Interview

Südtiroler Startup-Investor Oberrauch: „Bei uns ist Scheitern immer gleich eine soziale Tragödie“

Harald Oberrauch lhat die Tyrolean Business Angel GmbH gegründet. © Durst Group

Harald Oberrauch ist einer der bekanntesten Unternehmer Südtirols. Vor wenigen Jahren hat er die Zügel bei zwei international agierenden Unternehmen, der Alupress AG und der Durst Phototechnik AG, übernommen. Beide sind Teil der Holding seiner Familie, der Technicon AG, die wiederum zu den umsatzstärksten Unternehmen der Region zählt.

Als Business Angel unterstützt Oberrauch Startups und 2014 hat er mit der Tyrolean Business Angel GmbH (TBA) auch in Österreich ein Investment-Vehikel gegründet und sich an dem MedTech Heart Regeneration Technologies beteiligt (Trending Topics berichtete). Im Interview erzählt Oberrauch, welche Strategie die TBA verfolgt, wie sich die Startup-Szene in Südtirol entwickelt und wie Unternehmen gut mit Startups zusammenarbeiten können.

Trending Topics: Wie sind Sie zum Startup-Investor geworden?

Harald Oberrauch: Ich bin da eher hineingerutscht. Als ich die Präsidentschaft der Familienunternehmen übernommen habe – die Durst Phototechnik AG und die Alupress AG – wollte ich uns strategisch auf ein drittes Standbein stellen. Zuerst bin ich über M&A-Agenturen gegangen, die mir den Kontakt zu bestehenden Firmen gelegt haben. Ich habe aber schnell gemerkt, dass Startups auch eine gute Möglichkeit wären, ein drittes Standbein aufzubauen. Ich habe mir dann einige Märkte überlegt, die interessant wären. MedTech ist zum Beispiel ein Bereich, der mir die konjunkturellen Schwankungen der anderen beiden Unternehmen auffängt. Das gilt auch für Sicherheitstechnik, LifeSience und Biotechnologie. Das ist mein Fokus.

Warum der Medizin-Fokus, in den auch das erste Investment der von Ihnen in Österreich gegründeten Tyrolean Business Angel GmbH (TBA) fällt?

Unsere Bevölkerung wird immer älter und wir haben in Europa einen guten technologischen Vorsprung bei der Entwicklung von Geräten für die Medizinbranche. Bei der Geräteentwicklung kann ich außerdem Knowhow aus der Durst Group einbringen. Der Markt ist sehr interessant für mich.

Die Heart Regeneration Technologies aus Tirol hat sich der Therapie nach einem Herzinfarkt verschrieben. Wie sind Sie auf das Startup gestoßen?

Durch ein Startup-Event in Innsbruck, bei dem ich in der Jury gesessen bin. Die HRT wurden als Sieger prämiert und so bin ich mit dem Gründer zusammengekommen.

Dieses Gerät soll die Heilung des Herzmuskels ermöglichen. © Heart Regeneration Technologies
Das Gerät von Heart Regeneration Technologies soll die Heilung des Herzmuskels ermöglichen. © Heart Regeneration Technologies

Sie sind auch an der Investment-Gesellschaft von Business Angel Hermann Hauser beteiligt – kommt man sich da in Tirol nicht in die Quere?

Nein, im Gegenteil, das ist befruchtend. Hermann Hauser ist ein guter Netzwerk-Partner, der viel früher angefangen hat.

Was ist die Investmentstrategie der TBA?

Die Branchen sind MedTech, BioTech, LifeScience und Sicherheitstechnik und wir investieren nur in B2B-Startups. Bei B2B kenne ich mich aus und ich denke, man sollte immer dort investieren, wo man sich auskennt. Mein Fokus liegt außerdem auf der Alpenregion, auch wenn ich durchaus auch Investments im Ausland habe – etwa in Israel. Die Grundphilosophie ist aber, das Ökosystem in der Euregio anzukurbeln.

Wie hoch sind die Tickets, die die TBA üblicherweise vergibt?

Das ist ganz verschieden und geht von 50.000 bis 500.000 Euro.

Sie haben auch ein Business-Angel-Netzwerk in Südtirol ins Leben gerufen. Gibt es in Südtirol eine große BA-Szene?

Ja, genau deshalb habe ich das gemacht. Ein großer Vorteil in Südtirol ist, dass wir viele Marktführer-Firmen haben, die von der Unternehmens-Seite her ein tolles Business-Angel-Ökosystem bilden. Das sind sehr viele Top-Unternehmen auf einem ganz kleinen Ort. Wir vernetzen uns mit dem Ziel, das Ökosystem durch Startups weiter anzukurbeln. Ich bin der Meinung, dass ein Unternehmen heute nicht mehr wirklich schnell eine neue Technologie in den eigenen vier Wänden voranbringen kann. Das muss man über Spin-offs oder Startup-Integrationen machen, weil es so viel schneller geht. Diese Spin-offs oder Startups können in ein bis zwei Jahren konzentriert ein Produkt entwickeln, das der Firma einen Mehrwert bringt. Wir vernetzen die Südtiroler Unternehmer, damit sie lernen, in Startups zu investieren.

Südtiroler Unternehmen sollen also durch Startups innovativer werden?

Ja, es geht sicher auch um einen Kulturwechsel. Südtiroler haben sicher diese Scheiterkultur noch nicht verstanden – ein Problem in ganz Europa. In Amerika bekommt ein CEO keinen interessanten Job, wenn er nicht schon einmal mit einer Firma gescheitert ist. Bei uns ist Scheitern immer gleich eine soziale Tragödie.

Haben Sie schon einmal ein Unternehmen an die Wand gefahren?

Die Quote 1:10 stimmt bei Startups. Neun von zehn werden an die Wand gefahren – beim mir ist das nicht anders.

Kooperieren ihre eigenen Unternehmen mit Startups?

Ja, ständig. Deshalb habe ich auch das tba network gegründet, weil ich der Meinung bin, dass man Innovationen in Zukunft nicht mehr alleine stemmen kann. Die Produktzyklen werden kürzer, man muss flexibel sein und schneller reagieren. 2005 hatten wir bei unseren Tintenstrahldruckern noch Produktzyklen von sieben bis acht Jahren, seit 2015/16 liegen diese Zyklen bei drei bis vier Jahren. Ich muss also mein eigenes Gerät kannibalisieren, bevor es ein Konkurrent macht. Solche Innovationen kann man gut über Startups stemmen. Das ist ein Business-Modell, das wir ganz stark fahren.

Wie sehen diese Kooperationen bei in Ihren Unternehmen konkret aus?

Man spricht mit dem Management der bestehenden Firmen, ob ein bestimmtes Thema in ein bis zwei Jahren einen Mehrwert für die Firma bringen könnte. Wenn ja, dann gründet man ein Startup oder stattet ein bestehendes Startup mit Geld aus. Nach zwei bis drei Jahren, nach dem proof of concept, wird das Startup in die bestehenden Firmen integriert.

Steht der großen Business-Angel-Szene in Südtirol schon eine aktive Startup-Szene gegenüber?

Das ist eine unserer Missionen. Die Szene ist noch relativ klein. Wir hoffen, dass wir die Szene als Ansprechpartner mit Knowhow und Geld ankurbeln können. Die Szene hat auf jeden Fall Potenzial, ich habe aber noch in kein Südtiroler Startup investiert. Im Trentino sind sie uns da ein bisschen voraus, da habe ich in die BioTech-Firma Immagina investiert.

Wie gut sind die Rahmenbedingungen für Startups in Südtirol?

Es gibt natürlich immer Spielraum nach oben, die Bedingungen sind aber gut. Es gibt zum Beispiel die Startup Innovativa, das ist eine spezielle GmbH, die die ersten paar Jahre negatives Eigenkapital haben darf und gewisse Personalkostenvorteile hat. Wenn die Firma größer wird, kann man sie in eine KMU Innovativa umwandeln, die auch wieder negatives Eigenkapital haben darf. Die Förderungen sind auch nicht schlecht. Es gibt auch ein Double-Equity – Investments von Business Angels werden bis 200.000 Euro verdoppelt. Politisch orientiert man sich bei der Startup-Politik immer mehr an Österreich und Deutschland. In Bozen gibt es den NOI-Techpark, wo Startups angesiedelt werden – dort gibt es beispielsweise Unterstützung bei Patentanmeldungen und auch diverse Maschinen.

Was fehlt Ihnen noch in Südtirol?

Von den Rahmenbedingungen her fehlt mir nicht viel. Woran wir arbeiten müssen, ist die Kultur. Wir müssen lernen, Risikokapital zu investieren. Mir fehlt aber auch bei den Startups selbst noch ein bisschen die richtige Kultur – Jungunternehmen müssen mehr Risiko auf sich nehmen, um erfolgreich zu werden. Das ist das größere Problem als die Rahmenbedingungen.

Als erfahrener Unternehmer – was sind die häufigsten Fehler, die Sie bei jungen Gründern erleben?

Sie verzetteln sich gerne, wollen zu viele Märkte auf einmal angehen. Ein großes Problem ist der Fokus. Oft scheitern Startups auch einfach am Team. Das Team wird nicht nach Kompetenz, sondern nach Freundschaften aufgebaut. Das funktioniert selten.

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