Interview

Investor Martin Rohla: „Unternehmertum ist nicht Problemlösertum per se“

Martin Rohla © Trending Topics
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2019 wird Martin Rohla als Investor in der TV-Show „2 Minuten 2 Millionen“auftreten, wo er den Platz von Food-Profi Heinrich Prokop übernimmt (Trending Topics berichtete). Wir haben mit Rohla über die Beteiligungen der Goodshares gesprochen und über das Konzept des „Jeganers“, mit dem Rohla so manchem Radikal-Veganer gehörig vor den Kopf gestoßen hat.

Trending Topics: Sie investieren über die Goodshares GmbH in nachhaltige Unternehmen – wie sieht Ihr Investmentfokus genau aus?

Martin Rohla: Ich tue mir schwer, den Investmentfokus klar zu definieren, weil wir nicht in bestimmte Branchen investieren. Wir investieren in analoge Projekte. Das was digital ist, mögen andere machen, da kennen wir uns nicht aus. Mit unserem Knowhow helfen wir Unternehmen, die an der Schnittstelle zwischen Menschen sitzen.

Welche Faktoren entscheiden über ein Investment?

Da gibt es diesen banalen Spruch: „People invest in people“. Wenn es ein gutes Projekt gibt, schauen wir uns zuerst an, ob und wie sehr das Team für die Idee brennt. Dann kommt sehr schnell die Rüttelstrecke, wo man anhand von Businessplänen die unangenehmen Fragen stellt. Da geht es dann darum, wie sehr sich ein Unternehmer mit seinem Markt beschäftigt hat. Uns gefällt der Spruch: „Die zweite Maus bekommt den Käse“. Es bewahrheitet sich immer wieder, dass es First-Mover sehr schwer haben.

Stimmt das Klischee, dass Social Entrepreneurs sich oft nicht intensiv genug mit Zahlen oder Businessplänen auseinandersetzen?

Das Klischee stimmt generell, nicht nur bei Social Entrepreneurship. Zu uns kommen oft Leute, die glauben, sie haben eine tolle Idee und wir kommen dann in Gesprächen drauf, dass sie über Basis-Zahlen zum Markt sehr wenig nachgedacht haben. Ich glaube aber nicht, dass das bei Social Entrepreneurs stärker ausgeprägt ist. Manche bereiten sich vielleicht sogar bewusst auf diese Themen vor, weil sie wissen, dass ihnen das unterstellt wird.

Investieren Sie in Non-Profit-Unternehmen oder müssen die Startups Gewinn-orientiert sein?

Wir investieren nur in Profit-Unternehmen. Das ist die relevanteste und beste Definition der Nachhaltigkeit – da gibt es drei Säulen: soziale Verantwortung, ökologische Verantwortung und ökonomische Verantwortung. Ein Unternehmen ist nur dann nachhaltig überlebensfähig, wenn es Gewinn macht. Wir beteiligen uns nicht an reinen Sozial-Projekten. Was mit dem Gewinn passiert, das ist eine andere Sache. Es kann also durchaus sein, dass die Eigentümer auf die Entnahme von Gewinn verzichten. Das Projekt muss aber mittelfristig selbst überlebensfähig sein, weil es Gewinn macht.

Wie hoch sind die Tickets, die die Goodshares vergibt?

Zwischen 2.000 und 500.000 Euro. Wenn etwas ganz Spannendes kommt, kann es auch mehr sein. Die Goodshares ist auch Partner vom European Angel Fund, die uns lange überprüft haben und die jetzt jedes unserer Investments verdoppeln. Ausgeschlossen sind nur vier Branchen: Waffenhandel, Drogenhandel, Prostitution und Immobilien. Durch den EAF ist mein Hebel doppelt so stark oder mein Risiko halb so groß.

Die Goodshares hat aber auch Immobilienprojekte.

Da ist dann der EAF nicht dabei.

Sie haben Wirtschaft studiert und dann eine Apotheke gegründet. Wie sind Sie zu den Themen Soziales und Nachhaltigkeit gekommen?

Das muss ich korrigieren. Ich habe keine Apotheke gegründet. Wir hatten in der Familie eine kleine Pharmafirma, wo eine Apotheke angeschlossen war. So bin ich schon vor mehr als 20 Jahren in die Apothekenwelt gerutscht. Ende der 1990er kam ich drauf, dass Apotheken eine Dienstleistungswüste sind. Dann habe ich gemeinsam mit Partnern aus der Pharmazie Apotheken gekauft.

Die Apotheke zum Weinberg, die Wasserapotheke in Linz oder die Saint-Charles-Apotheke in der Gumpendorfer Straße: Wir haben sie übernommen, Dienstleistungs-mäßig ausgerichtet und meistens wieder verkauft. Die Saint-Charles-Apotheke habe ich gemeinsam mit einem Freund bereits 2002 gekauft. 2006 haben wir die auf diese Saint-Charles-Welt umgestellt und den Begriff Lifestyle of Health Sustainability (LoHaS) für uns entdeckt. Da bin ich zum ersten Mal mit dem Thema Nachhaltigkeit in Berührung gekommen.

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Sie sind Investor und Biobauer, wie kann man sich Ihren Alltag vorstellen?

Das ist schwierig. Ich habe mich durch die Erfindung der Stadtflucht Bergmühle aus dem Selbst-Anbau zurückgezogen. Wir bauen in der Bergmühle so viel Bio-Gemüse und Wein an, dass wir uns selbst versorgen können. Das Gut mit den 40 Hektar im Norden von Wien habe ich zum größten Teil an benachbarte Biobauern verpachtet und die Tätigkeit als Landwirt reduziert. Vor allem, weil die Goodshares durch die Kooperation mit dem EAF so eine Eigendynamik bekommen hat.

Was können Startup-Gründer von Bauern lernen?

Geduld. Es passiert sehr selten, dass die Geschwindigkeit zwischen Saatkorn pflanzen und eine konsumierbare Frucht ernten so schnell ist, wie man sich erhofft. Man muss die Geduld haben, das abzuwarten und ein Händchen dafür, das Saatkorn im richtigen Zeitfenster zu setzen.

Mit Habibi & Hawara habt ihr eine Firma im Portfolio, die Flüchtlingen in weiterer Folge hilft, eigene Unternehmen zu gründen. Wie gut funktioniert das?

Das Habibi & Hawara ist aus dem „Hosten statt Posten“ entstanden, eine Aktion in der Stadtflucht Bergmühle als die Flüchtlingskrise sehr akut war. 2015 haben wir gemeinsam mit der Caritas Geflüchtete in Bussen in die Stadtflucht Bergmühle gebracht, wo die Vereinsmitglieder Gastgeber waren. Es war geplant, das nur einmalig zu machen, wir haben es aber wiederholt und in drei Monaten waren mehr als 1.300 Flüchtlinge bei uns. Da waren sehr beeindruckende Unternehmer-Persönlichkeiten dabei und wir haben uns gedacht, dass es eine Art Inkubator für geflüchtete Jungunternehmer braucht.

Man glaubt ja fälschlicherweise Gastronomie sei so leicht, deshalb haben wir ein Restaurant gegründet. Das war ein Sprung ins kalte Wasser, in den ich viel Geld investiert habe. Das Lokal funktioniert sehr gut, weil wir gelernt haben, dass man dafür echte Gastroprofis braucht. Wir nehmen Geflüchtete als Mitarbeiter auf, jetzt sind es 15, und bringen denen bei, was es bedeutet in Österreich Unternehmer zu sein. Jetzt sind wir so weit, dass wir demnächst die ersten beiden Habibi&Hawara-Outlets mit Geflüchteten als Partner gründen können. Wenn jemand, der vor drei Jahren ohne Sprachkenntnisse zu uns gekommen ist, jetzt Unternehmer wird, haben wir einen großen Schritt geschafft.

Investoren sagen oft, dass die besten Geschäftsideen Probleme lösen, die die Gründer selbst haben. Das sind natürlich selten große gesellschaftliche Probleme. Ist das nicht etwas kurzsichtig?

Das finde ich sehr kurzsichtig und ich teile es nicht. Ich weiß nicht, wer den Spruch erfunden hat – ich halte ihn für völligen Holler. Das ist keine Voraussetzung dafür, ein Projekt erfolgreich aufzusetzen. Unternehmertum ist nicht Problemlösertum per se. Zum Beispiel mit der Stadtflucht Bergmühle, die sehr viel Wirbel gemacht hat, mit der wollten wir kein Problem lösen. Wir wollten eine Hetz haben. Wir wollten Spaß haben und anderen Leuten Spaß bereiten. Man muss nicht immer Probleme lösen.

Ich mag aber den Spruch: „Jedes Problem ist eine versteckte Chance“. Das wiederum ist sehr richtig. Wenn man merkt, dass ein Projekt nicht gleich funktioniert und man einen Plan B, C oder D suchen muss, sind diese Alternativen meist viel besser als der Plan A. Man muss jedes Problem als Herausforderung sehen, anders zu denken.

Ich habe gelesen, Sie sind Jeganer. Was ist denn das?

Ich war Jeganer. Eine der Beteiligungen der Goodshares ist die Swing Kitchen, eine vegane Burgerkette, die sehr gut funktioniert. Wir machen demnächst sogar in Berlin zwei Filialen auf und expandieren vielleicht sogar nach Vancouver. Mit Veganismus muss man sich auseinandersetzen, weil das in der öffentlichen Wahrnehmung oft falsch verstanden wird. Es geht nicht nur um Tierrechte und Tierschutz, sondern darum, dass man die Probleme industrieller Tierhaltung wahrnimmt.

Es gibt viele Faktoren, die ganz massiv dafür sprechen, keine Lebensmittel aus industrieller Tierhaltung zu sich zu nehmen: der Wasserkonsum, der damit einhergeht. Der Großteil der Anbauflächen ist nicht für den Anbau von Essen für Menschen, sondern für Tiere. Dann ist aber der Energieverwertungsfaktor ein sehr schlechter. In Rindfleisch wird neunmal die Energie hineingefüttert, die ich zu mir nehme, wenn ich das Schnitzerl esse. Deshalb habe ich den Selbstversuch des Veganers gestartet. Nachdem ich aber auf die Jagd gehe seit ich gehen kann und dazu einen sehr vernünftigen Zugang habe, wollte ich das nicht ausschließen.

Das Fleisch, das wir über die Jagd produzieren, ist das am nachhaltigsten produzierte Fleisch, das man sich denken kann. Auch das tierschonendste. Das Tier bekommt nichts zum Essen vorgelegt, all das, was ein Wildtier zu sich nimmt, kommt aus der Natur. Beim Schuss hört das Tier nicht einmal den Knall, weil die Kugel schneller ist als der Schall. Daher kommt die Wortkombination aus Jagen und Veganer, der Jeganer. Meine Tochter und ich haben drei Monate jegan gelebt, was damals einen großen Wirbel unter Radikal-Veganern großen Wirbel ausgelöst hat.

Sie sind neuer Investor bei „2 Minuten 2 Millionen“. In der TV-Show funktionieren kommerzielle Produkte sehr gut, welche Startups suchen Sie dort?

Ich war zunächst etwas zurückhaltend, als ich gefragt wurde. Ich will prinzipiell für die Sachen, die ich mache keine mediale Präsenz. Dann habe ich mir die Sendung angeschaut und finde toll, dass sie junge Leute zum Unternehmertum motiviert. Die Sendung zeigt, dass es funktionieren kann, aus einer Geschäftsidee ein Unternehmen werden kann, das sich trägt und ein Produkt auf den Markt bringt, das Menschen etwas Gutes tut.

Martin Rohla im Video-Interview:

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