Interview

i5invest-Chef Springer: „Österreichische Konzerne hinken bei Startup-Übernahmen hinterher“

i5invest-CEO Herwig Springer. © Tamás Künsztler
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Die i5invest ist eines der Urgesteine der österreichischen Startup-Szene. Begonnen hat alles 2009 in einem alten Backsteinbau in Wien-Margareten. Markus Wagner schuf nach dem Millionen-Exit seiner Firma 3United eine sympathische Mischung aus Risikokapitalgeber, Coworking-Space und Inkubator. Unter Tags wurden in dem Großraumbüro Deals verhandelt und Apps entwickelt, abends bei Bier und Pizza gepitcht. Mit i5invest sind Startups wie 123people und Tripwolf groß geworden.

Mittlerweile konzentriert sich i5invest fast ausschließlich auf das verhandeln von internationalen Deals. Zuletzt sorgte die Übernahme von 41 Prozent an dem Wiener Startup StreamUnlimited durch Google und Millionen-Exits von Denuvo, iTranslate und Smartbow für Aufsehen. Herwig Springer hat 2015 den Chefsessel von Markus Wagner übernommen, der sich seither vor allem um die US-Schwester von i5invest, die i5growth, kümmert.

Trending Topics: Wenn i5invest Erfolg hat, steigen internationale Konzerne bei österreichischen Unternehmen ein.

Herwig Springer: Bei der Frage, was nach einem Exit oder internationalen Investment geschieht, entsteht oft ein falsches Bild. Den meisten Firmen geht es danach deutlich besser, sie wachsen stärker und sind schneller global aktiv. Bei StreamUnlimited (teilweise an Google verkauft, Anm.) arbeiten jetzt schon deutlich mehr als hundert Leute – die wachsen extrem schnell und suchen mehr Mitarbeiter als sie in Österreich bekommen können. StreamUnlimited hat also in Österreich Arbeitsplätze geschaffen, ist in mehrheitlich österreichischer Hand, zahlt hier Steuern und steuert aus Wien die Niederlassungen in China, USA und Osteuropa. Die Firmen bleiben nach einem Investment in der Regel in Österreich. Das gilt auch für Denuvo (Exit im Jänner, Anm.) und iTranslate (Exit im März, Anm.): Der Standort wird massiv ausgebaut, es werden mehr Leute angestellt.

Was man auch nicht vergessen darf bei solchen Deals: der Verkaufserlös wird ja in Österreich versteuert. Das ist viel Geld. Und es entwickelt sich eine Community von Serienunternehmer mit globalem Netzwerk, die wieder etwas Neues starten und ihr Geld investieren. Das ist für den Standort auch sehr wichtig. So sind auch Speedinvest und i5invest entstanden: Oliver Holle und Markus Wagner haben ihr Unternehmen erfolgreich in die USA verkauft und wurden Serienunternehmer.

Sind österreichische Startups im internationalen Vergleich Schnäppchen für große Konzerne?

Wir liegen vom Bewertungsniveau unterhalb der USA, genau hier kommen wir ins Spiel um das zu korrigieren. Das hat aber damit zu tun, dass es in Europa viel weniger Investoren gibt als in der USA. Sobald du einen institutionellen US-Investor, einen VC, an Bord hast, gehen die Bewertungen in der Regel nach oben. Bei den letzten großen Deals hatten die Startups bisher kein Funding. Die Bewertung ist dann anders, man hat aber viel mehr Freiheiten und die Firma gehört zu hundert Prozent den Gründern und ihrem Team. Hier können wir als i5invest sehr gut unterstützen und die Anbindung an globale Investoren herstellen. Die letzten drei Deals (Smartbow, iTranslate, Denuvo, Anm.) waren international betrachtet wirklich gute Transaktionen.

Würden Sie also empfehlen, vor einem Exit ein Funding aufzunehmen?

Ich würde empfehlen, so lange kein Funding aufzunehmen, solange man es nicht braucht um zu skalieren. Wenn man aus eigener Kraft gut wachsen kann, gibt es keinen Grund für ein Funding, auch die Förderlandschaft in Österreich ist sehr gut. Wenn man Dinge besser und schneller mit externem Kapital machen kann, dann ergibt ein Funding natürlich Sinn. Bei B2B-Firmen ist ein Funding selten sinnvoll, weil der Vertrieb anders funktioniert als bei B2C. Da ist es wichtig, einen strukturierten Vertrieb aufzubauen – dafür braucht man in der Regel kein Investment. Das beste Funding ist der Kunde selbst. Bei B2C ist es etwas anderes – wenn man eine Plattform hat und Millionen Nutzer ansprechen will, muss man entsprechend in Marketing und Werbung investieren.

Warum hört man so selten von Exits an österreichische Großunternehmen?

Wir haben in den letzten Jahren drei Deals mit einem österreichischen Käufer abgeschlossen, mit der Post, mit Russmedia und mit S&T. Das sind wenige, vielleicht gab es noch mit zwei, drei weitere Unternehmen, aber österreichische Konzerne hinken hier international nach. Unser Job ist, für die Gründer und die Firmen das Beste herauszuholen – darum arbeiten wir so global: auf der anderen Seite stehen hunderte bis tausende potenzielle Käufer und Investoren aus dem Ausland, mit denen wir Gespräche geführt haben.

Es gibt aber schon mehr als drei österreichische Unternehmen, die Startups übernehmen könnten.

Ja, das ist schade – wir würden gerne mehr in Österreich machen. Ich kann gar nicht abschließend beantworten, woran es scheitert. Eine Erklärung könnte sein, dass Wachstum durch Akquisition bei uns keine Tradition hat – das ist in den USA viel stärker ausgeprägt. Viele österreichische Firmen trauen sich einfach nicht drüber, obwohl es ein wichtiger strategischer Grundpfeiler ist, um sich zu Weltmarktführern zu entwickeln oder in dieser Digitalisierungswelle als Gewinner und nicht als Verlierer dazustehen. In Europa gibt es überhaupt zwischen Mitbewerbern viel mehr Berührungsängste. In den USA tauschen auch Konkurrenten Erfahrungen aus, wenn es Sinn ergibt. Unternehmen wie Google können ja gleichzeitig Wettbewerber im einen Bereich und Partner in einem anderen Bereich sein.

Im November 2017 hat Google einen großen Teil des österreichischen Startups StreamUnlimited übernommen. Wie ist es, mit Google zu verhandeln?

Es ist natürlich sehr spannend. Google ist einer der professionellsten Investoren weltweit. Innerhalb weniger Wochen ist der Deal über die Bühne gegangen als es einmal so weit war. Die wissen genau, was sie wollen und sind immer verfügbar. Google war schon davor Partner von StreamUnlimited, die Firmen kannten sich also schon. Die guten Transaktionen entstehen zwischen Firmen, die sich schon länger kennen und optimaler Weise miteinander arbeiten, hier kommt auch wieder i5invest ins Spiel – wir helfen dabei solche globalen Partnerschaften einzufädeln und zu entwickeln.

Habt ihr versucht, einen Exit daraus zu machen?

Es ist auf jeden Fall besser, so wie es jetzt ist. Die Firma ist eigenständig und kann auch mit anderen Firmen zusammenarbeiten – alle großen Home-Entertainment-Player sind auch Kunden von StreamUnlimited und das ginge nicht, wenn sie komplett zu Google gehören würden. Es ist ein Vorteil, Google als Backup und Kerngesellschafter zu haben und gleichzeitig auch alle Freiheiten zu haben. Das ist quasi best of both worlds.

iTranslate wurde zu 100 Prozent übernommen.

Da war es so, dass iTranslate perfekt ins Portfolio der IAC passt (IAC ist ein NASDAQ Internet-Konzern, zu dem etwa auch Tinder gehört, Anm.). IAC hatte bisher schon andere Translation-Beteiligungen, iTranslate war aber viel stärker am Markt. iTranslate soll nun die gesamte Translation Business Unit ziehen, der Kompetenzbereich ist konzernweit somit nach Graz gewandert – wieder eine tolle Standortgeschichte.

Zu welchem Zeitpunkt wenden sich Jungunternehmen an i5invest? Oder ist es umgekehrt, meldet ihr euch bei den Firmen?

Häufig arbeiten wir mit reiferen Startups mit 20 oder mehr Mitarbeitern. Wir arbeiten aber auch selektiv mit sehr frühphasigen Firmen – dort geht es dann in einem ersten Schritt darum, die Firmen weltweit zu positionieren und bei ihrem Wachstum zu unterstützen. Bei iTranslate und StreamUnlimited lag es vor allem an diesen Erfolgen, dass die großen Firmen angeklopft haben. Wir haben mit den beiden rund zwei Jahre lang zusammengearbeitet – da war noch kein Deal in Sicht. Wir versuchen Firmen in eine Richtung zu entwickeln, wo es gute Partner gibt, die später einmal Käufer werden könnten.

Geht ihr auf die Startups zu oder kommen die Startups zu euch?

Das ist ganz unterschiedlich. Wir sind in der europäischen Tech-Szene mittlerweile sehr bekannt wenn es um Geschäftsanbahnung in der USA und in Asien geht – meistens führt ein Deal zu einem weiteren Deal in den Verticals in denen wir aktiv sind.

Welche Startups hat i5invest am Radar? Wo gibt es den besten Nachwuchs?

Viele der neuen Projekte sind nicht aus Österreich. Interessante Themen kommen hierzulande aus den Feldern Augmented Reality oder Computer Vision. Darüberhinaus haben wir circa zehn Fokus-Verticals, in denen wir weltweit sehr gut vernetzt sind. Je mehr man sich mit einer einzelnen Branche beschäftigt, desto stärker hat man das Gefühl, es mit dem wichtigsten Zukunftsthema überhaupt zu tun zu haben. Wir sehen dann vielleicht drei sehr gute Firmen im Cyber Security Bereich und sind der Meinung, dass da der stärkste Nachwuchs herkommt. Unsere Einschätzung, welche Branchen am stärksten sind, hängt also stark von unseren eigenen Aktivitäten ab. Für uns sind Cyber Security, Productivity/Collaboration, HR/Education, Autonomous Cars, Enterprise-Software, Energy-Tech sehr spannende Verticals, wir arbeiten aber auch im adTech, Opensource und Big-Data-Bereich.

Warum kommen viele eurer neuen Projekte nicht aus Österreich? Haben wir zu wenig guten Nachwuchs?

Wir sind mittlerweile mit 25 Leuten recht groß, haben Präsenzen in der Schweiz, Deutschland, Niederlande und den USA. Es ist keine Entscheidung für oder gegen – sondern wir haben eine Größe, mit der wir weit über den DACH-Raum hinaus schauen. Wir haben Projekte in Holland, in Deutschland, in Tschechien. Wir fokussieren nicht auf Länder sondern auf Branchen und schauen uns in ganz Europa um. Wenn ich sage, ich schaue mir Cyber Security an, wäre nur Österreich zu klein.

In welchem Vertical ist Österreich besonders stark?

Bei Cyber Security zum Beispiel. Im Bereich AR und Computer Vision. Im Energy-Tech-Bereich haben wir auch tolle Unternehmen. Manchmal geht das ein bisschen unter, aber Österreich hatte schon sehr früh erneuerbare Energien und hat sich schon früh mit Themen wie Nachhaltigkeit beschäftigt. Wir haben da auch sehr gut ausgebildete Menschen. Es gibt ein eigenes Elektrotechnik-Studium, die Ausbildung ist gut. Und im DACH-Raum gibt es im Energie-Bereich viele große Firmen, die Weltmarktführer sind.

Die neue Regierung gilt als wesentlich weniger Startup-affin als die letzte. Spürt man das in der Szene schon ein bisschen?

Die Förderprogramme laufen wie bisher – FFG, aws. Es wäre schön, wenn es leichter wäre, Fachkräfte nach Österreich zu bringen, auch wenn sie beispielsweise über kein abgeschlossenes Studium verfügen – viele Top-Informatiker brechen bekanntlich ja ihr Studium ab um zu arbeiten und sind absolut spitze. Österreich ist ein sehr guter Standort und definiert sich über das verfügbare Humankapital, hier müssen wir unbedingt attraktiver und weltoffener werden. Die Unternehmen der Zukunft definieren sich rein über die Qualität der Mitarbeiter und nur wenn wir es schaffen, dass die besten zu uns kommen wollen (als Studenten, als Mitarbeiter, als Gründer) werden wir vorne mitspielen. Bildung, Ausbildung und Weiterbildung sind auch ganz wichtig. Es ist halt kein großer Binnenmarkt und man muss schnell internationalisieren. Den Binnenmarkt kann aber leider keine Regierung vergrößern.

Wie entwickelt sich der Standort Österreich für i5invest selbst?

Wir haben uns auch entschieden, in Österreich einen Hub aufzubauen, der Analysen und Research und ähnliches durchführt. Dieses Experten-Team wollen wir an einem Ort haben. In anderen Ländern haben wir Präsenzen, die sich mit den regionalen Themen beschäftigen – zum Beispiel in Holland oder in der Schweiz.

Wo plant ihr weitere Niederlassungen?

Unsere Deutschland-Aktivitäten bauen wir aktuell deutlich aus.

Der Markt ist größer, aber bestimmt auch der Wettbewerb?

Es gibt auch in Deutschland nicht wirklich jemanden, der so einen starken Silicon Valley und Asien Fokus hat wie i5invest. Wir treffen auch in der USA kaum Deutsche oder Schweizer die ähnlich aktiv sind. Wirklich aktiv im Silicon Valley sind Firmen aus Israel – die sind sehr gut.

Welche Rolle spielt i5growth in den USA und i5-Gründer Markus Wagner noch für i5invest?

Markus Wagner betreut mit der i5growth Inc. vor allem die Projekte, die einen sehr starken Silicon Valley-Fokus haben, so war er z.b. bei StreamUnlimited stark involviert. Er hat ein sehr gutes weltweites Netzwerk, das er einbringt, und ist bei i5invest Beiratsvorsitzender.

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