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Eigenkapital vs. Fremdkapital: Wer ist der Good Cop, wer der Bad Cop?

Heinrich Prokop (Clever Clover) und Birgit Polster (GründerCenter der Erste Bank). © Clever Clover/Erste Bank, Montage Trending Topics
Heinrich Prokop (Clever Clover) und Birgit Polster (GründerCenter der Erste Bank). © Clever Clover/Erste Bank, Montage Trending Topics

Zuerst einen Business Angel an Land ziehen, dann eine Kreditlinie bei der Bank aufnehmen, daneben Crowdfunding und oben drauf noch eine Förderung? Startups und Scale-ups haben neben Team, Sales und Produkt immer ein ganz großes Thema: die Finanzierung. Dabei kommt es auf den richtigen Partner zum richtigen Zeitpunkt an. Der Finance Navigator der Erste Bank und Sparkasse bietet Gründern einen ersten Anhaltspunkt.

Außerdem kann man über das Portal www.fundnow.at einfach herausfinden, welche Kombination aus klassischer und alternativer Finanzierung (also Eigenmittel, Kredit, Leasing, Crowdinvesting, Beteiligungskapital und/oder Förderungen) am besten zum eigenen Startup passt.

Im großen Doppel-Interview sprechen Birgit Polster, Spezialistin beim GründerCenter & Förderservice der Erste Bank, und Heinrich Prokop, Startup-Investor bei Clever Clover, über die Vor- und Nachteile von Eigen- und Fremdkapital und was Startup-Gründer:innen am besten zu welchem Zeitpunkt an Bord holen.

Trending Topics: Welche Einstellung hat die Bank als Fremdkapitalgeber zum Thema Eigenkapital?

Birgit Polster: Als Bank ist man angewiesen darauf, dass Startups vor allem in frühen Phasen Eigenkapital von Investoren bekommen. Die Bank darf ja erst finanzieren, wenn ein Produkt Marktreife hat, also wenn der Proof of Concept da ist. Meistens ist es aber so, dass es Startups nicht schaffen, mit Eigenmitteln bis zur Marktreife zu gelangen. Diesen Gap schließen Investoren.

Eigenkapital macht die Sache sowohl für die Gründer als auch für uns leichter. Der Proof of Concept wird durch das zusätzliche Kapital schneller erreicht, deswegen sind Investoren für die Bank willkommene Partner.

Wie bewerten Sie als Investor Fremdkapital, Herr Prokop?

Heinrich Prokop: Eine Bank ist kein Investor. Die Bank hat nicht die Aufgabe, zu investieren, sondern das laufende Geschäft zu finanzieren. Es gibt noch immer viele Ventures und Startups, die ihr Working Capital mit Equity finanzieren. Das ist ein wirklicher Kardinalfehler. Man muss immer differenzieren, wofür die Bank da ist und welchen Teil sinnvollerweise Investoren übernehmen.

Jeder Investor ist happy, wenn es eine aktive, nutzbare Kreditlinie gibt. Wir arbeiten mit der Erste Bank auf Augenhöhe zusammen. Die Bank ist nicht nur als Kreditgeber und Anbieter von Service-Leistungen wichtig, denn ein Ruf der Bank nach belastbaren Ziffern und Zahlen wird oft mehr gehört als der Ruf des Investors. Die Bank kann hier die Rolle des „Bad Cops“ übernehmen (lächelt).

Viele Gründer sagen, dass sie lieber einen Kredit aufnehmen, weil sie dann keine Anteile an Investoren abtreten müssen. Ist das ein Vorteil von Fremdkapital?

Polster: Jeder Kapitalgeber hat seine Vor- und Nachteile, so ehrlich muss man sein. man muss immer schauen, welche Projektteile finanziert werden müssen. Es gibt ja nicht nur Banken und VCs, sondern auch Crowdfunding und andere Tools.

Der Vorteil einer Bankfinanzierung ist sicher, dass sie sehr günstig ist, weil man keine hohen Darlehenszinsen bezahlen muss, und ja, man muss auch keine Anteile hergeben. Vor allem Förderstellen. aber auch Banken bestehen gerade bei Neugründungen immer auf eine persönliche Haftung, und gerade in den letzten eineinhalb Jahren hat sich das noch mehr in den Köpfen der Risiko-Manager verfestigt. Das hat aber auch immer Symbolcharakter und psychologische Wirkung.

Mut zum Pivot: Wie Gründer durch die Krise kommen

Welche Vorteile hat Eigenkapital?

Prokop: Das ist differenziert zu betrachten. Man braucht die richtigen Investoren zum richtigen Zeitpunkt in der Entwicklung des Unternehmens. Das ändert sich mit der Zeit und mit den Needs, die man von einem Investor erwartet.

Das ist wie beim Jenga-Turm. Wenn man den Turm zu Anfang schief gebaut hat, dann kann man diesen nur mehr sehr wieder gerade bauen. Man muss die ersten Investoren, oft Friends und Family, zum passenden Zeitpunkt die Möglichkeit geben auszusteigen – um die Anteile für die nächsten Investoren wieder frei zu haben. Der „Onkel“ , der die ersten 100.000 Euro aus dem Sparstrumpf gegeben hat, soll nach einigen Jahren die Chance haben ggf. auch 200.000 Euro zurückzubekommen.

Aber man muss immer wissen: Investoren sind nicht deine Freunde. Je professioneller sie sind, desto weniger sind sie in der „Friendzone. Startup-Gründer sind vielleicht gute Kollegen und man hat gemeinsam Spaß am Projekt, am Ende jedoch arbeiten sie mit meinem Geld, dass ich zurück haben möchte. Das vergessen Startups immer wieder.

Polster: Ja, Heinrich, du hast recht. Viele Startups überlegen sich das nicht. Sie holen sich reine Kapitalgeber, aber keine strategischen Investoren, weil sie glauben, dass sie eh alles wissen. Der reiche Großonkel kann aber im operativen Geschäft meistens nicht weiterhelfen.

Prokop: Ja, diese Erfahrung habe ich auch gemacht. Die reichen Freunde können am Ende durchaus störend sein – daher ist die Investorenstruktur tatsächlich entscheidend. Aber auch der strategische Investor ist ein “Big Myth”. Ein Business Angel, der fünf Leute in der Branche kennt, ist kein strategischer Investor. Der richtige strategische Investor kommt später, in der zweiten oder dritten Runde, wenn man Richtung Exit geht.

Was ist die richtige Reihenfolge: Zuerst Eigenkapital und dann Fremdkapital, oder umgekehrt?

Polster: Der erste Schritt sollte sein, sich den Finance Navigator der Erste Bank anzusehen. Dort kann man sich nach den einzelnen Startup-Phasen anzeigen lassen, welche Kapitalgeber man ansprechen kann. Ein ganz junger Gründer nur mit einer Idee muss nicht zur Bank gehen, das ist Zeitverschwendung. Ganz am Anfang sollte man in jedem Fall einen Businessplan schreiben und diesen laufend adaptieren.

Prokop:Einen realistischen Businessplan zu haben, ist sehr wertvoll. Wer von Anfang an die eigenen Lügen glaubt, wird scheitern. Nur damit kann man abschätzen, wann man wie viel Geld brauchen wird, um die gesetzten Ziele zu erreichen. Was brauche ich zu welchem Zeitpunkt: Das zu wissen, ist essenziell. Viele Unternehmungen arbeiten viel zu spät am Investoren-Thema. Man muss wissen: Bestenfalls verläuft eines von zehn Investorengespräche positiv. Viele Startups scheitern, weil sie das Geld zu spät suchen.

Wie österreichische Startups mit Franchise den Wachstumsturbo aufdrehen

In Österreich gibt es vermehrt politische Ambitionen, das Eigenkapital österreichischer Firmen zu stärken. Wie steht das Land aktuell in Sachen Eigenkapital da?

Prokop:Es ist leider zum Davonlaufen. Seit zehn Jahren reden wir darüber, aber es hat sich nicht viel getan. Mein Best Practice sind die Niederlande: Dort sind Beteiligungen von über fünf Prozent, die man länger als fünf Jahre hält, bei positivem Exit steuerfrei. Das ist ganz simpel und erhöht die Motivation, sich an Startups und generell Firmen zu beteiligen, also Eigenkapital einzubringen. Auch in Großbritannien gibt es Ähnliches. In Österreich gab es immer wieder Zusagen, aber es wurde nie etwas umgesetzt. Es ist mir schleierhaft, warum nichts passiert.

Polster: Die aktuellen Initiativen derzeit gehen eher dahin, dass das Eigenkapital von Bestandsunternehmen gestärkt wird, etwa mit einer neuen Verzinsungsvariante, aber das hilft den Startups nicht.

Wie könnte man Eigenkapital bei Startups zu stärken?

Polster: Na klar, umso mehr Investoren es einfacher haben, sich zu beteiligen, desto mehr Startups kommen auf den Markt. Der Investorenkreis in Österreich aber stagniert leider.

Prokop:Pensionskassen und Versicherungen können hierzulande nicht investieren. In anderen Ländern ist das genaue Gegenteil der Fall, dort werden Pensionskassen sogar verpflichtet, einen bestimmten Anteil ihrer Fonds in das Ökosystem zu investieren. Österreichische Investoren sind auch heute spärlich gesät, das große Geld kommt aus dem Ausland.

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