Erst ab 1,5 Milliarden Euro Umsatz: Lieferketten-Richtlinie weiter aufgeweicht

Der Rat der Europäischen Union hat sich auf weitreichende Änderungen der EU-Lieferkettenrichtlinie geeinigt. Die Modifikationen sehen höhere Schwellenwerte für betroffene Unternehmen und einen veränderten Ansatz bei der Überprüfung von Lieferketten vor.
Neue Schwellenwerte und Ansätze
Ursprünglich sollten Unternehmen ab 1.000 Beschäftigten und einem Nettoumsatz von mindestens 450 Millionen Euro von der Richtlinie erfasst werden. Der Rat hat nun eine Erhöhung auf 5.000 Beschäftigte und 1,5 Milliarden Euro Umsatz beschlossen.
Zusätzlich plant der Rat eine Änderung von einem einheitsbezogenen zu einem risikobasierten Ansatz. Unternehmen sollen sich künftig auf Bereiche konzentrieren, in denen tatsächliche oder potenzielle negative Auswirkungen am wahrscheinlichsten sind. Die Verpflichtung zur umfassenden Kartierung der Lieferketten soll durch eine allgemeinere Abgrenzung ersetzt werden. Die Beschränkung der Pflichten auf direkte Geschäftspartner („Tier 1“) bleibt bestehen.
Reaktionen aus der Wirtschaft
Der Handelsverband begrüßt die Entscheidung als Schritt zu mehr Praxistauglichkeit. Geschäftsführer Rainer Will verwies auf die Bürokratiebelastung österreichischer Unternehmen und zitierte Zahlen der Bertelsmann-Stiftung, wonach in Österreich jährlich über 12 Prozent der Wertschöpfung durch Bürokratie verloren gehen.
Will betonte, dass der Handelsverband weiterhin hinter den grundsätzlichen Zielen des Lieferkettengesetzes stehe, jedoch eine praxistaugliche Umsetzung für entscheidend halte.
Kritik von Gewerkschaften und Grünen
Der Österreichische Gewerkschaftsbund (ÖGB) kritisiert die Änderungen scharf. ÖGB-Ökonomin Miriam Fuhrmann bezeichnete die Lockerungen als „Demontage“ des Gesetzes unter dem „Deckmantel von Bürokratieabbau“. Sie verwies auf die weltweite Problematik der Kinderarbeit, von der aktuell 138 Millionen Kinder betroffen seien, und das Ziel der Weltgemeinschaft, Kinderarbeit bis 2025 abzuschaffen.
Auch die Grünen-Europaabgeordnete Lena Schilling übt scharfe Kritik. Sie bezeichnete die Entscheidung als „Frontalangriff auf den Schutz von Menschenrechten und Umweltstandards“ und warnte vor der Untergrabung der Glaubwürdigkeit europäischer Regelungen.
Verfahren und Zeitplan
Die Änderungen sind Teil des sogenannten Sustainability Omnibus (Omnibus I). Die ursprünglich bereits im Juli 2024 in Kraft getretene Lieferkettenrichtlinie war bereits auf 2028 verschoben worden. Kritiker bemängeln, dass die Änderungen in einem Eilverfahren ohne ausreichende Stakeholder-Beteiligung beschlossen wurden.
Die finalen Verhandlungen zwischen Rat, Europäischem Parlament und Kommission stehen noch aus, wobei die verschiedenen Interessensgruppen bereits ihre Positionen für die anstehenden Gespräche formuliert haben