Neuer Gedanke: Ist die Genossenschaft eine gute Rechtsform für Startups?
Barbara Pogacar ist Leiterin des Gründerservices des Österreichischen Genossenschaftsverbandes (ÖGV). Als studierte Juristin und Rechtsanwältin ist sie u. a. auf Unternehmens- und Gesellschaftsrecht sowie Insolvenzrecht spezialisiert. In diesem Gastbeitrag beschäftigt sie sich mit der Frage, ob die Genossenschaft als Rechtsform für Startups in Frage kommt.
Eine der ersten Fragen, die sich Gründer:innen stellen, ist die nach der geeigneten Rechtsform für ihr Unternehmen. Die Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH) wird für Startups oft als alternativlos betrachtet. Für Jungunternehmer:innen, die langfristig flexibel bleiben möchten bei gleichzeitig hoher Sicherheit für alle Mitgründer:innen lohnt sich allerdings ein näherer Blick auf die Genossenschaft.
Als gleichgesinnte und gleichgestellte Partner:innen gemeinsam Ziele zu erreichen, ist der Grundgedanke der Genossenschaft. Ähnlich der GmbH, wird sie von juristischen oder natürlichen Personen gemeinsam gegründet. Aber wenn es ans sogenannte Eingemachte geht, stellen sich wichtige Fragen über Haftung, Startkapital oder die Hereinnahme von Investoren.
Den meisten fällt dafür nur die GmbH als passable Lösung ein. Wohingegen die Genossenschaft fast alles bietet, was die GmbH kann – bei gleichzeitig weit weniger formalistischem Aufwand, ohne Mindest-Körperschaftsteuer und ohne vorgegebenes Startkapital. Letzteres beträgt bei der GmbH immerhin stolze 35.000 Euro. Die Regelungen für die Mitgliedschaft von Genossenschaftern sowie Stimmrechte werden in der Satzung definiert. Unter anderem können die Genossenschafter:innen so die Rahmenbedingungen für künftige Investments schaffen.
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Einfach gründen, langfristig flexibel und sicher
Die Gründung einer Genossenschaft ebenso wie der Ein- und Austritt von Genossenschaftern sind ohne Notariatsakt möglich. Gleichzeitig gibt die Satzung den Mitgliedern maximale Flexibilität. Sie bildet das Rückgrat der Genossenschaft und bietet dabei viel Raum für die individuelle Ausgestaltung der Zusammenarbeit.
Sicherheit für alle Genossenschafter:innen gewährleistet zum einen die gesetzlich vorgeschriebene Revision. Weisungsfreie Revisoren, deren Unabhängigkeit durch einen Kündigungsschutz gestärkt wird, prüfen neben der Wirtschaftlichkeit auch die Erfüllung der Satzung und des Unternehmenszwecks. Zum anderen ist die Haftung für Genossenschafter auf das doppelte des Geschäftsanteils beschränkt. Durch die Kombination aus unkomplizierter Gründung sowie Ein- und Austritt ohne Notariatsakt, maßgeschneiderter Satzung und unabhängiger Revision haben Genossenschafter somit ein hohes Maß an Sicherheit und Flexibilität.
Unterstützung der Verbände bietet zusätzliche Sicherheit
Genossenschaften werden auch nach der Gründungsphase nicht alleine gelassen: Die Beratungs- und Dienstleistungen der Verbände gehen meist weit über die Gründungsbegleitung und Revision hinaus. So bietet der Österreichische Genossenschaftsverband (ÖGV) seinen Mitgliedern auch Trainings und Schulungen sowie persönliche Unterstützung bei der Umsetzung von Gesetzen oder der rechtlichen Ausgestaltung neuer Unternehmensideen an. Die Verbände vertreten zudem die Interessen der Genossenschaften auf nationaler und europäischer Ebene und ermöglichen den Zugang zu einem großen Netzwerk an Unternehmen und Experten.
Lasst den freien Markt entscheiden, ob er die Notar:innen wirklich braucht!
Traditionsreich, aber voll im Trend
Genossenschaften gibt es seit über 150 Jahren, und sie haben seither nicht an Innovationskraft verloren. Im Gegenteil: Kooperatives Wirtschaften kann für viele aktuelle Herausforderungen eine Lösung sein. Neue genossenschaftliche Modelle, die unterschiedlichste Themen vom Klimaschutz bis zur Lieferkettenproblematik adressieren, werden umgesetzt. Die Ideen reichen von Genossenschaften für Installateursbetriebe, die ihren Bedarf an Fachkräften oder ihren Einkauf gemeinsam organisieren, bis hin zu Energiegemeinschaften, bei denen Unternehmen und Privatpersonen grünen Strom innerhalb der Genossenschaft produzieren und bereitstellen. Selbst für Freelancer kann die Genossenschaft eine Lösung für gemeinsame Administration, ein stabiles Partnernetzwerk und soziale Absicherung sein.
Kooperatives Wirtschaften ist der Kern der Genossenschaft und eine mögliche Lösung für zahlreiche Zukunftsthemen. Aber auch Gründer:innen, die ihr Startup langfristig sicher und flexibel aufstellen wollen, sollten sich näher mit der Rechtsform beschäftigen.