Gastbeitrag

Future{hacks}: Mit Data Spaces souverän und transparent teilen statt völligem Kontrollverlust

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Sie kennen das Spiel: Der Lieferant braucht Produktdaten, die Behörde will Nachhaltigkeitsnachweise, der Partner fordert Qualitätszertifikate. Jedes Mal E-Mails hin und her, Excel-Listen in der zehnten Version, Unsicherheit darüber, wer die Daten am Ende wie weiterverwendet. Und dann liegt man nachts wach und fragt sich: Haben wir gerade die Kontrolle verloren? Es gibt eine bessere Lösung. Wissen teilen, ohne es wegzugeben.

Das Problem: Datensilos und Vertrauenskrisen

Die digitale Zusammenarbeit steckt in einem Dilemma. Einerseits der wachsende Zwang zur Transparenz: Lieferketten müssen dokumentiert werden, Produktpässe kommen, Behörden verlangen Nachweise. Andererseits die berechtigte Angst vorm Kontrollverlust: Was passiert mit meinen Daten, wenn sie das Haus verlassen?
Bisherige Antwort: zentrale Plattformen als digitaler Treuhänder. Das Problem: Wer garantiert, dass man in drei Jahren nicht im goldenen Käfig sitzt, unfähig den Anbieter zu wechseln?

Die Alternative: Data Spaces als föderales Regelwerk

Ein Data Space funktioniert anders. Jede Organisation behält ihre Daten im eigenen Haus, aber alle einigen sich auf gemeinsame Spielregeln. Wie das Stromnetz: Die Kraftwerke bleiben dezentral, aber alle nutzen die gleiche Spannung und Steckdose.

Konkret: Ihre Daten liegen weiterhin auf Ihrem Server. Wenn ein autorisierter Partner zugreifen will, geschieht das über eine standardisierte „Steckdose“ an Ihrer IT-Grenze. Diese prüft automatisch: Hat der Partner die richtigen Rechte? Ist der Verwendungszweck erlaubt? Jeder Abruf wird protokolliert als digitaler Nachweis.

Beispiel Lieferkette: Ein Automobilhersteller fordert von hundert Zulieferern Nachhaltigkeitsdaten. Früher: Excel per E-Mail, unklare Versionsstände, wochenlange Prüfungen. Mit Data Space: Jeder Zulieferer stellt seine Daten in einem standardisierten Katalog bereit. Der Hersteller findet sie, stimmt den Bedingungen zu, ruft sie ab. Bei Audits genügt ein Klick für den Nachweis: Diese Daten wurden am 15. März für Zweck X abgerufen, nicht weitergegeben, nach 90 Tagen gelöscht.

Beispiel Smart City: Eine Stadt will Echtzeitdaten über Fahrpläne, Störungen und Ladestationen kombinieren. Früher: Jeder Anbieter hat eigene Portale und APIs. Mit Data Space: Alle publizieren nach gleichen Standards, die Stadt kann Daten kombinieren, ohne sie zentral speichern zu müssen. Jeder Anbieter behält die Hoheit.

Wie es funktioniert: Vier Schritte

1. Finden: Ein Katalog zeigt verfügbare Datensätze mit Metadaten und Nutzungsbedingungen. Denken Sie an einen Bibliothekskatalog: Sie sehen, welche Bücher existieren, ohne sie alle herunterladen zu müssen.

2. Einigen: Anbieter und Nutzer vereinbaren: Für welchen Zweck? Wie lange? Weitergabe erlaubt? Diese Vereinbarung wird digital festgehalten und maschinell durchsetzbar.

3. Nutzen: Die „Steckdose“ – der Connector setzt die Regeln automatisch durch. Ist die Nutzungsdauer abgelaufen, ist der Zugriff gesperrt.

4. Nachweisen: Ein unveränderliches Journal protokolliert jeden Zugriff. Im Audit- oder Streitfall gibt es harte Fakten statt Diskussionen.

Vertrauen durch Verifizierung

Damit Zusammenarbeit ohne Bauchweh funktioniert, braucht es prüfbares Vertrauen. Hier kommt das Gaia-X Trust Framework ins Spiel. Ein europäisches Regelwerk, das die Frage beantwortet: „Wer bist du wirklich, und warum soll ich dir vertrauen?“

Das Prinzip ist wie bei einem Ausweis: Niemand glaubt Ihnen einfach, dass Sie Manu Mustermensch sind. Sie zeigen ein verifiziertes Dokument einer anerkannten Stelle. Gaia-X überträgt das auf Organisationen und deren IT-Systeme. Unternehmen erhalten digitale Nachweise über ihre Eigenschaften: EU-Ansässigkeit, Sicherheitszertifikate, Compliance-Status. Diese Nachweise sind maschinenlesbar und kryptographisch gesichert.

Wenn ein neuer Partner beitreten will, muss er nicht mehr behaupten „Wir erfüllen Standard X”, er weist es nach. Automatisch, ohne manuelle Prüfung. Viele europäische Data Spaces nutzen diesen Vertrauensanker als gemeinsame Basis, weil er Onboarding von Wochen auf Stunden verkürzt und spätere Streitigkeiten über Identität und Berechtigung verhindert.

Governance: Das unterschätzte Fundament

Ein Data Space braucht klare Spielregeln. Ein schlankes Rulebook sollte abdecken: Beitrittskriterien, Rollen, Haftung, Onboarding/Offboarding, Streitbeilegung und Sanktionen.

Beispiel: „Daten nur für Zweck X, maximal Y Tage, keine Weitergabe. Jeder Abruf wird protokolliert. Verstöße führen zu Rechtsentzug und Vertragsstrafe.“

Wer nicht bei Null anfangen will, nutzt erprobte Vorlagen. Die Data Intelligence Offensive (DIO), eine österreichische Initiative, die Unternehmen beim Aufbau von Datenökosystemen unterstützt, bietet etwa den „Blueprint Trust“ an: ein modulares Rulebook, das man auf den eigenen Use Case zuschneiden kann. Statt Monate in Gremien zu versumpfen, hat man in Tagen ein belastbares Fundament.

„Wir als DIO wollen den Wandel hin zu einer datenbasierten Wirtschaft aktiv mitgestalten und Österreich als Datenstandort stärken. Das geht allerdings nur mit einer starken Community. Daher bringen wir als Kooperations- und Netzwerkplattform Akteure zusammen, die Daten erzeugen, verarbeiten oder nutzen“, meint Christoph Edelbrunner, Projektmanager bei Data Intelligence Offensive.

Was man wirklich zum Start braucht

Drei Artefakte reichen:

– Ein Rulebook light mit Unterschriften:10 Seiten mit Kernregeln statt 200-seitiger Abhandlung.
– Ein Connector am Rand der eigenen IT: setzt Regeln durch, protokolliert Zugriffe. Open-Source-Lösungen lassen sich in Wochen integrieren.
– Ein Katalogeintrag und ein protokollierter Abruf: der Proof of Concept.

Der Souveränitäts-Check

Drei Fragen als Lackmustest:

  • Onboarding-fähig?
    Können neue Partner aufgenommen werden, inklusive Identitätsprüfung und Regeltest?
  • Exit-fähig?
    Besteht eine reale Exit-Option? Können Daten exportiert und Nachweise weiterverwendet werden?
  • Audit-fähig?
    Liegt ein lückenloser Verlauf vor, wer welche Daten wann wofür genutzt hat?

Unser Future{hacks} Fazit

Data Spaces sind Handwerk, kein Hype. Die Technologie ist da, Standards reifen, Vorlagen existieren. Wer jetzt startet, verschafft sich einen Vorsprung: Partnerschaften laufen reibungsloser, Audits werden zum Routinevorgang, neue Geschäftsmodelle mit Daten werden möglich – ohne dass man die Kontrolle aus der Hand gibt. Der Aufwand ist überschaubar, das Ergebnis konkret: Digitale Zusammenarbeit funktioniert endlich ohne Bauchweh.

Und das Wichtigste: Sie behalten die Handlungsfähigkeit. Während andere in proprietären Plattformen feststecken, können Sie Partner wechseln, Konditionen anpassen und souverän agieren. In einer zunehmend vernetzten Welt ist das kein Nice-to-have mehr, sondern ein handfester Wettbewerbsvorteil.

Markus Kirchmaier ist Prokurist & Partner bei LEAN-CODERS und beschäftigt sich seit Jahren intensiv mit dem IT-Arbeitsmarkt sowie modernen IT-Systemen und technologischen Entwicklungen. Hier geht es zu den anderen Beiträgen aus der Future{hacks}-Reihe.

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