als die Folgen im Nachhinein zu beseitigen“, so Heike Vesper, Leiterin des Fachbereiches Meeresschutz beim WWF Deutschland.

Zudem müsse der geforderte globale Vertrag zur Eindämmung des Problems alle Phasen des Lebenszyklus von Plastik bedenken und eine Beendigung der Verschmutzung der Meere durch Plastik bis 2030 anvisieren.

NASA: Meeresplastik wird durch Satelliten verfolgt

Mikroplastik finden

Sollte ein Stop der Vermüllung der Meere erreicht werden, ist es damit aber nicht unbedingt getan. Es auch die bereits bestehende Verschmutzung muss eingedämmt werden. Das ist bei den Mikroplastikteilchen, welche kleiner als 5 Millimeter sind, gar nicht so einfach. Zwei der größten Herausforderungen dabei sind zum einen die Lokalisierung des Mikroplastiks und zum anderen die Feststellung der genauen Menge der im Meer befindlichen Mini-Plastikteilchen.

Diese beiden Herausforderungen wollen Forschende der University of Michigan lösen. Dafür kooperierten sie mit der amerikanischen Luftfahrtbehörde Nasa und deren Satellitenbildern des Cyclones Global Navigation Satellite System (CYGNSS). Dabei fokussierten sie sich auf die Oberfläche des Meeres und die acht Mikrosatelliten des CYGNSS.

Die Funksignale der GPS-Satelliten werden von der Meeresoberfläche reflektiert, und die CYGNSS-Satelliten erfassen diese Reflexionen. Die Forschenden analysieren dann die Signale, um die Rauheit der Meeresoberfläche zu messen. Diese Messungen ermöglichen es, die Windgeschwindigkeiten auf dem Meer zu bestimmen, was für die Untersuchung von Phänomenen wie Hurrikans nützlich ist.

Die Forschenden entdeckten jedoch, dass sich mit den Signalen auch Plastik erkennen lässt. Wenn sich Plastik oder andere Abfälle in der Nähe der Meeresoberfläche befinden, werden die Wellen gedämpft, und die Meeresoberfläche ist weniger rau als sie es sonst wäre.

Diese Beobachtungen glichen sie anschließend mit den Meldungen von Plankton-Trawlern, in deren Netzen neben dem gewünschtem Plankton eben auch das Mikroplastik landet, und Meeresströmungsmodellen ab. Dabei konnten sie eine Wechselbeziehung zwischen den Gebieten mit glatteren Meeresoberflächen und denen mit viel Mikroplastik ausmachen. Dabei gehen die Forschenden den aktuellen Angaben davon aus, dass die glattere Meeresoberfläche nicht unbedingt von dem Mikroplastik verursacht wird. Viel mehr führen sie diesen Umstand auf Tenside, eine Familie von öligen oder seifigen Verbindungen, zurück.

Forscher: Autonome Roboter sollen Mikroplastik in Gewässern minimieren

Weitere Forschung notwendig

Aber auch das ist nur ein Ansatz, wie Mikroplastik zukünftig lokalisiert werden soll und ist ebenfalls noch in der Entwicklungsphase. Sobald die Mengen und die Bewegungen des Plastiks dann festgehalten sind, braucht es verlässliche Methoden, dieses auch aus dem Wasser zu entfernen.

Auch in dem Bereich gibt es bereits mögliche Lösungsansätze. Forschende der Universität für Chemie und Technologie in Prag veröffentlichten im Frühjahr 2021 beispielsweise eine Studie zu mikroskopischen Robotern, welche sich durch die Gewässer bewegen und dabei unterstützen sollen, das Plastik abzubauen. Ausgereift sind solche Forschungen aber noch nicht. Somit ist das anschließende „Aufräumen“ keine Möglichkeit, um einfach weiter machen zu können wie bisher. Ob sich mit diesem Hintergrund in wenigen Wochen auf ein internationales Abkommen gegen die weitere Plastikverschmutzung geeinigt werden kann, bleibt abzuwarten.

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