Kritik

COVID-Startup-Hilfsfonds: Einige Gründer fühlen sich im Stich gelassen

© Photo by Matthew Brodeur on Unsplash
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Das erste Hilfspaket für österreichische Startups  – der COVID-Startup-Hilfsfonds – ist mit einiger Verspätung am Freitag gestartet worden. Bei der aws können innovative, wachstumsorientierte Jungfirmen um Zuschüsse ansuchen. Die Zuschüsse sollen in der Corona-Krise Investments verdoppeln und dafür sorgen, dass das Startup durch die Lockdowns verursachte Schäden kompensieren kann und Mitarbeiter nicht hinauswerfen muss.

Bis zu 800.000 Euro an staatlichen Zuschüssen kann man sich bei der aws holen, zurückzahlen muss man sie nur im Erfolgsfall. Doch nicht jede Firma ist ein Startup, und Unternehmen, die für die Zuschüsse in Frage kommen, müssen eine Vielzahl an Kriterien erfüllen. Dazu gehört unter anderem auch, dass die Gründung längstens 5 Jahre zurückliegen muss und dass unabhängige private Investoren die Finanzierungsrunde, die die Zuschüsse auslöst, durchführen. Auch gibt es Einschränkungen bei einigen Branchen.

Gründer fühlen sich ausgeschlossen

Kurz nach Bekanntwerden der Kriterien für den COVID-Startup-Hilfsfonds hat sich bei einigen Gründern bereits große Enttäuschung breit gemacht. Denn die Regeln besagen, dass Mehrheitsgesellschafter und Geschäftsführer nicht als unabhängige private Investoren zählen – und das schließt damit viele Startup-Gründer davon aus, selbst frisches Kapital durch staatliche Zuschüsse verdoppeln zu können.

„Die Richtlinie schliesst ausdrücklich Geschäftsführer, und damit meist die Gründer, aus dem Kreis anspruchsberechtigter Investoren aus. Es ist nicht einzusehen, dass das Investment eines Gründers dem eines reinen Gesellschafters gegenüber finanziell derartig stark benachteiligt wird, nur weil der Gründer Geschäftsführer ist“, sagt etwa Reinhard Holzner, Gründer und Geschäftsführer von smint.io (mehr dazu hier). „Gerade in diesem Zeiten sind es nun mal die Bestandsgesellschafter und damit auch die Gründer, die oft rettende Investoren in ihrem eigenen Startup werden – das ist positiv! Und das wird nun bestraft mit einem irrsinnigen Kapitalnachteil, der zwischen Leben und Tod des Startups entscheiden kann.“

Fünf-Jahres-Regel in der Kritik

Der zweite große Kritikpunkt von Kennern der Startup-Szene ist die Begrenzung auf das maximale Alter von fünf Jahren. „Eine ganze Kohorte von bereits größeren österreichischen Startups fällt damit leider durch jegliche AWS-Raster“, sagt etwa Armin Wahls, Mitgründer und CEO des Wiener HR-Startups Firstbird.

Vor allem bei Hardware-Startups, die von langen Entwicklungszeiten bzw. „Go to market“-Phasen sprechen, dürfte die 5-Jahres-Grenze ein Problem darstellen. Sie sind oft nur seit kurzem am Markt, aber gegründet wurde schon vor mehr als fünf Jahren. „Dies ist eine beihilfenrechtliche Vorgabe der Europäischen Union und kann nicht abgeändert werden“, heißt es dazu seitens aws.

Einschränkungen für Fintechs

Ebenfalls erwähnenswert ist, dass es bei Fintechs und Insurtechs eine Einschränkung gibt. Denn sobald ein Startup in dem Bereich konzessionspflichtig ist (etwa alle, die mit PSD2/ZaDiG arbeiten oder eine Wertpapier-Lizenz haben), kann es keine Zuschüsse bekommen. Begründet wird das damit, dass Startups mit FMA-Konzession strengeren staatlichen Regulatorien unterliegen als andere.

Wer ist innovativ, wer nicht?

Generell werden so manche Firmen, die sich als Startup sehen, nicht zum Zug kommen, auch wenn sie die notwendigen „unabhängigen privaten Investoren“ auftreiben können. Denn der Beleg des Innovationskriteriums ist zentral für all jene, die nicht schon durch eine Förderung der aws oder FFG in den letzten zwei Jahren quasi den staatlichen Stempel, innovativ zu sein, bekommen haben. Denn was ist nun genau eine Produkt- oder Service- oder Prozessinnovation?

Die aws gibt hierzu mehrere Beispiele:

  • Produkt- oder Serviceinnovation liegt etwa vor bei
    • erstmaliger Entwicklung einer browserbasierten Registrierkassenlösung
    • Entwicklung eines neuen Werkstoffes, der hohe Anforderungen an Festigkeit, Passgenauigkeit und Korrosionsbeständigkeit erfüllt
    • Die Erstentwicklung von smarter Kleidung
  • Produkt- oder Dienstleistungsweiterentwicklung liegt etwa vor bei
    • Entwicklung einer browserbasierten Registrierkassenlösung, die für die Bedürfnisse einer bestimmten Branche maßgeschneidert ist
    • Der Brennpunkt eines bestehenden Werkstoffes wird erhöht, wodurch sich neue Einsatzgebiete erschließen
    • Die Kombination von atmungsaktiven Materialen und smarter Kleidung, mit der die Kundengruppe der Sportlerinnen und Sportler angesprochen wird
  • Prozessinnovation liegt etwa vor bei
    • Die Entwicklung einer automatisierten Vernetzung mit der Registrierkasse beim Kunden und dadurch Optimierung der Serviceintervalle
    • Umsetzung von Industrie 4.0 in einem Startup
  • Innovation, die zu klimarelevanten Verbesserungen von Produkten oder Prozessen beiträgt, liegt etwa vor bei
    • Prozessinnovation des Unternehmens trägt zur Senkung der Energiekosten bei

Bei der Bestimmung, ob es sich nun um eine innovative Jungfirma handelt oder nicht, gibt es natürlich schon seit langem eine Diskussion. In diese Diskussion werden nun auch Steuerberater und Wirtschaftsprüfer einbezogen. Denn sie sind es, die für das beantragende Startup per Unterschrift bestätigen, dass es ein innovatives Unternehmen ist (Trending Topics berichtete).

Weitere Punkte im Kleingedruckten

Hervorzuheben sind aber auch einige positive Punkte beim COVID-Startup-Hilfsfonds, die teilweise anders erwartet wurden. So können die Zuschüsse auch bezogen werden, wenn das Startup bereits andere Corona-Hilfsmaßnahmen in Anspruch genommen hat. Die Corona-Kurzarbeit ist kein Ausschlussgrund, auch gibt es eine Kombinationsmöglichkeit mit den Überbrückungsgarantien der aws. Möglich ist auch, dass das Startup neben dem Zuschuss aus dem Startup-Hilfsfonds auch einen Fixkostenzuschuss aus dem Corona-Hilfs-Fonds bekommen könnte. Und: Die Zuschüsse fallen nicht unter die vielerorts unbeliebte De-minimis-Regelung.

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