Beschleunigung notwendig

Klimabilanz: Deutschland hinkt eigenen Zielen über Jahre hinterher

Die aktuelle deutsche Klimabilanz zeigt die Notwendigkeit zum Handeln ©Maheshkumar Painam/Unsplash
Die aktuelle deutsche Klimabilanz zeigt die Notwendigkeit zum Handeln ©Maheshkumar Painam/Unsplash
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Bereits zu Beginn der Woche wurde aus dem Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz bekannt, dass ein erstes Paket mit Gesetzen und Vorhaben zu dem bereits im Vorfeld angekündigten Klimaschutz-Sofortprogramm bis April im Kabinett beschlossen werden soll, wir berichteten. Heute nun legte der deutsche Wirtschafts- und Klimaschutzminister Robert Habeck mit der „Eröffnungsbilanz Klimaschutz“ auch einige Gründe dafür vor. Diese Eröffnungsbilanz soll den momentanen Standpunkt Deutschland im Klimaschutz aufzeigen und das Ergebnis ist wachrüttelnd: Deutschland liegt stark hinter den Erwartungen und die Zeit, um die Pariser Klimaziele doch noch zu erreichen, fließt davon. 

Nur wenn die Vereinbarungen des Pariser Klimaschutzabkommens erreicht werden, können schwerwiegende Folgen für das Leben auf der Erde vermieden werden. Dafür soll eine Co2-Neutralität bis zur Mitte dieses Jahrhunderts erreicht werden. Deutschlands Ziel ist dabei konkret: bis spätestens 2045 soll das Land treibhausgasneutral sein. Dies zu erreichen,  wird jedoch noch eine enorme politische Herausforderung: Laut der vorgestellten Bilanz erfordern die Klimaziele des neuen Klimaschutzgesetzes bis 2030 fast eine Verdreifachung der bisherigen Geschwindigkeit der Emissionsminderung. Während im letzten Jahrzehnt die Emissionen im Durchschnitt jährlich um 15 Millionen Tonnen gesunken sind, müssen sie von nun an bis 2030 um 36 bis 41 Millionen Tonnen pro Jahr sinken. 

Überblick: Die Klimapläne im deutschen Koalitionsvertrag

Anstieg der Emissionen 2021 erwartet

„Wir wollen bis 2045 klimaneutral werden und bis 2030 den Anteil Erneuerbarer Energien auf 80 Prozent steigern. Die Arbeit dafür hat begonnen. Die prioritären Gesetze, Verordnungen und Maßnahmen setzen wir jetzt aufs Gleis – eine erstes Klimaschutz-Paket kommt bis Ende April, ein zweites im Sommer,“ so Habeck.

Der deutliche Rückgang an Emissionen im Jahr 2020 – die Treibhausgasemissionen sanken gegenüber dem Vorjahr um 8,9 Prozent bzw. rund 71 Millionen Tonnen CO2-Äquivalente – über den sich 2021 noch viele freuten, wurde von Expert:innen relativiert. Der Expertenrat für Klimafragen geht davon aus, dass mehr als die Hälfte der Emissionsreduktion im Jahr 2020 gegenüber dem Vorjahr auf Sondereffekte zurückzuführen ist, etwa günstige Witterungsbedingungen und Auswirkungen der Maßnahmen zur Eindämmung der Covid-19-Pandemie. Somit ist der Erfolg nicht auf klimapolitische Maßnahmen und dauerhafte strukturelle Veränderungen zurückzuführen.

Infolgedessen erwartet der Minister auf Basis einer aktuellen Schätzung der Arbeitsgemeinschaft Energiebilanzen für den Primärenergieverbrauch 2021 ein Anstieg der energiebedingten CO2-Emissionen in der Größenordnung von gut 4 Prozent bzw. rund 25 Millionen Tonnen CO2-Äquivalente. Hinzu kommt angesichts der gegenüber 2020 erfolgten wirtschaftlichen Erholung noch ein Anstieg der prozessbedingten Emissionen in der Industrie, sodass die Emissionen, laut Habeck, 2021 um gut 30 Millionen Tonnen über denen des Jahres 2020 liegen dürften.

Klimaziele werden um Jahre verfehlt

Außerdem offenbarte die Bilanz eine weitere schlechte Nachricht: Obwohl im Klimaschutzgesetz ab 2021 jährliche Klimaschutzziele für die einzelnen Sektoren gelten, sind die bisherigen Klimaschutzmaßnahmen in allen Sektoren unzureichend. Wie Tech & Nature bereits schon in einem Beitrag feststellte, hat die Bau- & Immobilienbranche in Sachen Klimaschutz  noch viel nachzuholen. Das zeigt sich auch in Habecks Bilanz: Laut ihm wird der Gebäudesektor 2021 zum zweiten Mal in Folge sein Sektorziel verfehlen, und es sei bereits jetzt absehbar, dass in etlichen weiteren Sektoren, wie beispielsweise der Verkehrssektor,  die Klimaziele der Jahre 2022 und 2023 nicht mehr erreicht werden können. Damit würden ohne schnell wirkende, zusätzliche Klima-Maßnahmen die 2030-Ziele in allen Sektoren deutlich verfehlt werden.

 

Gleich mehrere Sektoren überschreiten laut Prognosen in den nächsten Jahren die Klimaziele des Bundes-Klimaschutzgesetz ©Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz

Und auch trotz des Fortschritts in grüner Energie, ist die Bilanz im Bereich der Energiewirtschaft sehr ernüchternd. Die CO2- Emissionen sind 2021 wieder gestiegen, der Ausbau der Windenergie an Land und auf See ist auf dem niedrigsten Stand der letzten zehn Jahre, die Fertigstellung der Stromnetze verzögert sich erneut um weitere Jahre und der Strombedarf für 2030 wurde systematisch unterschätzt. Auf der Pressekonferenz zur Bilanz betonte des Bundesminister trotzdem, dass trotz des unterschätzten Strombedarfs er die kürzlich viel diskutierte Entscheidung der EU-Kommission zur Einstufung der Atomenergie als grüne Investition im Zuge der Taxonomie-Verordnung nicht unterstützt und den Rechtsakt für falsch hält, wir berichteten. 

Taxonomie-Verordnung: Einstufung von Atomkraft und Erdgas als “grün” sorgt für viel Kritik

Fokus auf Ausbau der Erneuerbaren Energien

Auf der Grundlage der gegenwärtigen Emissionstrends und der bisherigen Fehlentwicklungen in den einzelnen Sektoren geht der Klimaschutzminister davon aus, dass selbst bei sofortigem und konsequentem Umsteuern in der Klimapolitik die Treibhausgasemissionen in Deutschland absehbar in den Jahren 2022 und 2023 über den Jahreszielen des Klimaschutzgesetzes liegen werden. Deshalb soll die heute vorgestellte Klimabilanz der Startschuss für die Arbeit an einem Klimaschutz-Sofortprogramm sein, mit dem die neue Bundesregierung alle notwendigen Gesetze, Verordnungen und Maßnahmen so auf den Weg bringt, damit Deutschland so schnell wie möglich auf den Zielpfad gemäß Bundes-Klimaschutzgesetz kommt. Die Ausarbeitung dieser soll bis Ende 2022 abgeschlossen sein, so dass viele Neuregelungen ab 2023 vollumfänglich in Kraft sein werden.

Der Hauptaugenmerk bei den Maßnahmen ist nach wie vor den Ausbau der Erneuerbaren Energien drastisch zu beschleunigen und die Hemmnisse und Hürden aus dem Weg zu räumen. Zudem soll die Energieeffizienz gesteigert werden und die Industriepolitik auf das Ziel der Klimaneutralität ausgerichtet werden. Konkrete Maßnahmen seien, wie gestern schon angedeutet: Die Anpassung des Erneuerbare-Energien-Gesetz, um die Ausschreibungsmenge zu erhöhen und damit die Weichen für 80 Prozent erneuerbare Stromerzeugung bis 2030 zu stellen. Zudem wird ein Solarbeschleunigungspaket auf den Weg gebracht, das ein breites Bündel an Einzelmaßnahmen für die Voranbringung des Solarenergie beinhalten soll. Und auch in Sachen Windenergie wird es ein neues Gesetz geben: mit dem Wind-an-Land- Gesetz sollen kurzfristige Flächenpotenziale für Wind an Land erschlossen und der Ausbauprozess beschleunigt werden .

Weitere Maßnahmen beinhalten unteranderem die Senkung der Strompreise, Klimaschutzverträge mit der Industrie, Wärme – & Wasserstoffstrategien und Gebäudestandarts & -förderung. 

Deutschlands Meilensteine auf dem Weg zur CO2-Nautralität ©Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz

Der Klimawandel ist jedoch kein Problem, das Deutschland alleine lösen kann. Selbst mit diesem ehrgeizigen Zeitplan werden viele Erfolge erst in einigen Jahren zu sehen sein. Deshalb will Habeck auch im Zuge der anstehenden G7-Präsidentschaft einen zentralen Klimaschutz-Schwerpunkt setzen.

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