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Gentechnik ist schlecht. Sagt eigentlich wer?

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Kommentar.

Gentechnik ist schlecht. Sagt eigentlich wer? Als aufgeklärter Geist neigt man zur Antwort: Viel zu viele. Kaum ein anderes Thema vereint so schnell breite Fronten von Kritikern. Dabei müssen die Argumente an sich nicht einmal besonders überzeugend sein: „Niemand kann die Langzeitfolgen abschätzen!“, reicht als Argument etwa voll und ganz aus. Und was kann schon gut an einer Sache sein, die selbst von der Politik kritisch beäugt und stellenweise gar verteufelt und verboten wird? Vermeintliche Beweise für die Gefährlichkeit der Gentechnik findet man – aus Sicht von Otto-Normalverbraucher – schnell auf Seiten offizieller Behörden und Institutionen. “In Österreich ist der Anbau von gentechnisch veränderten Pflanzen verboten”, liest man auf der Seite von der österreichischen Agentur für Ernährungssicherheit (AGES). Nach wenigen Klicks findet man auf der Website des Umweltbundesamtes: „Ohne Zulassung darf in der EU und damit auch in Österreich kein gentechnisch veränderter Organismus (GVO) in Landwirtschaft und Lebensmittelproduktion verwendet werden: Weder gentechnisch verändertes (GV) Saatgut für den Anbau von landwirtschaftliche Nutzpflanzen, noch GV Lebens- und Futtermittel, die daraus hergestellt werden.“

Allgemeine Unwissenheit schützt vor Fortschritt

Für die Mehrheit der auf Anti-Gentechnik gepolten Mitmenschen mag das als Beweis bereits genügen. Was nicht erlaubt ist, das kann eben nicht gut sein. Das hört man schließlich auch oft genug von den österreichischen Politikern. So zumindest das Bauchgefühl. Denn eigentlich gibt es eine gesetzliche Verpflichtung zur Aufklärung der Bevölkerung über Entwicklungen im Bereich der Gentechnik. Das schreibt das österreichische Gentechnikgesetz vor.

Dafür übermittelt Die Gentechnikkommission, die zuständige Kontrollstelle, ihre Erkenntnisse an das Gesundheitsministerium – alle drei Jahre (!). In Form eines  Berichts an das Parlament. Doch statt zukunftsorientiert Diskussionen wird dort gerne ein Wählerkrieg geführt. Man verliert sich in Begriffskonstruktionen wie “Genmanipulation” – und schon ist die nächste Krise perfekt. Alleine der Begriff ist Grund genug für tiefe Denkfurchen auf der mit bio-zertifizierten Lebensmitteln genährten Haut. Würde man über genetisch verbesserte Lebensmittel sprechen, die Aufregung wäre um einiges kleiner. Verbesserungen wollen wir alle, aber manipuliert werden, das mag niemand.

Genetische Veränderungen haben keine Nachteile

Nun könnte der Herr Müller aber auch einfach ein bisschen länger auf Seiten wie jener von AGES verweilen und sich die FAQs durchlesen. Dort nämlich wird die vermeintliche Gefährlichkeit von Gentechnik schnell relativiert. Etwa wenn es um die Frage geht, warum beispielsweise Pflanzen gentechnisch verändert werden: “Die Mehrzahl der am Markt befindlichen gentechnisch veränderten Pflanzen bietet Vorteile im Bereich Landwirtschaft, denn sie besitzen Resistenzen gegen Schädlinge oder sind gegen Herbizide unempfindlich.”

Doch nicht nur das: Gentechnisch bearbeitete Pflanzen weisen eine höhere Pollensterilität auf, was das Züchten vereinfacht. Sie können industriell einfacher verwertet werden und weisen teils bessere Nährwerte auf. Letzteres würde übrigens bereits bei Mais bewiesen. Genmais mit der Bezeichnung MON810 ist derzeit die einzige in der EU zugelassene Pflanze, die gentechnisch verbessert worden ist. Was geändert wurde: Dem

Mais wurde ein Gen “eingepflanzt”. Jenes des Bodenbakteriums Bacillus thuringiensis (Bt), das den schädlichen Maiszünsler abtötet.  Für Menschen und Tiere ungefährlich. Das wiederum will nur fast niemand glauben.

Studie beweist: Genmais ist gesünder

Nun belegt sogar eine Forschungsarbeit die Unbedenklichkeit. Elisa Pellegrino von der Scuola Superiore Sant’Anna in Pisa hat dazu mit ihren KollegInnen mehr als 6.000 Studien aus der Zeit zwischen 1996 und 2016 analysiert. Sie haben die Umweltverträglichkeit des Genmais analysiert und sind der Frage nachgegangen ob er effektiv bei der Bekämpfung schädlicher Insekten ist. Auch die Auswirkung auf die menschliche Gesundheit wurde untersucht. Die Ergebnisse sind eindeutig: bis zu 24,5 Prozent höher waren die Erträge. Bei der Schädlingsbekämpfung wurden keine anderen Arten vernichtet als der Maiszünsler. Und was die Gesundheit betrifft: Beim Genmais war die Konzentration von drei schädlichen Pilzgiften um ein Drittel geringer als bei unbehandeltem Mais.

Ein klares Ergebnis! Nur nicht für Gen-Gegner. Kaum belegt eine Studie die positive Wirkung, ist sie in deren Augen manipuliert, gekauft oder gefälscht. Nur jene Studien, die die Gentechnik verteufeln sind jeglichen Zweifeln erhaben. Wie kann man das ändern?

Gentechnik ist uralt

Einfach gesagt: Durch Bildung. Alles was man nicht versteht zu verteufeln ist weitaus einfacher, als sich damit auseinanderzusetzen. Man muss ganz am Anfang ansetzen und den Menschen klar machen, was “Genveränderung” überhaupt heißt. Das Traurige: Sie müssten nicht einmal eine Universität betreten, sondern müssten einfach nur Wikipedia bemühen. Dann würden sie etwa schnell erfahren, dass Gentechnik 8000 Jahre alt ist. Die erste gentechnische Veränderung? Teosinte-Getreide. Das Erbgut wurde durch normale Züchtung mit natürlichen Mutationen so verändert, dass die Vorboten zum heutigen Mais entstanden sind.

Oder etwa “Biotechnologie”, die keine moderne Hexerei ist  sondern eine Tausende Jahre alte Technologie. Vereinfacht dargestellt ist schon Hefe beim Bierbrauen oder sind Milchsäurebakterien bei der Käseherstellung “biotech”. Die Biotechnologie bildet mit der Molekularbiologie und der Genetik die Grundlage der Verfahren, mit denen gentechnische Veränderungen vorgenommen werden können.

Mit ihnen kann das Erbgut von Organismen verändert oder auf andere Organismen übertragen werden. Eine wesentliche Grundlage dafür bildet die Entdeckung, dass der genetische Code für (fast) alle Lebewesen Gültigkeit besitzt. Das heißt, es können auch verschiedene Arten miteinander durch Gentechnik verbunden werden. Und genau hier treibt es den Kritikern die Schweißperlen auf die Stirn. Sie sehen bereits auf zwei Hufen laufende Kühe mit 10 Eutern und flatternde Hühnerbrüste ohne Köpfe auf den Farmen dieser Welt. Und weil sie Labore und Reagenzgläser meist nur aus den Bösewicht-Laboren von James Bond kennen, kombinieren sie blitzschnell: Labor und weiße Kittel sind gleich böse und schlecht. Genau das Gegenteil ist der Fall: Wissenschaftler arbeiten an einer tierfreundlichen Zukunft. In dieser können wir unser Fleisch je nach gewünschter Sorte im Labor züchten oder Milch völlig ohne Kuh herstellen (dazu wurde an der Uni Graz übrigens ein Verfahren entwickelt, das beim Startup „Legendairy foods“ zum Einsatz kommt).

Heißt zusammenfassend: Keine Massentierhaltung, kein Massensterben – und somit auch keine Kühe mit zehn Eutern oder kopflosen Hühnern mit großen Brüsten.

Doch so klar die Beweislage ist, im Anti-Gen-Lager wird gerne alles in einen Topf geworfen und ordentlich umgerührt. Da wird dann kreuz und quer argumentiert, rote, grüne, weiße Gentechnik vermischt. So, dass am Ende nicht einmal mehr der Experte weiß, worum es geht. Und ein Experte mit Fragezeichen über dem Kopf geht ja gar nicht, weil: Wenn sich nicht einmal der Experte auskennt, wer soll denn dann das Teufelszeug kontrollieren? Case closed. Aber die Hoffnung stirbt bekanntlich zuletzt und wir können uns in 10 bis 15 Jahren erneut hinsetzen und über die Ergebnisse der dann vorliegenden Langzeitstudien sprechen. Sofern Wissenschaftler bis dahin nicht der neuen Inquisition der Social-Media-Gebildeten zum Opfern gefallen sind. Doch wir alle können etwas dagegen tun: Statt Instagram-Feeds stalken lieber „Gentechnik“ googeln und lesen

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