Meinungen

Worst Practice: Was österreichische Startup-Gründer aus der Krise bei Uber lernen können

Whatchado-Chef Jubin Honarfar, Journi-Mitgründerin Bianca Busetti, Speedinvest-CEO Oliver Holle und Bitmovin-Gründer Stefan Lederer plädieren für offene Unternehmenskultur und ehrliches Feedback. (Bilder: Whatchado/Andreas Wieselthaler/Speedinvest/Bitmovin)
Whatchado-Chef Jubin Honarfar, Journi-Mitgründerin Bianca Busetti, Speedinvest-CEO Oliver Holle und Bitmovin-Gründer Stefan Lederer plädieren für offene Unternehmenskultur und ehrliches Feedback. (Bilder: Whatchado/Andreas Wieselthaler/Speedinvest/Bitmovin)

Spionage bei Fahrern und Nutzern, Drohungen gegen Journalisten und schließlich sexuelle Belästigung: Die Krise bei Uber hat sich über mehrere Jahre hinweg angebahnt. Doch erst in den vergangenen Wochen folgten Konsequenzen, und zwar ziemlich rasch. Erst wurde gegen Sexismus im Startup ermittelt, daraufhin zahlreiche Mitarbeiter deswegen entlassen und Manager ausgetauscht. CEO Travis Kalanick, der die größte Kontrolle über den Mitfahrdienst hat, legte eine Pause ein und trat wenige Tage später auf Druck der Investoren zurück.

Der Fall Uber entfacht im Silicon Valley Diskussionen um Krisenmanagement, Führungsstil und Sexismus in der Branche. Auch heimische Gründer haben die Turbulenzen beim wertvollsten Tech-Startup der Welt beobachtet und daraus gelernt.

Selbstkritischer Führungsstil

„Ich kann mir vorstellen, dass auf Grund des rasanten Wachstums weniger Wert auf die Qualität der Mitarbeiter und der Zusammenarbeit gelegt worden ist“, analysiert Whatchado-CEO Jubin Honarfar und ergänzt: „Schwarze Schafe rechtzeitig zu erkennen ist jedoch auch nicht immer einfach.“ Den Rücktritt von Kalanick habe er nicht als Rücktritt, sondern als „Rausschmiss“ empfunden. Sich mächtigen Investoren entgegenzustellen, sei ein verlorener Kampf, so Honarfar. Uber hat seit der Gründung 8,81 Milliarden US-Dollar von 79 Investoren eingesammelt. „Im Großen und Ganzen ist Uber ein super Beispiel dafür, dass wenn ein Unternehmen nur nach Zahlen gesteuert wird, Menschen immer auf der Strecke bleiben“, sagt der Whatchado-Chef.

Beschwerden von Mitarbeitern nehme er bei seinem eigenen Startup ernst, betont Honarfar: „Das es manchmal innerhalb von Teams einen Schmäh gibt, der nicht unbedingt angebracht ist, kann man wohl nicht ganz verhindern. Wenn es jedoch für einzelne Mitarbeiter ein Problem darstellen sollte, dann muss man auf alle Fälle reagieren und Grenzen aufzeigen.“ In seiner Chefrolle stand Honarfar ebenfalls schon vor einigen Herausforderungen. In einem Interview sprach er kürzlich darüber, dass der Rückzug seines Mitgründers Ali Mahlodji eine schwierige Zeit für ihn war. Wie er damit umging? „Meine Führungskräfte und ich haben damals ein Management Assessment gemacht, um herauszufinden, ob wir überhaupt in der Lage sind, das bestmögliche aus den Chancen herauszuholen, oder ob es andere, bessere Profile hierfür gibt.“ Den Spiegel vorgehalten zu bekommen und sich mit seinen Schwächen auseinandersetzen zu müssen, sei mitunter schmerzhaft gewesen. Diese Selbstreflexion hält Honarfar dennoch für immens wichtig. Das Assessment hat laut dem Startup-Manager einiges bewegt, ein großer Teil des Führungsteams wurde ausgetauscht.

In der Zeit nach Mahlodjis Ausstieg nach dem operativen Geschäft nahm der CEO Coaching in Anspruch. „Ich habe gelernt, dass ich Dinge, die mir nicht passen, viel eher ansprechen kann, als früher. Heute scheue ich Konflikte viel weniger. Ich finde sogar, dass Konflikte dazugehören, da sie die Entwicklung beschleunigen können“, erzählt Honarfar von dieser Veränderung. Anderen Gründern und CEOs in ähnlichen Situationen rät der Whatchado-Chef, den Teams nichts vorzuspielen: „ Man hat Angst, dass solche Krisen unter Gründern die Stimmung negativ beeinflussen können, wenn es ans Tageslicht kommt. In Wahrheit ist es jedoch die Geheimnistuerei. Denn mit Emotionen kann man schwer hinterm Berg halten.“ Die Bereitschaft zum Diskurs sei in Krisenzeiten der erste Schritt in Richtung Annäherung.

Kurz vor dem Aus

Bianca Busetti, Mitgründerin der Reiseplattform Journi, kritisiert an Uber ebenfalls die fehlende Unternehmenskultur: „Bei Vorwürfen zu sexueller Belästigung sollte niemand, egal ob Personalabteilung, Kollegen oder Führungspersonen, die Augen verschließen und so tun, als gäbe es kein Problem.“ Hier seien wohl schon beim Einstellungsprozess Fehler passiert. „Egal ob man 1.000 Mitarbeiter hat oder wie wir acht, die Unternehmenskultur spielt eine große Rolle und wir als Gründer, aber auch alle anderen versuchen, diese Werte wirklich zu leben. Werte wie Transparenz, Probleme immer gleich zu nennen und zu lösen, pragmatisch zu sein.“ 

Die erste Krise erfuhr Journi Ende 2014, nur vier Monate nach der Umgründung vom ersten Versuch Miavia zu Journi. Laut Busetti ging dem Startup damals das Geld aus, Investoren zeigten zwar Interesse, wussten aber nicht, „ob die ersten 10.000 Nutzer ein Lucky Shot waren oder ob da mehr dahinter steckt.“ Chief Product Officer Busetti erinnert sich: „Emotional war das eine sehr schwierige Zeit für mich. Ich habe mir Absagen sehr zu Herzen genommen und natürlich auch begonnen, an der Idee und der Umsetzung zu zweifeln.“ Das Entlassen von Mitarbeitern sei zudem nicht leicht gewesen. Das Führungsteam habe die finanzielle Situation aber immer ehrlich kommuniziert, sagt die Mitgründerin. „Wichtig in dieser ganzen Situation war, dass wir drei Gründer immer an einem Strang gezogen haben. Wir haben intensive Gespräche geführt und uns schlussendlich dafür entschieden, Journi mit einer Querfinanzierung am Laufen zu halten und uns die Entwicklung nach einem halben Jahr bis Jahr anzusehen.“ Ende 2015 kam schließlich die Entscheidung, die Plattform weiterzuführen. Seit damals gab es laut der CPO keine Krise mehr, das Arbeitsumfeld sei wunderbar.

Mein größtes Learning war mit Sicherheit, mir negatives Feedback nicht mehr so zu Herzen zu nehmen. Man muss Finanzierungsrunden einfach früh genug planen“, gibt Busetti anderen Startup-Gründern mit auf den Weg. „Es hilft extrem, als Startup zumindest ein Jahr zu existieren und sich bereits bewiesen zu haben, bevor man versucht Förderungen und Investments zu erhalten.“ 

Keine Veränderung durch Rücktritt

Aus der Perspektive eines Investors sieht Speedinvest-CEO Oliver Holle die Uber-Krise „differenziert“. Die Firmenkultur beschreibt er als „Spitze des Eisbergs einer Kultur, die nicht nur in San Francisco, sondern auch in Berlin, London und sonst wo massiv um sich greift. Dominante Männer mit Ellbogentechnik, Weltbeherrschungsanspruch und sehr wenig Geduld für Zwischentöne.“ Dies sei eine unmittelbare Konsequenz aus der fehlenden Diversität und der Unmenge an Kapital, das in den Sektor fliesst. Mit dem Rücktritt von Kalanick werde sich an dieser Kultur wenig ändern, prognostiziert der Investor.

Dass VCs Gründer durch erfahrene Manager austauschen, ist nicht sein Ansatz: „Das zeigt keinen Respekt vor den Gründern. Bei Speedinvest stehen wir dazu, dass wir Gründer zu Top-CEOs entwickeln wollen.“ Gleichzeitig müsse es aber auch eine Lernbereitschaft und eine Feedback-Kultur – auch im Board – geben, die eine solche Entwicklung ermöglicht. „Hier als Investor als Coach und Mentor zu helfen und die Menschen auch herauszufordern, ist eine unserer Kernaufgaben“, betont Holle.

„Gründer müssen genau diesen Drahtseilakt schaffen: Einerseits an sich und die eigene Vision glauben und andererseits in der Lage sein, Feedback anzunehmen und an sich zu arbeiten“, rät Holle und fügt hinzu: „Schwierig – aber niemand hat gesagt, dass es leicht ist.“

Startups als Vorbilder für Chancengleichheit

Stefan Lederer, Gründer der Streaming-Technologie Bitmovin, pendelt für sein Startup zwischen San Francisco und Kärnten und hat die Schlagzeilen um Uber nah mitbekommen: „Mich persönlich überrascht es sehr, dass so etwas wie bei Uber, aber auch wie bei einigen anderen VCs und Startups im Silicon Valley möglich ist. Das ist sehr enttäuschend, da doch die Startup-Branche eigentlich ein Vorbild für Chancengleichheit sein sollte.“ Uber-CEO Kalanick hätte genug Zeit gehabt, sich der Thematik zu widmen und im Unternehmen zu adressieren, findet Lederer. Sein Rücktritt könne aber Uber und Startups allgemein dabei helfen, Themen wie die Unternehmenskultur mit der notwendigen Ernsthaftigkeit zu behandeln.

„Es macht Spaß in einem Startup zu arbeiten, aber bei Sexismus oder Diskriminierung hört sich der Spaß auf, das ist ein absolutes No-Go für mich. Ein Startup ist mit viel Arbeit und Einsatz verbunden, das schweißt zusammen, da ist es wichtig, dass es eine gute Kultur im Unternehmen gibt“, sagt der Bitmovin-Chef. Einige Herausforderungen im Startup-Alltag haben auch ihm schon die ein oder andere Nacht Schlaf geraubt, erinnert sich Lederer: „Bisher haben wir aber alle Herausforderungen meistern können.“

Dabei sei es wichtig, nicht zu verzweifeln und sich Rat zu suchen, auch Investoren können eine Unterstützung sein: „Es geht nicht nur um das investierte Geld, sondern und die Erfahrung und Kompetenz auf die man als Gründer zurückgreifen kann“, weiß Lederer und beruhigt: „In einem Startup gibt es immer Höhen und Tiefen, das ist ganz normal.“

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