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AMA-Chef erklärt, was die österreichische Landwirtschaft nachhaltig macht

Schnitzel © Pixabay
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Es gibt wohl kaum eine Marke, der in Österreich so viel Vertrauen entgegengebracht wird, wie dem AMA Gütesiegel. Laut einer Umfrage liegt der Bekanntheitswert des Gütesiegels bei mehr als 90 Prozent und acht von zehn Befragten vertrauen der Auszeichnung auch – vor allem bei der Qualitätssicherung.

Die Aufgaben der AMA sind gesetzlich geregelt (> zum Gesetzestext) und finanziert wird das Unternehmen über EU-Mittel, Beiträge der Landwirte und Gebühren der Lizenznehmer. Jährlich führt die AMA mehr als 14.000 Kontrollen in österreichischen Betrieben durch. Im Interview mit Tech & Nature spricht AMA-Chef Michael Blass über die Nachhaltigkeit der österreichischen Landwirtschaft, Import-Soja als Futtermittel und die Lust der Österreicher an Schnitzel und Co.

Was bedeutet Nachhaltigkeit für die AMA?

Michael Blass: Bei uns bedeutet Nachhaltigkeit im Wesentlichen, das zu tun, was die österreichische Landwirtschaft immer am besten beherrscht hat, nämlich mit Verantwortungsgefühl und mit der Verbundenheit zu den Menschen und dem Ambiente, in dem wir unterwegs sind, die Lebensmittelversorgung zu gewährleisten. Da ist Österreich einen Weg gegangen, der sich von vielen anderen Ländern, vor allem von den meisten unserer Nachbarländer, markant unterscheidet. Österreich hat an kleinräumigen Strukturen in der Landwirtschaft festgehalten.

Zur Person: Michael Blass ist seit 2013 Geschäftsführer der Agrarmarkt Austria Marketing GmbH. Davor war der Jurist Geschäftsführer des Fachverbandes der Lebensmittelindustrie.

Das bringt uns zwar nichts bei der Wettbewerbsfähigkeit, denn das Produzieren in Österreich ist relativ aufwändig und teuer, einerseits aufgrund der kleinen Strukturen, andererseits aufgrund der Topographie des Landes. Besonders eindrucksvoll ist der Vergleich, wenn man sich die durchschnittliche Anzahl der Tiere ansieht, die auf österreichischen Höfen gehalten werden. In Österreich hat ein Milchbauer im Schnitt 20 Kühe, das ist ein Bruchteil im Vergleich zu unseren Nachbarländern. Noch deutlicher wird das, wenn man sich die Milchleistung der Kühe anschaut. Die Menge, die eine österreichische Kuh pro Jahr gibt bewegt sich bei einem Drittel dessen, was beispielsweise eine slowakische Kuh gibt. Ähnlich wie im Milchsektor ist das auch bei Rindern, bei Schweinen oder bei Getreide der österreichischen Landwirtschaft.

Ihre Frage galt der Nachhaltigkeit. Unter Nachhaltigkeit verstehen wir das konsequente Pflegen dieser Standards, die Österreich trotz vielen Wettbewerbs und manchen Gegenwindes über die Jahrzehnte erfolgreich gemacht hat. Das ist letztlich auch das, was Glaubwürdigkeit vermittelt. Mehr als 90 Prozent der österreichischen Bauernhöfe befinden sich in Familieneigentum.

Diese kleinteilige Struktur macht die österreichische Landwirtschaft nachhaltiger als in anderen Ländern?

Ganz gewiss. Gerade wenn man in die Klimadiskussion einsteigt und sich CO2-Lasten ansieht, dann ist die Rinderhaltung im alpinen Raum, so wie wir sie betreiben ungleich weniger belastend als andere Formen der Rinderhaltung.

Woran liegt das genau?

Das liegt daran, dass die Rinder bei uns in der Natur aufwachsen, die für sie geschaffen ist. Die Rinder passen sich bei uns perfekt in die natürlichen Kreisläufe ein – es sind keine künstlichen Strukturen, die in eine Umwelt hineingestellt werden, wo sie gar nicht hinpassen. In Südamerika beispielsweise ist genau das der Fall. Bei uns ist das im Gleichgewicht gewachsen und gut balanciert. Das wurde mehrfach im Zuge von Studien mit höchster Glaubwürdigkeit bestätigt, zuletzt vom John Hopkins Institute, wo mehr als 100 Länder weltweit verglichen worden sind. Dort sieht man ganz genau, dass Europa insgesamt, aber dort vor allem Länder wie Österreich extrem gut abschneiden, was die CO2-Last betrifft.

Österreich ist eine Hochburg des Fleischkonsums und hoher Fleischkonsum wird von Experten als einer der CO2-Treiber betrachtet. Konsumenten und Lebensmittelindustrie schieben sich gegenseitig den Schwarzen Peter zu. Wie kommt man aus diesem Dilemma heraus, um sich des Problems wirklich annehmen zu können?

Ernährungsweisen entwickeln sich und es sind jetzt gerade einmal zwei, drei Generationen, die sich bewusst sind, dass ihr Tisch immer gedeckt ist. Hunderte und tausende Vorgängergenerationen haben immer nur dann gegessen, wenn es etwas gibt und dann eben sehr viel. Das steckt tief in uns drinnen. Da würde ich vorsichtig sein, wenn es um Vorwürfe der Verschwendung geht – viel von unserem Verhalten ist über sehr lange Zeit konditioniert oder antrainiert. Natürlich sind wir trotzdem mit Vernunft ausgestattet und die erlaubt es uns, eigene Verhaltensweisen zu analysieren und selbstkritisch zu sein.

Zu Fleisch und anderen Lebensmittelgruppen gibt es auch Ernährungsempfehlungen. Österreich gibt jährlich Ernährungsberichte heraus, in denen mit validem Datenmaterial gearbeitet wird. Es gibt einige Lebensmittelgruppen, von denen wir zu viel konsumieren und wo wir den Konsum reduzieren sollten und das betrifft vor allem Fleisch und Fleischwaren. Die AMA Marketing hält sich an die Empfehlungen des Ernährungsberichtes und spricht davon, dass wir bei Fleisch, Schinken und Wurst vor allem auf die Qualität schauen sollten und dass wir selektiv konsumieren sollten.

2018 lag der Fleischhunger der Österreicher laut Statistik Austria bei 64,1 Kilogramm pro Kopf – eine leichte Steigerung gegenüber dem Jahr davor. Spitzenreiter war Schweinefleisch mit einem (stagnierenden) Pro-Kopf-Verbrauch von 37,2 Kilogramm.

Wie stehen Sie zu aktuellen Trends, Fleisch durch pflanzliche Stoffe gänzlich oder teilweise zu ersetzen wie das etwa von Beyond Meat oder Rebel Meat forciert wird?

Das sind interessante Entwicklungen und das ist Innovation am Lebensmittelmarkt. Das macht den Markt spannend und lenkt die Aufmerksamkeit der Konsumenten und Konsumentinnen auf unsere Produkte. Insofern gibt es da eine Reihe positiver Aspekte. Wir haben uns im Sommer bei unserem jährlichen Fleischsymposium mit dem Thema Alternativen zu Fleisch auseinandergesetzt und bleiben bei unserer Linie, dass wir für regional erzeugtes Fleisch stehen und dass wir auf die Qualität aufmerksam machen.

Wir versuchen die Konsumenten für das zu begeistern, was unsere Landwirtschaft bietet. Wir werden niemandem in den Einkaufswagen oder in den Kühlschrank schauen. Was sie oder er gerne konsumiert, darf jede Person für sich selbst wählen. Wenn jemand gerne Fleisch isst, dann bekommt diese Person von uns die Informationen, die man braucht, um eine gute und informierte Wahl zu treffen. Das gilt für Fleisch und alle anderen Produkte.

Im Zuge der Waldbrände in Brasilien wurde Kritik am AMA Gütesiegel laut, dass heimische Tiere mit brasilianischem Soja gefüttert werden, dessen Produktion eben diese Urwaldbrände mitverursache. Wie reagiert die AMA darauf?

Wir gehen seit vielen Jahren sukzessive in Richtung eines möglichst hohen Anteils an Gentechnik-freier Produktion. Das ist bei Milch- und Milchprodukten heute zu 100 Prozent der Fall, bei Geflügel auch und bei Rindfleisch fast. Bei Schweinefleisch spielt gentechnisch verändertes Futter in Österreich eine Rolle. Das ist so. Wir bieten Module an, wo wir auch bei Schweinefleisch die Gentechnik-freie Fütterung absichern. Eines der wichtigsten Projekte in dem Zusammenhang ist das Donausoja-Projekt, das relativ breit unterstützt wird. Tatsache ist, dass Schweinefleisch eines der am heftigsten diskutierten Lebensmittel auf dem österreichischen Markt ist.

Umweltschützer gehen davon aus, dass Farmer Brände im Amazonasgebiet legen, um neue Flächen für Viehherden und für den Anbau von Soja zu gewinnen. Dieses Soja wird als Futtermittel nach Europa importiert. Donau Soja ist ein Projekt, dass den Sojaanbau in Europa als nachhaltige und regionale Alternative forcieren will. Die Initiative wurde 2012 in Österreich gegründet und umfasst mittlerweile hunderte Mitglieder in mehr als 20 Ländern. Donausoja ist allerdings um 15 bis 20 Prozent teurer als Importware – eine Rechnung, die etwa für Schweinefleisch kaum aufgehen kann.

Der Wettbewerb zwingt die Produzenten auf die günstigsten Produktionsbedingungen zu setzen. Ich glaube fest daran, dass es ohne einen Schulterschluss zwischen Politik, Handel und Konsumenten und Konsumentinnen nicht gehen wird. Da brauchen wir ein allgemeines Verständnis und ich erwarte, dass es so einen Tipping-Point geben wird. Ein Punkt, an dem sich alle einig sind, dass es genug ist und ein neues System her muss. Vielleicht erreichen wir den, wenn Konsummengen nachgeben und die Wertschöpfung mehr Gewicht bekommt.

Die AMA zeichnet auch Obst und Gemüse mit dem Gütesiegel aus. Viele von diesen landwirtschaftlichen Erzeugnissen landen bereits auf dem Müll bevor sie überhaupt in den Handel kommen, weil sie bestimmten Kriterien nicht entsprechen. Wie kann man das verhindern?

Die wichtigste Maßnahme ist es, zu analysieren, wo die meisten Lebensmittel verloren gehen und auf dem Müll landen. Da spielt das Einkaufsverhalten der Haushalte eine zentrale Rolle. Da braucht es noch sehr viel an Aufklärung und wahrscheinlich auch Programme wie seinerzeit bei der Einführung der dualen Abfallbewirtschaftung. Da wurden Kinder in den Schulen informiert und sensibilisiert, die dann ihre Eltern oder Erziehungsberechtigten in die Pflicht nehmen. Davon nehme ich bei der Vermeidung von Lebensmittelmüll noch gar nichts wahr und das wäre ein großes Potenzial.

587.000 Tonnen genießbare Lebensmittel werden in Österreich laut einer aktuellen Studie des Österreichischen Ökologie Instituts und des WWF pro Jahr entlang der gesamten Wertschöpfungskette entsorgt. Die größten Lebensmittelverschwender sind Haushalte, Restaurants und Produktion. Der Anteil der Landwirtschaft kann derzeit nur geschätzt werden.

In der Verarbeitung selbst geht relativ wenig an Rohstoff verloren. Neben den Haushalten ist sicherlich die Frage, wie wir auf den Feldern und in der Landwirtschaft so viele Lebensmittel wie möglich zur Verarbeitung bringen. Das ist eine zentrale Frage: Wie kann man trotz natürlicher Einflüsse wie Wetter oder Schädlingsbefall einen möglichst großen Anteil der Lebensmittel zu den Konsumenten und Konsumentinnen bringen. Das hat nicht nur ethisch eine Bedeutung, sondern auch, wenn neun Milliarden Menschen auf diesem Planeten ernährt werden sollten.

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