Exit bei enliteAI: Clemens Wasner’s AI-Startup Detekt wird von Cyclomedia gekauft

Clemens Wasner ist seit einigen Tage ziemlich gut gelaunt. Der Gründer des AI-Venture-Studios enliteAI, nebenbei auch Kopf von AI Austria und Co-Host des AI Talk-Podcasts von Trending Topics, hat auch guten Grund dazu. Denn ihm und seinem Team ist es gelungen, die KI-Eigenentwicklung Detekt in nur zwei Jahren zum Exit zu führen. Käufer ist Cyclomedia aus den Niederlanden, Weltmarktführer in der digitalen Visualisierung von Außenräumen.
Detekt ist eine Datenplattform, die Mobile-Mapping-Daten und KI kombiniert, um verschiedene Assets präzise zu identifizieren und zu extrahieren; zum Beispiel: Verkehrsschilder, Fahrbahnmarkierungen und Straßenschäden etc. Nach der Übernahme durch Cyclomedia bleibt das Team von Detekt am Standort in Wien erhalten und soll sogar erweitert werden – Wasner wird noch einige Zeit in beratender Rolle für Detekt tätig sein, aber Hauptaugenmerk auf enliteAI und ein zweites Venture im Energiebereich lenken.
„Wir freuen uns, die außergewöhnlichen Talente in unser bestehendes Team aufzunehmen, um unsere KI-Fähigkeiten weiter zu stärken und auszubauen und diese auf unsere Data Insights-Produkte und -Dienstleistungen anzuwenden sowie unseren bestehenden Technologie-Stack zu verbessern“, sagt Sean Fernback, Chief Executive & Technology Officer bei Cyclomedia, in einem offiziellen Statement. „Wir sehen eine steigende Nachfrage nach hochpräzisen Data Insights in den von uns bedienten Branchen und möchten gleichzeitig unsere eigene interne Agenda beschleunigen, wenn es darum geht, KI in unserem Unternehmen zu nutzen.“
Im großen Interview erzählt Wasner alles rund um den Detekt-Deal und die Zukunft von enliteAI.
Trending Topics: Wie geht es dir nach dem großen Exit?
Clemens Wasner: Du, in Österreich würde man sagen, die Richtung stimmt. Ende gut, alles gut – endlich wieder Bandbreite, um neue Themen anzugehen. Die letzten Wochen waren schon ziemlich stressig, aber jetzt bin ich definitiv gechillter.
Für alle, die Enlite AI noch nicht kennen: Was macht euer Unternehmen genau?
Wir haben das Unternehmen Ende 2017 zu dritt gegründet. Wie so oft, wenn man nicht weiß, was man tun soll, geht man in die Dienstleistung – im Englischen gibt es den Spruch: „If you don’t know what to do with your life, you become a consultant.“ So ähnlich war das bei uns. Wir haben KI-Strategie-Projekte für sehr große Unternehmen durchgeführt und sind später auch in die Implementierung gegangen.
Um 2020/21 stellten wir fest, dass wir nicht ein Thema mit Produktpotenzial haben, sondern zwei. Da sind wir auf das Konzept eines Venture Studios gekommen – unter unserer Hülle entwickeln wir zwei Themen, um sie dann zu veräußern. 2023 haben wir dafür Geld geraised mit Breeze Invest als Lead-Investor, sowie Speed Invest und Floud Ventures als Co-Investoren.
Was sind diese beiden Themen?
Einerseits die Steuerung von Stromnetzen mit Reinforcement Learning – das ist die Technologie, die man von AlphaGo kennt. Andererseits die Analyse von Mobile-Mapping-Daten. Das ist das, was man in Google Street View sieht, nur zusätzlich mit 3D-Punktwolkendaten. Dieses zweite Thema hatte ein eigenes Branding: Detekt.
Und Detekt habt ihr jetzt verkauft. Erzähl uns von diesem Deal.
Detekt wurde von Cyclomedia gekauft, dem größten Mobile-Mapping-Unternehmen der Welt aus den Niederlanden. Konkret geworden ist es letztes Jahr im September auf der Intergeo-Messe in Deutschland – das ist sozusagen das Woodstock der Geodaten-Branche.
Wie kam es zu diesem Kontakt?
Am Schirm waren wir schon länger, aber richtig konkret wurde es auf der Intergeo, quasi der Mobile World Congress für Geodaten-Unternehmen. Bemerkenswert war: Erstens kam jemand aus der C-Level-Etage direkt zu unserem Messestand. Zweitens wusste er detailliertestens über unsere Venture-Studio-Ausrichtung mit den beiden Themen Detekt und Energy Bescheid. Da hat jemand die Hausaufgaben gemacht. Nach dem ersten Gespräch um die Mittagszeit stand er zwei Stunden später mit seinem Private-Equity-Partner wieder bei uns. Der gesamte Prozess dauerte dann neun Monate.

Was macht Detekt technologisch so besonders?
Man kann sich das wie Google Street View für den B2B-Bereich vorstellen – es geht um Asset Management im öffentlichen Raum. Wir analysieren, wo Schlaglöcher sind, wie der Straßenzustand ist, wo Verkehrszeichen stehen und ob sie richtig positioniert sind. Unsere Technologie kombiniert Computer Vision mit 3D-Punktwolkendaten und kann im Millimeterbereich feststellen, wo sich welcher Riss befindet. Wir klassifizieren dutzende unterschiedliche Rissarten.
Warum war das für Cyclomedia interessant?
Cyclomedia hat ein interessantes Problem: Als größtes Mobile-Mapping-Unternehmen der Welt können sie nicht überall ihre Autos einsetzen. In vielen Ländern dürfen nur lokale Firmen solche Befahrungen durchführen – Stichwort National Security. Wir hatten bereits Kunden wie TomTom und Projekte in Saudi-Arabien. Cyclomedia suchte nach einem Weg, in Regionen zu wachsen, wo sie nie „Wheels on the Ground“ haben werden.
Was kannst du über die Kaufsumme verraten?
Die darf ich nicht verraten, nicht einmal andeuten. Die Private-Equity-Leute wissen, wie sie das formulieren – da habe ich einen Maulkorb für die nächsten Jahre.
Was passiert mit dem Team und der Technologie?
Das ist die erfreuliche Nachricht für den Standort: Das Team bleibt komplett erhalten, an derselben Adresse in Wien. Die Marke bleibt bestehen, alle Kundenbeziehungen gehen mit über. Der Standort Wien soll sogar gestärkt und ausgebaut werden. Unser Head of Machine Learning von Detekt ist jetzt Head of Machine Learning der gesamten Cyclomedia.
Dein Hintergrund ist ziemlich ungewöhnlich – vom Lavantal nach Asien und dann zum KI-Exit. Wie kam es dazu?
Das Technikinteresse begann früh – mit sechs Jahren bekam ich meinen ersten Commodore C64. Nach der HTL wollte ich nichts mehr mit Computern machen und studierte in Wien Sprachen und Informatik. 2004 ging ich das erste Mal nach China, was damals überhaupt nicht auf meiner Bingo-Card stand.
Aus drei geplanten Monaten in Tokio wurden dann zehn Jahre in Asien?
Genau. Sieben Jahre in Japan, drei in China, 13 Mal umgezogen. Der Aha-Moment war 2014, als Google das erste selbstfahrende Auto vorstellte. In Japan wurde das wie der Ölschock der 70er Jahre wahrgenommen als größte Bedrohung des Wirtschaftsstandorts. Das führte zu massiven KI-Investments. Da dachte ich mir: Das kann nicht verkehrt sein, wenn Japan, China und die USA so auf dieses Thema aufspringen.
Warum bist du 2016 nach Österreich zurückgekehrt, statt in Asien zu gründen?
Punkt eins: Umweltverschmutzung in China war damals noch ein massives Thema. Punkt zwei: Japan war bis vor wenigen Jahren das gründerfeindlichste Environment überhaupt – kaum Series-A-Startups, und persönlich warst du praktisch unbeschränkt haftbar. Das war keine Option.
Detekt ist verkauft, aber Enlite AI geht weiter. Was sind die Pläne?
Nachdem uns der Exit für Detekt in weniger als zwei Jahren gelungen ist – was uns aus Venture-Studio-Sicht in die Top 10% bringt – wäre es charmant, auch den zweiten und letzten Exit mit unserem Energy-Thema hinzubekommen. Das steht definitiv auf der Bingo-Card.
Wie funktioniert diese Energy-Lösung?
Wir nutzen Reinforcement Learning für die Steuerung von Stromnetzen. Das Problem: Stromnetze sind für eine Energiesituation gebaut, die es nicht mehr gibt. Heute haben wir erneuerbare Energie an allen Ecken und Enden, aber auch massiv gestiegenen Verbrauch. Wenn es Unterversorgung gibt, müssen sich Netzbetreiber teuer Energie am Spotmarkt kaufen – meist von fossilen Kraftwerken. In Österreich kostet das jährlich eine Viertelmilliarde Euro, in Deutschland 4-5 Milliarden, in Europa 15-20 Milliarden. Wir optimieren diese Netze mit KI.
Ein zweiter Exit ist also das Ziel?
Definitiv. Wir müssen das Energy-Thema ohnehin früher als später ausgründen, weil die ursprüngliche Enlite GmbH durch die Haftungen aus dem Detekt-Deal uninvestable geworden ist. Kein Energy-Investor will sich die Haftungen vom Detekt-Deal eintreten.
Wirst du dem AI-Talk-Podcast erhalten bleiben?
Auf jeden Fall – vielleicht sogar mit mehr Zeit. Aber der starke Antrieb ist jetzt, einen Exit auch im Energy-Bereich hinzubekommen. Exit Nummer zwei, und dann ist alles andere Zukunftsmusik. In diesem Bereich ist es nie eine gute Idee, zu weit in die Zukunft zu denken, wenn man bedenkt, wie schnell sich alles entwickelt.
Das gesamte Interview ist auch im AI Talk Podcast „Exit Edition“ zu hören:
AI Talk Exit Edition: Clemens Wasner’s Detekt von Cyclomedia übernommen