Gender Investment Gap in Österreichs Startup-Szene verschärft sich weiter

Der Gender Investment Gap in der österreichischen Startup-Szene bleibt im ersten Halbjahr 2025 bestehen und verschärft sich sogar. Von 153 Gründungsmitgliedern, deren Startups in diesem Zeitraum eine Finanzierung erhielten, sind nur elf Frauen – das entspricht rund sieben Prozent und bedeutet einen Rückgang gegenüber dem Vorjahreswert von elf Prozent. Dies zeigt der aktuelle „Female Start-up Funding Index H1/2025“.
Für die aktuellen Ergebnisse taten sich Female Founders, Fund F und EY Österreich zusammen. Besonders drastisch zeigt sich die Ungleichverteilung beim investierten Kapital: 98,1 Prozent des Finanzierungsvolumens fließen an rein männlich besetzte Teams – ein starker Anstieg im Vergleich zu 75,7 Prozent im Vorjahr.
Von den 65 Startups mit erfolgreicher Finanzierungsrunde haben 83 Prozent ein ausschließlich männlich besetztes Gründungsteam. Der Anteil gemischter Teams am Investitionsvolumen sinkt von 24,2 Prozent auf nur noch 1,3 Prozent. Lediglich 0,6 Prozent des Kapitals fließt an rein weibliche Teams. Florian Haas, Head of Startup bei EY Österreich, erklärt: „Die Zahlen zeigen, wie tief das Ungleichgewicht im Ökosystem verankert ist. Wenn fast das gesamte Kapital an rein männliche Teams geht, muss man klar sagen: Der Gender Investment Gap ist strukturell – und kein Randphänomen.“
Status Quo entspricht „Marktversagen“
Natascha Fürst, CEO von Female Founders, betont die wirtschaftlichen Folgen: „Wer heute Gründerinnen unterfinanziert, lässt Rendite auf dem Tisch liegen – denn Diversität in Gründungsteams ist kein ‚Nice to have‘, sie ist der stärkste Wachstumshebel. Studien zeigen: Wenn wir den Gender Gap im Entrepreneurship in der EU schließen, könnte das jährliche EU BIP um bis zu 6,2 Prozent steigen. Was wir aktuell erleben – und was auch dieser Bericht zeigt –, ist ein strukturelles Marktversagen.“
„Die Zahlen sind schlicht und ergreifend schockierend. Tagtäglich berichten Medien über Insolvenzen, den Rückgang der Wirtschaftsleistung und irrwitzige Ideen, welche kreative Maßnahmen gesetzt werden könnten, um den Wirtschaftsmotor wieder anzukurbeln“, so Lisa-Marie Fassl, Managing Partner bei Fund F und Co-Gründerin von Female Founders.
Branchenunterschiede bei weiblicher Beteiligung
Deutliche Unterschiede zeigen sich je nach Branche. Der Frauenanteil unter den Gründer:innen mit abgeschlossener Finanzierungsrunde ist in den Bereichen PropTech (25 Prozent) und Media & Entertainment (20 Prozent) am höchsten. In FinTech, InsurTech, DeepTech und anderen technischen Segmenten sind keine Frauen unter den Gründer:innen mit abgeschlossener Finanzierungsrunde vertreten. Diese Zahlen verdeutlichen die ungleiche Verteilung über verschiedene Wirtschaftssektoren hinweg.
Frauen hauptsächlich in frühen Finanzierungsphasen vertreten
Gründerinnen sind in der österreichischen Startup-Finanzierungslandschaft nahezu ausschließlich in der Frühphase präsent: Bei Finanzierungsrunden von bis zu 1 Million Euro liegt der Frauenanteil unter den Gründenden bei immerhin zwölf Prozent. Bei mittleren Finanzierungsrunden nimmt der Anteil jedoch stark ab – und bei großen Tickets von mehr als 10 Millionen Euro ist bisher in 2025 keine einzige Frau unter den Gründer:innen vertreten. Frauen gelingt der Einstieg ins Ökosystem zunehmend besser, doch der Aufstieg bleibt blockiert.
Natascha Fürst fordert ein Umdenken: „Der Gender Investment Gap ist kein temporäres Phänomen – er ist strukturell. Deshalb braucht es eine ebenso strukturelle wie strategische Antwort.“ Bei Female Founders arbeite man täglich an der Beseitigung der drei größten Hürden: fehlender Vereinbarkeit, tief verwurzelten Vorurteilen gegenüber Frauen in Tech und dem Mangel an weiblichen Vorbildern. Fürst betont: „In den frühen 2030ern wird weltweit mehr Kapital in Frauenhand sein als in Männerhand. Die Frage ist: Gestalten wir diesen Wandel aktiv mit oder verpassen wir den Anschluss?“