Wolt: Trotz Kritik bleibt Lieferdienst bei freien Dienstnehmern

Lieferdienste und die Arbeitsverhältnisse ihrer Fahrer:innen: Über dieses Thema wird dieser Tage heiß diskutiert. Speziell die Entscheidung von Lieferando im vergangenen März, alle Rider zu kündigen und stattdessen nur noch freie Dienstverträge zu bieten, hat für viel Aufsehen gesorgt. Ein freies Dienstverhältnis ohne Anstellung scheint bei Lieferdiensten zur Norm zu werden, bei den Rivalen Foodora und Wolt war das schon zuvor der Fall. Wolt hat am Donnerstag in einer Presseveranstaltung die Arbeit seiner Lieferant:innen genauer beleuchtet.
Wolt verteidigt sein „vollkommen flexibles Modell“
Es gibt viel Kritik an den freien Dienstnehmermodellen von Lieferdiensten, denn ohne Kollektivvertrag fallen viele wichtige Vorteile weg. Doch Wolt verteidigt sein Modell und hebt vor allem die hohe Flexibilität als einen wichtigen Vorzug hervor. „Wir bieten ein vollkommen flexibles Modell, bei dem unsere Fahrer:innen zu jeder Zeit arbeiten können. Im Austausch mit unseren Kurierpartner:innen zeigt sich immer wieder, dass gut drei Viertel von ihnen diese Flexibilität wollen“, sagte Joscha Domdey, General Manager von Wolt in Österreich, am Donnerstag.
Wolt ist ein Unicorn aus Finnland, das 2021 an den US-Riesen DoorDash verkauft wurde und vor etwa zwei Jahren den österreichischen Markt betreten hat. Mittlerweile ist der Lieferdienst in sechs heimischen Städten unterwegs und will in Zukunft weiter expandieren. Das Unternehmen hat das Ziel, sich als „Alles-Lieferer“ zu positionieren und Konkurrenten wie Lieferando und Foodora auszustechen. Wie bei diesen anderen Lieferdiensten sind auch bei Wolt die Arbeitsbedingungen kontrovers. Schon früh gab es beispielsweise von der Initiative Riders Collective Kritik. Diese bezieht sich unter anderem auf die Bezahlung und das Dienstverhältnis.
Entlohnung für Fahrten von vielen Faktoren abhängig
Bei Wolt werden Fahrer:innen in der Regel für jeden einzelnen Auftrag entlohnt. Die Summen bei der Bezahlung pro Bestellung ist dabei allerdings oft unvorhersehbar. Der Lohn richtet sich nach der Distanz, der Größe der Bestellung, der Lage vom Restaurant, der Tageszeit und dem Wetter. Laut dem Lieferdienst bietet die Partner-App aber vor jedem Auftrag eine transparente Übersicht darüber, was Rider daran verdienen können.
Während Kritiker:innen hinter diesem Modell einen Mangel an Ausgewogenheit sehen, meint Wolt, dass es sich hier um einen Vorteil für die Rider handelt. So seien die Fahrten für den Lieferdienst eine niederschwellige Arbeit und auch ein leichter Start in den Arbeitsmarkt, vor allem für Rider mit Migrationshintergrund. Auch das Lohnmodell sei ein Vorteil, da die Verteilung fair geregelt sei und üblicherweise über dem Mindestlohn liege.
Kein klassisches Performance-Management
Josef Hager, Kurierpartner bei Wolt, hat am Donnerstag seine Perspektive zur Arbeit für den Lieferdienst erläutert. Der Pensionist fährt seit mehreren Jahren für das Unternehmen. Ihm zufolge ist es ein großer Vorteil, fahren und aufhören zu können, wann man will. Bei vielen Bestellungen sei es auch möglich, gut daran zu verdienen.
Laut Domdey gibt es bei Wolt auch kein Performance-Management im klassischen Sinne. „Bei uns gibt es keinen großen Zeitdruck. Wir wollen natürlich den Kund:innen ein bestmögliches Erlebnis bieten, aber für dieses ist zu hoher Zeitdruck auch manchmal abträglich. Deswegen machen wir auch keine Garantie auf eine bestimmte Lieferzeit. Außerdem bestrafen wir Rider nicht, wenn sie einen Auftrag ablehnen“, erklärte der General Manager.
Riders Collective hat Wolt allerdings auch in dieser Hinsicht kritisiert und erläutert, dass es doch ein verstecktes Performance-Management gibt. So gebe es relativ genaue, oft als „Tipps“ getarnte Anweisungen, wie man sich als Partner:in zu verhalten hat. Es gebe außerdem Strafen in fünf verschiedenen Stufen bei der Nichtbefolgung dieser Anweisungen.
Neue EU-Regulierung dieses Jahr in Kraft getreten
Bei Wolt ist man sich der Kritik durchaus bewusst. Man halte sich jedoch an die arbeitsrechtliche Regulierung und bemühe sich, den Ridern ein attraktives Arbeitsverhältnis zu bieten. „Wir begrüßen die Diskussion und suche den Dialog mit Stakeholdern. Unser Ziel ist es, ein Modell zu haben, das wirklich zukunftsfähig ist. Wir glauben, dass das freie Dienstnehmermodell auch in Zukunft bestehen bleiben kann“, so Domdey. Man begrüße auch Schritte in der EU zu mehr Regulierung des Bereichs.
Letztes Jahr hat das EU-Parlament eine Gesetzesinitiative zur Verbesserung der Arbeitsbedingungen von Plattformarbeiter:innen angenommen. Am 1. Dezember 2024 ist die Richtlinie in Kraft getreten, die EU-Mitgliedstaaten müssen nun die Vorgaben bis zum 2. Dezember 2026 umsetzen. Ziel der Richtlinie ist es vor allem, die „Scheinselbständigkeit“ für solche Arbeitskräfte zu bekämpfen.