Tokyo Diary

Inside Fanuc: Hier bauen Roboter monatlich tausende neue Roboter

Roboterarme von Fanuc © Fanuc/YouTube
Roboterarme von Fanuc © Fanuc/YouTube
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Beinahe schon gemächlich setzen die Arbeiter in einer der großen Produktionshallen der Firma Fanuc nahe Tokio Komponenten zusammen, verschrauben sie und reichen sie weiter zum nächsten Arbeitsschritt. Pausenlos. Tag und Nacht. 3.800 Roboter bauen sich hier quasi selbst. 7.000 potenzielle neue, unermüdliche Mitarbeiter entstehen so monatlich in Japan. Ein paar Gebäude weiter bauen diese Roboter weitgehend selbstständig Servomotoren. 150.000 Stück pro Monat. In manchen Fanuc-Produktionshallen arbeiten in der Nacht überhaupt nur zwei Menschen.

Die Automatisierung der Industrie ist in Japan weit fortgeschritten. Dass Mensch und Roboter hier Seite an Seite arbeiten, ist ganz normal. Automaten sind Teil des Alltags. Hier fürchtet niemand, dass Maschinen Arbeitsplätze kosten könnten. Im Gegenteil. Überalterung und kaum Zuwanderung sorgen für einen Schrumpfen der Bevölkerung. Qualifizierte Mitarbeiter zu finden ist schwierig.

175 Hektar mit Krankenhaus, Fußballplatz und Pub

Mehr als 4.500 Menschen arbeiten in dem Headquarter von Fanuc, das idyllisch in einem Wald am Fuße des Berges Fuji gelegen ist. 30 Prozent davon sind in Forschung und Entwicklung tätig. Mehr als zehn große Gebäude sind R&D gewidmet – das Forbes Magazine führt das japanische Unternehmen als eines der 100 innovativsten der Welt. Das Firmengelände ist riesig und erstreckt sich über insgesamt 175 Hektar.

Eine Delegation österreichischer Unternehmer und Automatisierungs-Experten ist unter Organisation der Außenwirtschaft Austria angereist und wird mit einem Bus von Halle zu Halle gebracht. Es gibt ein eigenes Krankenhaus, ein Pub, einen Supermarkt, Schwimmbad, Fußballplatz und Appartementhäuser für Mitarbeiter.

Eine Wald-Idylle gegen neugierige Blicke

Die Bäume des umgebenden Waldes wurden in den 1970er-Jahren von Firmengründer Seiuemon Inaba gepflanzt. Sie schützen die Firmenzentrale auch vor neugierigen Blicken. Japaner lassen sich ungerne in die Karten schauen, und Fanuc gilt als besonders restriktiv. Fast überall herrscht strenges Fotografier-Verbot und erst seit wenigen Jahren kommuniziert die Firma ein wenig offener mit Investoren. Trending Topics ist eines der wenigen Medien, die Zugang zu den Unternehmenshallen bekommen haben.

Treiber eines Wachstumsmarkts

Der weltweite Markt für Industrieroboter wächst bis 2021 auf rund 630.000 verkaufte Stück, rechnet die International Federation of Robotics (IFR) im jüngsten Report vor. Das wäre ein Wachstum von rund 65 Prozent seit 2017 die letzten Zahlen vorlagen. 2017 wurden mit Industrierobotern laut IFR weltweit 16,2 Milliarden Dollar umgesetzt, rechnet man Software und Service-Leistungen ein beträgt das Volumen 48 Milliarden Dollar.

Fanuc beherrscht fast ein Drittel des Weltmarktes und lässt große Konkurrenten wie ABB, Mitsubishi oder Omron hinter sich. Weltweit sind mehr als eine halbe Million Industrieroboter der japanischen Firma im Einsatz und insgesamt rund 20 Millionen Maschinen.

Bis zu 2,3 Tonnen heben

Der Bestseller unter den Fanuc-Robotern ist ein gelber Arm, der greift, schraubt oder sortiert. Je nach Modell kann er bis zu 2,3 Tonnen heben und kommt unter anderem in der Autoproduktion zum Einsatz. Für jene Aufgaben, die er nicht bewältigen kann, hat er einen grünen Kollegen. Der „collaborative robot“ kann Menschen assistieren, ihnen zum Beispiel schwere Gegenstände halten. Üblicherweise stehen Industrieroboter in Käfigen, damit sie niemanden versehentlich verletzen.

Fast alle Arbeitsschritte erfolgen in der Produktionshalle von Fanuc in solchen Käfigen. Lediglich die Montage der Kabelstränge muss nach wie vor ein Mensch übernehmen. Ein grüner Riesenarm hilft ihm dabei und hebt für ihn den 15 Kilogramm schweren Kabelstrang an die richtigen Stellen. Der „collaborative robot“ hält sofort an, wenn er berührt wird – dafür sorgt ein Sensor im Fuß des Roboters.

Fanuc hat Apple einiges zu verdanken

Gegründet wurde Fanuc 1972 als Ausgliederung aus dem Fujitsu-Konzern, und wird nach wie vor als Familienunternehmen geleitet. Neben Robotern liefert Fanuc Servomotoren, Spritzgussmaschinen und CNC-Fräsen. Einer der größten Kunden ist die chinesische Foxconn – das iPhone-Alugehäuse wurde von Fanucs Robodrill geformt. Rund um die Markteinführung des iPhone 4 mit seinem „Unibody“ aus Aluminium, 2010, hat sich der Absatz der Robodrill in nur drei Jahren auf 12.000 Stück verdoppelt.

Und obwohl die neueren iPhones mittlerweile beidseitig von Glas eingeschlossen werden, bleibt der Robodrill eine Cashcow. 250.000 Robodrills wurden 2017 gefertigt – die Nachfrage kommt vor allem von chinesischen Smartphone-Herstellern wie Huawei oder Xiaomi. Rund 80 Prozent der Roboter in der Smartphone-Produktion stammen aus den Hallen von Fanuc.

Wo die meisten Roboter im Einsatz sind

Dass Japan bei Robotik und Automatisierung die Nase vorne hat, verdankt das Land zu einem großen Teil Fanuc. Aber: Obwohl Japan der größte Lieferant für Industrieroboter ist, wurde das Land in Sachen Automatisierung mittlerweile von anderen Nationen überholt.

2009 war Japan auch in diesem Punkt noch führend. Nun hat die größte Roboterdichte laut IFR mit großem Abstand Korea. 710 Roboter kommen dort auf 10.000 Arbeiter. In Singapur sind es 658 Roboter und auf Platz drei liegt, allerdings bereits weit abgeschlagen, Deutschland mit einer Roboterdichte von 322, dicht gefolgt von Japan (308). Österreichs Industrie hat noch einen weiten Weg zu gehen. Mit 167 Robotern pro 10.000 Arbeitern liegt Österreich im Automatisierungs-Mittelfeld.

Mensch und Roboter im Team

An der Frage, ob ein höherer Automatisierungsgrad nun schlecht oder gut für den Arbeitsmarkt ist, scheiden sich die Geister. In Befragungen haben Österreicher regelmäßig zu einem großen Anteil Angst, den eigenen Job an einen Roboter zu verlieren. Wie Automatisierung den Mangel qualifizierter Arbeitskräfte Wett machen kann, ohne deshalb Arbeitsplätze zu kosten, führen zum Beispiel die Baumaschinen der japanischen Firma Komatsu vor Augen.

Die Schaufel des Baggers stoppt automatisch in exakt der richtigen Höhe, um Erde auf dem Übungsgelände der Firma am Rande von Tokio anzuziehen und damit den Boden zu ebnen. Waren bisher Mitarbeiter mit fünf bis zehn Jahren Praxiserfahrung notwendig, um die Schaufel zu präzise zu führen, kann nun auch ein Anfänger an den Schalthebeln sitzen. Mensch und Maschine bilden ein Team – jeder bringt das ein, was er am besten kann.

Trending Topics war auf Einladung der Außenwirtschaft Austria in Tokio – was wir hier alles erlebt haben, liest du hier

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